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Österreich mutiert zur syndikalistischen Diktatur

#1 von esther10 , 30.05.2016 18:38

Österreich mutiert zur syndikalistischen Diktatur
30. Mai 2016


"Die ideale Stast", unbekannter Meister, um 1480 (Urbino)
Gastkommentar von Christian Zeitz*

Nach einem langen Wahlkampf hat Österreich am 22. Mai den neuen Bundespräsidenten gekürt. Die – noch nie dagewesene – Knappheit des Endergebnisses nach der Berücksichtigung der Wahlkarten und die emotionale Diskussion um die vielen Hinweise auf mögliche Manipulationen bei der Auszählung haben die grundsätzliche Bedeutung dieser Wahlauseinandersetzung in den Hintergrund treten lassen. Über diese sind im Laufe der Monate mehrere analytische Aussagen getroffen worden, die sich auf die Grundlagen des politischen Systems unseres Landes beziehen. Sie wäre eine Richtungsentscheidung – multikulturalistische „Willkommenskultur“ gegen autochthonen Heimatbezug. Sie wäre das Ventil einer in der Bevölkerung kochenden Proteststimmung. Sie wäre die Wegmarke einer politischen Zeitenwende bzw. eines substantiellen Systemwandels. Alle diese Diagnosen stimmen in gewisser Weise und sind ausführlich diskutiert worden.

Weitgehend unterblieben ist es hingegen, die Umstände des Wahlgangs und seine Manifestationen als bildgebendes Verfahren zur Visualisierung der realen Verfasstheit Österreichs zu nutzen. Tatsächlich sind in diesem Wahlkampf einige Wesenszüge des politischen Alltagsgeschehens zutage getreten, die als elementare Bauprinzipien des real existierenden politischen Systems unseres Landes wahrgenommen werden sollten. Wohl ist einiges davon in den letzten Jahren gelegentlich theoretisch reflektiert worden. Aber dieser Wahlkampf war ein Anschauungsunterricht, dessen Ergebnis den empirischen Beweis für den tatsächlichen Aufbau und Zustand der sogenannten Republik Österreich liefert. Das Ergebnis der „gesellschaftswissenschaftlichen Feldforschung“, die dieser Wahlkampf, sozusagen als kostenloses Nebenprodukt, ablieferte, soll im Folgenden in vier Punkten zusammengefaßt werden. Die beiden ersten beziehen sich auf die Metapolitik und die politische Kultur, die beiden anderen auf die Realverfassung des Staates Österreich.

1. Esoterische Sprache in einem Zeitalter der Irrationalität

Der Wahlkampf war massiv durch den Gebrauch einer weitgehend esoterischen Sprache gekennzeichnet, die die Linke gegen den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer in Stellung brachte. Dies folgt einer einschlägigen Tradition früherer Wahlgänge (man erinnere sich an das Diktum vom „Tabubruch“ in Zusammenhang mit der Kandidatur von Kurt Waldheim), hat aber ungeahnte Ausmaße angenommen. Hofer wurde nicht für seine Positionen, nicht für das, was er sagte und explizit zum Ausdruck brachte, kritisiert, sondern für das angefeindet, was man ihm auf einer amorphen, von den Adressaten der Botschaft irgendwie „gefühlten“ Ebene unterstellte. Er stünde für ein „autoritäres Amtsverständnis“, er wäre „menschenverachtend“, ein „Europa-Feind“ (nicht etwa: EU-Kritiker), wolle die gesamte Republik „blau umfärben“, stünde dem Nationalsozialismus irgendwie nahe. Und er wolle alles durch eingeübten NLP-Sprech verdecken – das wäre ja der Beweis für seine Hinterhältigkeit. „Ich habe Angst!“ – Wovor? – „Vor der Kornblume und den Hitler-Rülpsern in steierischen Gasthäusern.“ „Das ganze Ausland“ würde Österreich im Fall der Wahl Hofers ächten. „Ich möchte nicht zu den Parias der Welt gehören.“

Die esoterische Sprache dient einer Politik der Andeutungen und des versteckten „Wissens“. Belege sind überflüssig. – „Wir verstehen uns.“ Argumente sind nicht erforderlich, um eine Gefühlsgemeinschaft zu erzeugen. Angst, Unterstellung, gespielte oder tatsächliche Empörung, Gesten der eigenen moralischen Überlegenheit, „Wut und Trauer“ und schließlich blanker Haß sind zu Grundkategorien der politischen Auseinandersetzung geworden. Die „Anständigen“ dieses Landes sind der absoluten Überzeugung, dass es gerechtfertigt und geboten sei, ihre „Politik der Menschlichkeit“, mit Hass und wirklich allen Mitteln der Auseinandersetzung zu verteidigen. „Nur nicht kriminell werden, also nicht sehr.“

In diesem Klima, das die esoterische Sprache kommuniziert, gibt es keine Möglichkeit, Sachargumente zu diskutieren bzw. Sachverhalte zu objektivieren. Jedes sogenannte Gespräch führt nicht zur Annäherung sondern voneinander weg. Fakten und Daten bestätigen nur die sinistre Manipulationskapazität des Gegners und damit seine bösen Absichten. Im Zeitalter des „Dialoges“ gibt es keinen Diskurs. Es klingt pathetisch, aber es ist bittere Realität: Das Zeitalter der Aufklärung ist in unseren Breiten einer Epoche finsterer Irrationalität gewichen. Die „wahren Gläubigen“ wissen alles besser. Und sie diktieren das gesellschaftliche Klima.

2. Spaltung der Gesellschaft entlang ideologischer Konfliktlinien

Die unüberbrückbaren Gräben, die das Ergebnis dieses „Klimawandels“ sind, kennzeichnen die politische Kultur Österreichs. Eine seit dem zweiten Weltkrieg nie dagewesene Spaltung kennzeichnet den Zustand der Gesellschaft. Die Betreiber der europäischen Kulturtransformation und des Bevölkerungsaustausches setzen die Spaltung der Gesellschaft gezielt zum Zweck der dauerhaften Absicherung ihrer Herrschaft ein. Sie nehmen die Kollateralschäden eines beträchtlichen Teiles der Bevölkerung bewusst in Kauf, um ihre eigene, ideologisch aufmunitionierte Klientel zufriedenzustellen.

Die Okkupation Europas durch kulturfremde Massenmigration beispielsweise war ursprünglich ein linksextremes Minderheitenprojekt der „no border“-Fraktion. Sie wurde zum Regierungsprojekt, indem große Personengruppen mit ursprünglich lauteren Motiven („Hilfe für die Allerärmsten“) zunächst zu Kombattanten und schließlich zu Mittätern in der Asyl- und Betreuungsindustrie gemacht wurden. Dies hat zu einer dauerhaften Spaltung zwischen den irregeleiteten, betrogenen Helfern und denjenigen geführt, die von Anfang an vor den Problemen der Masseneinwanderung kulturfremder Sozialleistungsmaximierer gewarnt haben. Letztere haben recht behalten, erstere können nicht zugeben, dass sie sich irrten.

Fanatisierte Anhänger und Gegner des Projektes stehen einander nunmehr als persönlich Betroffene gegenüber und nicht einfach als Vertreter einer bloßen Meinung. Im Wahlkampf wurden ihre Fronten gezielt verfestigt und ihre konfrontative Energie instrumentalisiert. Dieser Vorgang ist keineswegs neu, hat aber jetzt eine neue Qualität erreicht. Die Strategen der Kulturrevolution haben es in den letzten Jahren immer wieder verstanden, Interessenten zu Betroffenen, Betroffene zu Mittätern und Mittäter zu ideologischen Parteigängern zu machen, um die Manövriermasse für die Projekte des Kultursozialismus zu vergrößern. Dies ist typischerweise in der Abtreibungsfrage und in anderen Fragen des Sexualhedonismus so geschehen.

Der Vorgang der Spaltung der Bevölkerung entlang neuer Konfliktlinien dient dem Ersatz der soziökonomischen Großgruppen („Klassen“) durch die Schaffung und Verfestigung soziokultureller Großgruppen. Die großen Interessengemeinschaften waren das Substrat der klassischen Massenparteien, deren unwiderruflicher Zerfall sich derzeit in der Endphase befindet. Damit schwindet das Konzept der Parteiendemokratie. Sie soll offenbar durch eine Herrschaft kultursozialistischer Eliten ersetzt werden, die ihrerseits der Errichtung eines neuen Freund-Feind-Schemas bedarf. Dieses wird durch die Spaltung der Gesellschaft entlang der vermeintlichen Trennlinie zwischen den „Menschlichen“/“Anständigen“ einerseits und „Menschenverachtenden“/“Unanständigen“ andererseits betrieben.

Der Bundespräsidentschaftswahlkampf wurde zum Aufmarschplatz dieses Unterfangens. Die Spaltung, die sich aus diesem Projekt ergibt, wird sich als tiefer erweisen als die der alten Feindschaft der ehemaligen Massenparteien und der von ihnen vertretenen Klassen.

3. Meinungsfreiheit verschwindet zugunsten einer offenen Diktatur


Papst Urban I. (220-232) zwischen allegorischen Darstellungen der Justitia und der Caritas, Raffael, 1520, Vatikan,

Eines der signifikantesten und augenscheinlichsten Merkmale dieser Wahlauseinandersetzung war die gewaltige Asymmetrie in der Mobilisation von Multiplikatoren und zivilgesellschaftlichen Einflußträgern. Auf der Seite Van der Bellens wurde eine wirklich beeindruckende Zahl von tatsächlichen und sogenannten Prominenten, von Personen, die ständig im Licht der Öffentlichkeit stehen, von Kreativen, Erfolgreichen, Reichen, Mächtigen und Schönen oder jenen, die sich als solche begreifen, als Unterstützer mobilisiert und vorgeführt. Auf seiten Hofers findet man derartige Testimonials kaum oder gar nicht. Um Van der Bellen haben sich scheinbar die gesamte kulturelle bzw. künstlerische Elite des Landes, erfolgreiche und wohlhabende Unternehmer und Businessleute, EU-Parlamentarier aller möglichen Parteien, Wissenschaftler und Freiberufler sowie vermeintliche moralische Instanzen verschiedenster intellektueller Biotope geschart. Prominente Vertreter aus den ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP haben Wahlempfehlungen für den grünen Parteioldie abgegeben oder hinausposaunt, dass sie diesen wählen werden. Sogar kirchliche Funktionäre, Ordensleute, Lehrkräfte und Verbändevertreter haben sich öffentlichkeitswirksam auf die Seite Van der Bellens geschlagen – zuletzt sogar der Hochklerus, in der Person des Wiener Kardinals Schönborn, der sich bemüßigt fühlte, dem Salzburger Weihbischof Andreas Laun, einem der ganz wenigen prominenten Befürworter Hofers, entgegenzutreten. Schließlich hat auch Irmgard Griss, zum choreographisch richtigen Zeitpunkt, ihre respektablen 18,9% an Wählern aus der ersten Wahlrunde in den Servomechanismus der VdB-Unterstützung eingebracht.

Eine besondere Rolle bei der Unterstützung und Verteidigung links-grüner Projekte spielt traditionellerweise die Bussi-Bussi-Schickeria zahlreicher Top-Leute aus dem Medien- und Unterhaltungssektor. Sie formen seit Jahrzehnten das öffentliche Gesicht des linken Aktionismus und bespielen Lichtermeere und -ketten, „Protestmärsche gegen Rechts“, „Bedenkjubiläen“ und andere Formate, die sich als flankierende Maßnahmen zur Absicherung der neosozialistischen Kulturtransformation bewährt haben. Ein Dauerauftrag dieser geschlossenen Gesellschaft ist auch die realpolitische „Verhinderung von Rechts“, d.h. die Absicherung von Macht und Einfluß der herrschenden Eliten. Und nachdem die Grünen ein scheinoppositioneller Bestandteil des bestehenden Herrschaftssystems sind, muß Van der Bellen gegen den Angriff des systemkritischen blauen Kandidaten Hofer verteidigt und beschützt werden.

Krassnitzer, Neuhauser, Resetarits, Vitasek, Stemberger, Mendt, Hader, Obonya, Stojka und wie die Günstlinge des staatlichen bzw. staatlich finanzierten/geförderten Unterhaltungssektors auch alle heißen mögen: Sie alle sind ihrer Verpflichtung nachgekommen, Hofer verächtlich zu machen, um Van der Bellen zu unterstützen. Andre Heller, ebenfalls ein Meister der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, gerierte sich als bewährter Kampagnensprecher: Die Wahl Hofers würde Arbeitsplätze und ausländische Investments gefährden, den internationalen Tourismus in unserem Land einschränken und sogar den sozialen Frieden gefährden. Ein „Hetzer“, wer solche Ankündigungen als gefährliche Drohung qualifiziert …

Der Zweck dieses massiven Aufgebots „gewichtiger Persönlichkeiten“ des öffentlichen und zivilen Lebens des Landes ist natürlich die unmissverständliche Kommunikation einer einfachen aber effektiven Botschaft: Alles, was Rang und Namen hat in den Bereichen der Kultur, der Wirtschaft und der Geisteswelt, unterstützt und wählt Van der Bellen; die Erfolgreichen, Modischen und Wohlgelittenen dieser Welt meiden Hofer und bekämpfen ihn als Risikofaktor und Bedrohung der geheiligten Ordnung. Wer Hofer wählt, sammelt sich um die Gescheiterten, um die Fortschrittsverlierer, um die Ausgespienen. Wer jedoch selbst nicht „draußen“ sein will, muss sich um die Eliten scharen, um einer von ihnen zu werden.

Das Signal ist überdeutlich: Wer nicht „mit den Wölfen heult“, ist ein Gegner des Systems und gefährdet damit letztlich seine Existenz. Diese Ansage ist jedoch nicht einfach bloße Kraftmeierei. Denn der Umstand der völligen Absenz prominenter Hofer-Bekenner in der Öffentlichkeit ist faktische Realität. Genau dies lässt jedoch substantielle Rückschlüsse auf den Zustand des österreichischen politischen Systems zu: Die Zustimmung zu Hofer am Wahltag hat die Hälfte der abgegebenen Stimmen umfaßt. Wenn man nicht die absurde Annahme treffen will, dass damit Hälfte der Österreicher ein rein plebejisches Projekt betreibt, wird man davon ausgehen dürfen, dass die soziale Schichtung dieser Gruppe sich von derjenigen der Gruppe der VdB-Wähler nicht dramatisch unterscheidet. Dass sich nicht der eine oder andere konservative, christliche oder klassisch-liberale Primarius, Universitätsprofessor, Generaldirektor, Spitzendiplomat, Sportler, Künstler, Polizei-Offizier, Bundesheer-General usw. als Hofer-Wähler bzw. -Unterstützer bekennt, ist natürlich Ausdruck massiver Angst vor den Folgen. Und diese Angst ist keineswegs Ausdruck einer pathologischen Phobie, sondern einer realistischen Einschätzung der persönlichen Folgen für jeden einzelnen potentiellen Bekenner.

Es ist eine Tatsache, dass Hofer-Befürworter nicht nur damit rechnen mussten, als „Populisten“, Rechtsradikale oder gar Nazis verächtlich gemacht und in ihrem Umfeld marginalisiert zu werden. Vielmehr wissen sie oder haben guten Gründe zu der Annahme, dass sie in ihrer Karriere behindert, in ihrem beruflichen bzw. geschäftlichen Fortkommen eingeschränkt oder sonstwie materiell oder persönlich geschädigt werden würden. Diese Annahme fußt auf einschlägigen Erfahrungen und Beobachtungen sowie auf der Kenntnis der universellen Verfügungsgewalt des öffentlichen, halböffentlichen und syndikalistischen Sektors über einen großen Teil der relevanten Ressourcen.

Das formal verbriefte Recht der Meinungsfreiheit ist also in weiten Bereichen der Gesellschaft Österreichs praktisch nicht mehr gewährleistet. Menschen, die das bestehende Herrschaftssystem oder den Gebrauch der Macht durch einzelne Funktionsträger kritisieren, müssen damit rechnen, existentiell bedroht oder gar vernichtet zu werden.

Ein politisches System, in dem systematisch und gezielt gegen den Gebrauch der Meinungsfreiheit zum Zweck der Abgabe einer persönlichen Präferenz vorgegangen wird, kann nicht als liberale Demokratie bezeichnet werden. Österreich hat mindestens in diesem Bereich ausgeprägte Wesenszüge einer offenen Diktatur angenommen. Das einseitige bzw. sogar exklusive Engagement von Multiplikatoren und Prominenten für die Wahl Van der Bellens ist dafür weit mehr als nur ein Indiz. Quod erat demonstrandum.

4. Eine neosyndikalistische Ordnung hebelt Rechtsstaat und Demokratie aus

Im vorigen Punkt wurde auf die einseitige Unterstützung Van der Bellens durch Vertreter verschiedenster ziviler und öffentlicher Subsysteme der österreichischen Gesellschaft hingewiesen. Die dabei besonders auffällig zum Ausdruck gebrachte Sympathie von Funktionären und Entscheidungsträgern aus politischen Parteien, staatlichen und supranationalen Vertretungskörpern sowie semipolitischen Interessenvertretungen ist einer näheren Betrachtung wert.

Bekanntlich haben Spitzensozialisten wie Häupl und Kern bekundet, dass sie Van der Bellen wählen werden. Ähnliches gilt auch für hochrangige sozialistische Gewerkschafter. Aus der ÖVP haben drei Altparteiobleute sowie einige weitere bekannte Repräsentanten eine ausdrückliche Wahlempfehlung abgegeben. Dasselbe gilt für den ehemaligen Boss der Bosse des Raiffeisenkonzerns, jetzt „Flüchtlingsbeauftragter“ der Bundesregierung, sowie einige seiner Mitarbeiter. Nationalbank-Präsident Claus Raidl sowie einige einflußreiche Angehörige des Kommerzbankensektors haben sich dieser Positionierung ebenso angeschlossen wie einige angesehene Repräsentanten renommierter Industrieunternehmungen. Die NEOS begrüßten die Kandidatur Van der Bellens ausdrücklich und bekundeten Sympathie. Auch die EU-Ebene ließ sich nicht lang bitten: VP-Othmar Karas lobte „den Professor“ über den grünen Klee und empfahl seine Wahl nachdrücklich. Und Kommissionspräsident Juncker pries die vorbildliche Europa-Gesinnung und internationale Akzeptanz des grünen Kandidaten, worauf sich dieser damit bedankte, den „christdemokratischen“ Luxemburger als Ehrenmann zu bezeichnen.

Es ist auch für kundige Beobachter zunächst schwer zu verstehen, wie es möglich ist, dass Parteien und Politiker, die als Repräsentationen dermaßen divergenter Ausrichtungen wahrgenommen werden, sich als gemeinschaftliche Unterstützer eines Kandidaten zusammenfinden, der seinerseits mit ihnen ebenfalls wenig oder nichts gemeinsam zu haben scheint. Das gilt ausschließlich für die SPÖ kaum oder nicht: Beide, Grüne und Rote, sind links positioniert und sind einander überlappenden Konzepten verpflichtet. Aber ÖVP, Wirtschaftsvertreter und „christdemokratische“ EU-Politiker? Welche Gemeinsamkeiten sind so stark, dass diese scheinbar unüberwindliche ideologische Barrieren zu überschreiten bereit sind und alle Divergenzen beiseite lassen? Immerhin ist VdB ein energischer Befürworter der Abtreibung „auf Krankenschein“, der Homosexuellenehe, einer exzessiven Antidiskriminierungsgesetzgebung, von Ganztags- und Gesamtschule und lehnt ein unveräußerliches Primärrecht der Eltern auf Kindererziehung ebenso wie eine Verstärkung der Dotation des Bundesheeres ab – alles Positionen, deren vehemente Zurückweisung durch die ÖVP man normalerweise erwarten (oder zumindest erhoffen) würde.

Umgekehrt war Van der Bellen jahrelang Vorsitzender einer Partei, die sich bis heute als „antikapitalistisch“ begreift und für radikal-konfiskative Konzepte, Umverteilung und einen starken dirigistischen Eingriff der Politik in die Wirtschaft einsetzt. Wie kann es hier eine liebevolle Umarmung mit Großverdienern und Spitzenvertretern der Banken- und Spekulativwirtschaft geben?

Die kapitalen ideologischen und programmatischen Divergenzen schienen angesichts des gemeinsamen Zieles einer Verhinderung von Norbert Hofer als Bundespräsident keine Rolle zu spielen. Daraus muss gefolgert werden, dass es eine inhaltliche Meta-Ebene gibt, auf der Grüne, Linke, ÖVP-Strategen, Wirtschaftsbosse, Zentralbank- und Euro-Verantwortliche sowie EU-Politiker und Funktionäre gemeinsame Ziele verfolgen, die alle vermeintlichen weltanschaulichen Divergenzen bedeutungslos erscheinen lassen. Diese Ziele betreffend sitzen Alexander Van der Bellen, Christian Konrad, Erhard Busek, Othmar Karas, Claus Raidl und Claude Juncker offenbar alle im gleichen Boot und verteidigen dieses gegen einen gemeinsamen Feind.

Wolfgang Schüssel und Alexander van der Bellen führen zusammen mit Gleichgesinnten die „Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen“, eine Vereinigung, die prononciert globalistisch ausgerichtet und der One-World-Vision verpflichtet ist. Schüssel präsentierte Van der Bellen im Wahlkampf als verdienstvollen Vertreter des Anti-Nationalismus. Van der Bellen ist ein fanatischer Anhänger der „Vereinigten Staaten von Europa“ und würde eine EU-kritische Regierung nicht angeloben. Er identifiziert sich mit allen Großprojekten des sich verdichtenden EU-Superstaates – von der Beseitigung nationaler Kulturidentitäten durch die multikulturelle Gesellschaft über die Euro-Einheitswährung bis zum EU-moderierten Bevölkerungsaustausch mit Hilfe der willkommen geheißenen „Flüchtlingsokkupation“.

Das Unterfutter der kontinentübergreifenden Kulturtransformation, zu der auch die Genderisierung der Gesellschaft und die Beseitigung der klassischen Familie gehören, bildet ein engmaschiges Netz multinational operierender Wirtschaftseinrichtungen. Diese sind formal privatwirtschaftlich organisierte Unternehmungen, die aber durch wechselseitige Verflechtungen, politische Personalbesetzungen und staatliche oder halbstaatliche Beteiligungen völlig unter dem Einfluss der nationalen, und noch mehr der supranationalen Politik stehen. Sie werden durch ausladende Forschungs- und Wirtschaftsförderprojekte, grenzüberschreitende Großaufträge und die Segnungen von Struktur- und Konvergenzfonds von den strategischen Instanzen der EU getaktet, abhängig gemacht und nach Bedarf in ihrer Wirkung politisch gleichgeschaltet. Banken, Infrastrukturunternehmen, Energiekonzerne, Telekomunikationsunternehmen, Medienhäuser und Bau-Riesen sind in vielen, wahrscheinlich den meisten Fällen in Europa faktisch nicht als Privatunternehmungen zu bezeichnen und bilden in vielerlei Hinsicht die materielle Ressourcenbasis einer gezielten Kultur- und Gesellschaftsveränderung.

Diese Unternehmungen sind nicht Bestandteil einer klassisch marktwirtschaftlichen Ordnung, denn sie erwirtschaften ihre Erträge nicht am Markt, sondern aufgrund politischer Entscheidungen. Die Ordnung, die sich daraus ergibt, ist eine spezifische Form des internationalisierten Sozialismus, für die der Autor schon vor vielen Jahren die Bezeichnung „Neosyndikalismus“ vorgeschlagen hat. Im Neosyndikalismus verbinden sich Erwerbs- und Profitinteressen mit Macht- und Herrschaftsinteressen einerseits und ideologischen bzw. gesellschaftspolitischen Großprojekten.

Das System des Neosyndikalismus umfaßt die heutige gesellschaftliche Wirklichkeit auf der nationalen wie auch auf der EU-Ebene. Dieses System ist der Organismus, in dem ÖVP- und SPÖ-Politiker, Grüne (wie auch NEOS), viele Banken- und Industriebosse, Eurokraten sowie deren Hofnarren und Mitläufer miteinander verbunden sind. Sie alle unterstützen Alexander Van der Bellen, denn dieser ist einer von ihnen, weil er sich mit der Architektur dieses Systems identifiziert und dieses gegen Systemkritiker verteidigt. Norbert Hofer hingegen wird als Feind wahrgenommen, weil er – wohl mehr instinktiv als analytisch begründet – auf eine Überwindung dieses Systems hinarbeitet und damit das gesamte Syndikat gegen sich aufbringt.

Das System des Neosyndikalismus ist – nach Punkt 3 dieses Artikels – der zweite Grund, warum die sogenannte Republik Österreich nicht mehr als freiheitliches und demokratisches Gemeinwesen bezeichnet werden kann. Nie zuvor sind seine totalitären Züge so klar zutage getreten wie im abgelaufenen Präsidentschaftswahlkampf.

5. Zusammenfassung

Die Auswertung des Anschauungsunterrichts, den uns der Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 vermittelte, ergibt ein deplorables Bild des österreichischen Staates und der österreichischen Gesellschaft. Mit der Qualität einer empirischen Studie lieferte dieser Wahlkampf in konzentrierter Form Einsichten in den Ablauf und den Status einer historischen Entwicklung, die nur als finaler Qualitätsverfall des politischen Systems bezeichnet werden kann. Die Metapolitik und die politische Kultur haben das politische Bewusstsein deformiert und machen einen politischen Basiskonsens derzeit unmöglich. Eine politspezifische esoterische Sprache entspricht dem Zeitalter der wachsenden Irrationalität. Und entsprechend dem alten Grundsatz „teile und herrsche“ vollzieht sich die Spaltung der Gesellschaft entlang ideologischer Konfliktlinien. Beides bildet die Unterlage für den konsequenten Ersatz der formalen Verfassung der demokratischen Republik Österreich, von der nur mehr die Fassade besteht, durch die Realverfassung eines neuen Totalitarismus. Die Meinungsfreiheit verschwindet zugunsten einer offenen Diktatur. Und eine neosyndikalistische Ordnung hebelt den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung und die Demokratie aus.

Nach Bekanntwerden des Gerade-noch-Sieges von „Präsident Sascha“ bestätigten und bebilderten Verhaltensweisen prägnanter Exponenten des Syndikats die hier vorgenommene Analyse eindrucksvoll. Allüberall Triumphgeheul der Eurokraten und ihrer Gönner und Günstlinge. Kommissionspräsident Juncker ließ es sich nicht nehmen, sich telefonisch als einer der ersten Gratulanten einzustellen, Kanzler Kern (SPÖ) und Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) zogen im Passschritt nach. In der Innenstadt-Patrizierwohnung des ehemaligen ÖVP-Geschäftsführers Kurt Bergmann feierten Busek, Fischler, Raidl, Rauch-Kallat (alle ÖVP) mit den ehemaligen SPÖ-Ministern und graue Eminenzen Androsch und Lacina, dem Kreisky-Biographen Lendvai, dem austro-tschechischen Fürsten Schwarzenberg und einer großen Zahl ähnlicher Kaliber. Die satte Selbstgefälligkeit, mit der sie auf den Sieg der herrschenden Klasse anstießen, gibt ein beredtes Zeugnis der politischen Realverfaßtheit Österreichs. Der Mainstream-Boulevard feierte Van der Bellen als „neuen Liebling Europas“.

Die Ereignisse und Entwicklungen, die im Zuge des Wahlganges 2016 katalytisch beschleunigt und sichtbar gemacht wurden, signalisieren mit Sicherheit das oft beschworene baldige Ende der Zweiten Republik und damit des Modells der Parteiendemokratie des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber Großkrisen sind bekanntlich auch Weggabelungen. Wer liefert die Fundamente einer umfassenden Erneuerung?

*Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte politische Ökonomie.

Der Artikel erschien zunächst einen Tag vor dem 2. Wahlgang der Bundespräsidentenwahl im Tagebuch von Andreas Unterberger, und wird hier in überarbeiteter Fassung als grundlegende Analyse neu vorgelegt. Das Thema wird direkt weitergeführt durch den Aufsatz „Kapitalismus Ja? Liberalismus Nein?“ von Prof. Endre Bárdossy.
http://www.katholisches.info/2016/05/30/...schen-diktatur/
Bild: Wikicommons


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zuletzt bearbeitet 06.06.2016 | Top

   

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