Der Himmel - Sinn und Ziel des Lebens
Wenn man über den Himmel redet, haben die meisten Menschen zumeist kleine dicke Engel mit kurzen Flügeln im Kopf, die in einer Art Dauerverzückung durch die Gegend fliegen. Der Himmel wird allgemeinhin als das angesehen, wo jeder nach seinem Tod hinkommt, weil „dort das bessere Leben ist“. Wenden wir uns jedoch einmal ernsthaft diesem Thema zu und lassen wir uns nicht durch solche Verzerrungen auf falsche Wege und Vorstellungen locken:
1. Das in jedes Herz geschriebene ZielS
uchen tun sie die Menschen oft, nur finden sie diese meist nicht: die absolute andauernde Erfüllung, die heiß ersehnte Seligkeit, die Freiheit von Schmerz und Leiden: das ewige Glück. In dieser tiefen Sehnsucht, die jeden Menschen erfüllt, fixieren sich Menschen auf Freunde und Familien, Besitz- und Reichtum, adrenalinfördernde Aktivitäten oder gar Drogen, Abenteuer, sexuelle Tätigkeiten, Partys, Alkohol, Anerkennung und Macht. Früher oder später macht der Mensch jedoch die Erfahrung, dass all diese Dinge weder von Dauer sind, noch bleiben werden oder diese Sehnsucht nach Seligkeit im Herzen ausfüllen. Was bleibt, sind zumeist „ausfüllende Pervertierungen“ der eigentlichen Sehnsucht des Menschen und die Erfahrung, dass all das Streben des Menschen diesen Raum der Seele niemals ganz ausfüllen wird.
Die Frage, die in einem jeden Leben also durchscheint, lautet: „Wenn ich diese Sehnsucht nach absoluter Seligkeit verspüre – wer oder was kann mir diese geben?“
Schon der Heilige Augustinus sagte, dass Gott den Menschen die Sehnsucht nach dem vollendeten Guten, der vollkommenen Erfüllung und Seligkeit nicht ins Herz gelegt hätte, wenn er sie nicht auch erfüllen wollen würde. Die ins Herz geschriebenen Gesetze, wie dass man keinen anderen Menschen tötet, schlägt, verletzt, benachteiligt usw. zeugen von dieser Ausrichtung des Menschen nach Frieden, Liebe und Vollkommenheit. Diese Gesetze sind auch jenen Menschen ins Herz geschrieben, die keinen Glauben haben. Das Gewissen, das auch verdunkelt werden kann, ist auch für jene die Mahninstanz für solch ein Verhalten.
Warum handeln alle Menschen grundlegend nach dem Prinzip der 10 Gebote?
Warum tun es selbst jene, die sich gar keiner "höheren Instanz" verpflichtet wissen? Ihnen müsste ja eigentlich alles egal, alles sinn- und zwecklos sein. Alle Menschen handeln instinktiv danach, da jeder einzelne Mensch dieser Verpflichtung Gottes eingestiftet ist.
Die Liebe ist das absolute Grundbedürfnis des Menschen und steht weit über den rein lebenserhaltenden Bedürfnissen wie zum Beispiel der Nahrungsaufnahme.
Dies belegen die furchtbaren Experimente, die Friedrich II. um das Jahr 1300 durchführen ließ: Er wollte wissen was wohl geschehen würde, wenn einem neu geborenen Menschen jede körperliche Nähe, Zuwendung, verbaler Kontakt und Liebe entzogen und einzig die Grundbedürfnisse wie Schlaf und Nahrung zugelassen werden. Das schreckliche Ergebnis: Alle beteiligten Kinder starben innerhalb von wenigen Wochen.
Wir Menschen sind naturhaft auf die Liebe hingeordnet,
ja sind so sehr mit ihr verankert, dass wir ohne sie sterben. Jeder Mensch strebt naturhaft nach einer natürlichen Vollkommenheit als individuelles und soziales Wesen.
2. Die Schau Gottes als wahres Ziel des Menschen
Das Verlangen nach dieser Seligkeit ist da, nur gibt es in dieser Welt scheinbar keine Antwort darauf. Der Mensch wird diese Sehnsucht mit den Dingen der Welt nicht erfüllen können, wie er es tagtäglich merken kann. Die Erfüllung wird er letztlich nur im höchsten Gut selbst, in Gott, finden. Das ist es, was Augustinus mit seinem berühmten Satz aus seinen Confessiones „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir“ meinte. Die absolute innere Erfüllung kann nur vom absoluten Guten, vom absolut erfüllenden Gut her kommen: von Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde. Von dieser logischen Überlegung aus lässt sich auch die Unsterblichkeit der Seele ableiten, noch lange bevor sie als Glaubenssatz bestimmt wurde: Gott will das in uns angelegte Streben nach dem Guten zur Vollendung führen. Wenn der leibliche Tod des Menschen das absolute Ende bedeuten würde, könnte Gott seine Verheißung der Fülle der Seligkeit nicht wahrmachen. Hinter allen teilweise erfüllenden Gütern dieser Welt (s.o) sucht der Mensch das absolut erfüllende Gut. Hinter allen Teilwahrheiten sucht der Mensch die ganze, ungeteilte Wahrheit. Papst Johannes Paul II. sagte dazu: „der einzig Gute, die Fülle des Lebens, das Endziel des menschlichen Handelns, die vollkommene Glückseligkeit.“
3. Die Glückseligkeit
Diese Glückseligkeit äußert sich in zwei Weisen: Zum Einen die Erlangung des „ungeschaffenen Guten“, also das Leben in Einheit mit diesem höchsten aller Ziele. Zum Anderen äußert sie sich im Genuss dieses Ziels, nämlich der puren Seligkeit und Erfüllung aller Sehnsüchte in diesem Leben bei Gott, für das alle Menschen geschaffen sind. Das Glück und die Freude sind in der Glückseligkeit die liebende Antwort einer Seele, die das gefunden hat, wonach sie sich ein ganzes Leben lang sehnte. Der Mensch ist berufen zur Liebe, die ihren Ursprung einzig und allein in der vollendeten Liebe selbst hat: in Gott, der uns das Himmelreich offenbart und die Schöpfung mit dem Ziel der vollkommenen Liebe erschaffen hat. Nur in der Gottes- und Nächstenliebe ist es für den Menschen möglich, die vollkommene Erfüllung zu finden. Je selbstloser jemand sich selbst übersteigt und liebt, umso größer wird dessen Glück sein. „Die maßlose Liebe ist die Liebe ohne Maß“ – Hl. Bernhard von Claivaux. Der Mensch ist allgemein und ohne Unterschied zur Liebe berufen.
Diese Seligkeit ist keine eigens erbrachte Leistung des Menschen,
sondern ein übernatürliches Geschenk göttlicher Liebe. Gleichzeitig ist sie aber auch der Lohn alles Guten, das wir auf der Pilgerreise unseres Lebens mit der Gnade Gottes tun. Das Gute ist nicht deshalb gut, weil es belohnt wird, sondern es wird belohnt, weil es gut ist. Es gibt eine tiefe Einheit zwischen dem guten Handeln eines Menschen und seiner Beseligung. Das Gute Handeln ist das Handeln um dieses Endziel willens – und dabei nicht um der Seligkeit willen, sondern um des Guten willens. Zugleich bildet das Geschenk der Glückseligkeit einen auf Erden nicht anzutreffenden Ansporn, den Gott uns in seiner überreichen Güte schenkt.
Vor diesem Aspekt wird auch das Wesen der Todsünde deutlich:
Jemand, der in schwerer Weise sündigt, sucht sein Endziel nicht in dem einzig wahren und guten Ziel – nämlich Gott – sondern in anderen „Teilzielen“. Man setzt teilhafte Dinge an die Stelle des Vollendeten. Der Sünder setzt das Schlechte an die Stelle des Guten.
4. Der Himmel als Kernbotschaft Jesu
Weil Christus nach seiner Auferstehung in den Himmel auffuhr, gibt es den Himmel! Er hat uns die Tore des Himmelreiches aufgeschlossen und uns das Wesen und den Willen Gottes offenbart. Bei seiner Taufe sprach eine Stimme aus dem Himmel und belehrte die Menschen. Seine Kreuzigung, seine Botschaft, sein Leiden und sein Tod sind nur unter der Bedingung „Liebe, Sünde, Satan und Himmel“ zu verstehen. Die gesamte Offenbarung hat mit dem Himmel zu tun und ist einzig und allein auf die Verkündigung des ewigen Himmelreiches ausgelegt. Alles andere sind Schlussfolgerungen und Konsequenzen daraus.
5. Die Sehnsucht nach dem Himmel
Als Saulus mal wieder auf dem Weg zu weiteren Christenverfolgungen war und in seinem so genannten „Damaskuserlebnis“ die Stimme Gottes hörte, die ihm sagte: „Saulus, Saulus warum verfolgst du mich?“ begann eine Lebensänderung sondergleichen für diesen Mann. Aus dem Christenverfolger und –töter Saulus wurde der Heilige Völkerapostel Paulus, der weder Folter, Gefangenschaft, Verspottung noch das Martyrium scheute, um für das einzutreten was er gehört und erlebt hat. Aus seiner Himmelsentrückung nahm er die Kraft für solch ein entbehrungsreiches Leben: Er war so sehr von diesem Erlebnis den Himmels gepackt, dass er alles tat, um wieder dorthin zu gelangen.
Der Heilige Diakon Stephanus, der um die Zeit 36/40 n.Chr. hingerichtet wurde,
gilt als erster christlicher Märtyrer. Nachdem das aufgehetzte Volk von Schriftgelehrten und Pharisäern ihn in aller Öffentlichkeit auf Grund seiner Reden über Christus und vielerlei Wundertätigkeit anklagten und verhafteten, hielt er eine Verteidigungsrede, welche jene so erzürnte, dass sie ihn steinigen wollten. Kurz vor seiner Steinigung blickte er zum Himmel und rief laut aus: „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ (Apg 7,56). Als sie ihn steinigten betete er um Verzeihung für sie.
Der Beistand Gottes, der im Verlaufe der Geschichte immer wieder in schwache menschliche Existenz eingriff,
und ihnen die Kraft für das Martyrium gab, ist ein unglaubliches Zeugnis für eine viel größere Kraft, die dort am Wirken ist. Ein rein aus eigener Kraft getragenes Martyrium ist aus menschlichen Gesichtspunkten so unrealistisch, dass man nicht umhin kommt, diese gewaltige stützende Kraft Gottes darin zu erblicken.
Die Sehnsucht nach dem Himmel motivierte Menschen,
ihr Leben für dieses Wahrheit zu geben. Wenn wir heute von Märtyrern reden, haben wir fast nur noch fanatisierte Menschen im Kopf, die für ihre zumeist religiösen Überzeugungen andere Menschen in den Tod reißen. Diese Menschen sind keine Märtyrer, sondern schändliche Mörder: Ein wahrhafter Märtyrer ist jener, der sein Leben lieber liebevoll und ohne Gegenwehr hingibt, als die Wahrheit seines Glaubens zu verleugnen. Das Martyrium wird ertragen und nicht „gemacht“. Der Heilige Völkerapostel Paulus, der erste Hl. Papst Petrus und viele andere des 12er-Kreises gaben ihr Leben hin für das, was ihnen widerfahren ist. Die Heiligen Märtyrer, die ihr ganzes Leben für die Wahrheit des Himmels hingaben, sind untrügliche Zeichen für die erfüllte Seligkeit in Gott.
6. Der wahre Sinn und Zweck unseres Daseins
Das wahre Ziel des Menschen ist das Dasein zum Lobpreis der Herrlichkeit Gottes. Allein in diesem Verhalten findet er sein persönliches Glück, seine Vollendung und Erfüllung. Einzig ein Leben der Verrlichung Gottes in Gemeinschaft mit den Engeln und Heiligen des Himmels wird ihn dorthin bringen, wohin er so sehr möchte: in die ewige Glückseligkeit. Irenäus von Lyon, Kirchenvater, schreibt: „Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes.“ Der letzte Endzweck ist das Wohlgefallen Gottes an der Vereinigung der Menschen mit ihm. Die theologische Antwort auf die Sinnfrage des Menschen lautet daher:
„Gott hat uns ins Dasein gerufen, dass wir ihn erkennen, ihm dienen, ihn lieben und so ins Paradies gelangen.“
(Katechismus der katholischen Kirche).
Dabei wird mit diesem Satz nicht ausgesagt, dass Christen Weltflüchter sind, die ihre Augen nur noch im Himmel haben. Im Gegenteil: Die Seligkeit kann nur durch rechtes Handeln in der Liebe zu Gott und untereinander erlangt werden, wobei das Ziel des Himmels freilich immer mitschwingt. Ohne Liebe kein Himmel. Unser Erdenleben ist die große Prüfung, die Testphase für jeden Menschen, um Gott zu erkennen, ihm gemäß seinem Willen zu dienen, ihn und die Menschen zu lieben und durch dieses gottgefällige Wirken einst die Krone des ewigen Lebens zu erlangen.