Arme Seelen - über die Dauer des Fegefeuers #5 .
An dieser Stelle möchte ich die selige Katharina Emmerich zu Wort kommen lassen, denn dieses Zeugnis ist mehr Wert als meine Worte:
"Alles, was der Mensch denkt, spricht und tut, hat in sich etwas Lebendiges, das fortwirkt zum Guten oder Bösen. Wer Böses getan hat, muss sich beeilen, seine Schuld durch Reue und Bekenntnis im Sakrament der Buße zu tilgen, sonst kann er die Folgen des Bösen in ihrer ganzen Entwicklung nur schwer oder garnicht mehr verhindern.
Es ist mir immer gezeigt worden, dass ungebüßte und unversöhnte Schuld eine unberechenbare Nachwirkung hat. Ich hatte bei einzelnen Gebeinen auf Gräbern und Kirchhöfen das Gefühl von Licht, überfließendem Segen und Heil; bei anderen empfand ich verschiedene Grade von Armut und Bedürftigkeit, und fühlte mich um Hilfe durch Gebet, Fasten und Almosen angefleht. Es erfüllte mmich aber an manchen Gräbern auch mit Schrecken und Entsetzten.
Wenn ich in der Nacht auf dem Kirchhof betete, empfand ich auf solchen Gräbern eine noch tiefere Finsternis als die Nacht selbst; es war da noch schwärzer als schwarz, es war, als wenn man ein Loch in ein schwarzes Tuch schneidet, was dann noch dunkler aussieht.
Manchmal sah ich etwas wie einen schwarzen Qualm aus solchen Gräbern steigen, der mich schaudern ließ. Es ist mir auch passiert, dass ich, wenn mich die Begierde zu helfen hinriß in diese Finsternis einzudringen, das Zurückstoßen der dargebotenen Hilfe mir entgegenschwall.
Die lebendige Überzeugung von der allerheiligsten Gerechtigkeit Gottes war mir dann wie ein Engel, der mich aus den Schrecken eines solchen Grabes wieder zurückführte.
Auf anderen Gräbern sah ich eine hellere oder trübere graue Schattensäule, auf manchen eine Lichtsäule, einen stärkeren oder schwächeren Strahl; auf vielen aber sah ich gar nichts erscheinen, was mich immer am tiefsten betrübte.
Ich erhielt die innere Überzeugung, dass die helleren oder trüberen Strahlen aus den Gräbern Äußerungen der Armen Seelen über den Grad ihres Bedürfnisses seien, und dass jene, die gar kein Zeichen zu geben vermochten, am weitesten zurück und ohne jede Hilfe im Fegefeuer seien, dass niemand ihrer gedenkt, dass sie ohne alle Fähigkeit zu wirken und am weitesten im Verkehr mit dem Kirchenleib zurückgesetzt sind.
Wenn ich betend auf solchen Gräbern lag, hörte ich oft eine mühsame, dumpfe Stimme aus der Tiefe zu mir herauf seufzen: hilf mir herau! und ich fühlte die Angst eines ganz hilflosen Menschen deutschlich in mir selbst.
Ich betete für diese Hilflosen, Vergessenen immer mit größerem Eifer und andauernder als für andere, und ich habe öfter über solchen leeren, stummen Gräbern nach und nach graue Schattensäulen hervorsteigen und sich durch fortgesetzte Gebetshilfe immer mehr aufhellen sehen.
Die Gräber auf denen ich hellere oder trübere Schattensäulen sehe, wurden mir als die Gräber solcher Verstorbenen erklärt, deren Arme Seelen nicht ganz gebunden seien, und die durch den Grad ihrer Reinigunspein oder durch Hilfe und Gebete lebender Freunde in einem mehr oder weniger tröstlichen Verhältnis zu der streitenden Kirche auf Erden stehen.
Sie haben noch die Gnade, ein Zeichen von sich in der Gemeinde zu geben; sie sind in einem wachsen zum Licht und zur Seligkeit; sie flehen uns an, denn sie können sich nicht selbst helfen, und was wir für sie tun, das bringen sie unserem Herrn Jesus für uns dar.
Sie erscheinenn mir immer wie arme Gefangene, die noch durch einen Schrei, durch ein Flehen, durch eine vorgestreckte Hand, aus dem Kerker das Mitleid ihrer Mitmenschen anregen können.
Gott hat mir oft in meinem Leben die Gnade verliehen, dass ich viele Seelen vor meinen Augen aus dem Fegefeuer mit unendlicher Freude in den Himmel aufsteigen sah.
O wie vielen Dank habe ich von den lieben Armen Seelen gehabt; ach, wenn ich doch allen Menschen diese Freude in mir mitteilen könnte! Welch ein Überfluß von Gnaden ist auf Erden!
Aber wie werden sie vergessen und verschleudert, während die Armen Seelen so sehr nach ihnen seufzen!
In ihren mannigfachen Räumen mit verschiedenen Qualen sind sie voll Angst und Sehnsucht, schmachtend nach Hilfe und Erlösung.
Und wir groß auch ihre Not ist, sie loben doch unseren Herrn und Heiland. Alles, was wir für sie tun, gebührt eine unendliche Wonne." - [LB]