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In die Falle gelockt Während an Grenzen Flüchtende erfrieren, werben Schleuser auf Facebook für problemlose Reisen nach Deutschl

#1 von anne ( Gast ) , 19.04.2022 15:55

In die Falle gelockt
Während an Grenzen Flüchtende erfrieren, werben Schleuser auf Facebook für problemlose Reisen nach Deutschland. Das Netzwerk wird zum Marktplatz für Menschenschmuggler

Selmar Schülein

31.03.2022
Flucht 4 Min.

In die Falle gelockt

Am 28. August 2021 postet ein Facebook-User mit dem Namen „Visa Visa“ das Bild eines imposanten schwarzen SUV und dazu folgenden Text: „Die Reisegruppe wird mit dem Auto direkt zur polnischen Grenze gefahren, von wo aus es nur 7 km zu laufen sind.“ Im Anschluss Angaben zur Reisedauer sowie der Zusatz, dass die Tour „auch für Frauen und Familien mit kleinen Kindern geeignet“ sei. Der Facebook-Beitrag klingt ein wenig nach dem Prospekt eines Reisebüros, doch das Angebot ist keine Urlaubsreise, sondern das Inserat eines Menschenschmugglers. Das Ziel: die kaum durch­lässige 418 Kilometer lange Grenze zwischen Polen und Belarus, an der wenige Tage später die ersten Menschen entkräftet und unterkühlt starben.

Der Facebook-Beitrag ist ein Beispiel für die massenhafte und ungehinderte Koordination von Menschenschmuggel über die Sozialen Medien. Er findet sich in einem umfangreichen Bericht des Analyseunternehmens Semantic Visions. Ein mehrsprachiges Analystenteam überwachte von Mitte Juli bis Ende Oktober 2021 in Echtzeit, wie auf Facebook, TikTok, Twitter, Telegram und WhatsApp Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika versprochen wurde, gegen Bezahlung über Belarus und Polen nach Deutschland zu kommen.

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In den dokumentierten Posts, Videos und Kommentaren finden sich unverschleierte Angebote zum Menschenschmuggel, als gäbe es keinerlei Regulierungen für die Kommunikation auf Sozialen Medien. „Vor allem Facebook diente als zentraler Knotenpunkt für den Austausch von Informationen über die Schmuggelroute von Belarus in die EU“, sagt Monika Richter, die das Investigativteam leitete.

Bereits Mitte vergangenen Jahres verbreiteten Mitglieder arabischsprachiger Facebook-Gruppen Infos über Fluchtrouten aus Belarus. Teils stiegen die Mitgliederzahlen wöchentlich um mehrere Tausend Nutzer an – und schließlich begannen Schleuser damit, ihre Dienste in den Gruppen offen anzubieten. Zuvor hatte der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko Menschen vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak mit der Zusage von Visa ins Land gelockt, von wo aus sie an die EU-Grenze gelangen konnten, um dort um Asyl zu bitten. Damit sollte Druck auf die EU ausgeübt werden, die die Proteste gegen Lukaschenko nach einer mutmaßlich gefälschten Wahl unterstützt hatte.

Die Leidtragenden der ungebremsten Verbreitung von Desinformation und illegalen Angeboten waren die Mi­granten und Geflüchteten, die wenig später bei Eiseskälte in den Wäldern des Grenzstreifens zwischen Belarus und Polen festsaßen. Bis Februar starben mindestens 21 Menschen. „Facebook war die treibende Plattform für den Großteil dieser Aktivitäten, da es Nutzer durch Inhaltsemp­fehlungen auf der Startseite höchst effektiv in diese Gruppen lockte und den Schmugglern ermöglichte, überhaupt erst mit potenziellen Migranten in Kontakt zu treten“, sagt Chefanalystin Richter.

Grenzgebiet (Foto: Maciek Nabrdalik/NYT/Redux/laif)
2021 kamen Tausende Flüchtende nach Belarus, um von dort über Polen in die EU zu gelangen. In Sozialen Medien versprachen Schleuser, dass das problemlos möglich sei. Die Realität sah anders aus: Einige starben bei Minustemperaturen in den Wäldern des Grenzgebiets (Foto: Maciek Nabrdalik/NYT/Redux/laif)

Einer breit angelegten Studie zufolge verbreiten sich Falschmeldungen in den Sozialen Medien sechsmal schneller als wahre Posts. Über die demokratiegefährdenden Auswirkungen dieser Desinformationsflut wird seit Jahren intensiv berichtet. So ist bekannt, dass Posts Wählende manipulieren (USA 2016) und die Willensbildung ganzer Gesellschaften (Brexit-Votum) beeinflussen können. Selbst vielfach widerlegte Falschmeldungen setzen sich in den Köpfen der Menschen nachhaltig fest. Trotz solcher Auswirkungen hat Facebook von sich aus kaum Maßnahmen gegen derlei Aktivitäten und Inhalte ergriffen, wenn nicht massiver Druck von außen ausgeübt wurde. Ein Druck, der sich in einigen Regionen der Erde allerdings gar nicht erst aufbauen kann. So unterliegt das Unternehmen in der EU und den USA einer wesentlich stärkeren öffentlichen Kontrolle durch den Journalismus und die Regierungen als etwa in vielen arabischsprachigen Ländern, wo unabhängiger Journalismus und freie Informationsbeschaffung nicht gegeben sind. Darum investiert der Konzern in den USA und in der EU zwar auch nicht ausreichend, aber wesentlich mehr in die Beseitigung problematischer Inhalte. Moderatoren, die Sprachen wie Belarussisch oder Arabisch sprechen und unzulässige Posts löschen, gibt es verschwindend wenige im Vergleich zu Englisch sprechenden. Für manche Sprachen in problematischen Regionen gibt es gar keine.
Wer auf die Angebote der Schleuser eingeht, landet auf Routen, die selbst für junge Menschen lebensgefährlich sind

Zurück nach Belarus: Die Facebook-Posts zu den osteuropäischen Fluchtrouten wurden aufgrund der Funktionsweise der Algorithmen oft hundertfach geteilt sowie tausendfach kommentiert. So erreichten sie immer mehr verzwei-
felte Menschen, denen die Beiträge Hoffnung machten, tatsächlich in die EU gelangen zu können.

Warum Facebook nichts unternahm? Richter sagt, dass es aufs Engste mit dem Geschäftsmodell Sozialer Medien zusammenhinge, gegen die Verbreitung von Desinformation nicht entschieden genug vorzugehen. Die sich stärker und schneller verbreitenden Falschnachrichten seien schließlich eine Goldgrube, weil sie Nutzerinnen und Nutzer zu intensiver Interaktion (Kommentare, Likes, Shares) verleiteten. Und je länger und intensiver jemand ein Netzwerk nutzt, desto mehr Daten kann der Konzern verwerten und desto attraktiver wird das Netzwerk als Oberfläche für Werbetreibende.
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Mit einer Anpassung der Algorithmen, aber auch durch entschiedeneres Löschen ließe sich die Verbreitung problematischer Inhalte massiv zurückdrängen. Doch im Fall der osteuropäischen Fluchtrouten passierte erst mal: nichts. Während die Lage für die Menschen im Grenzstreifen mit Hereinbrechen der kalten Jahreszeit zunehmend dramatischer wurde, zirkulierten in den Facebook-Gruppen weiterhin ungehindert Falschinformationen, Schleuserangebote und Gerüchte rund um die Route über Belarus nach Deutschland.

Ein Nutzer mit dem Namen „Israa Abdulkarem“ postete ein Angebot, das sich dezidiert an Familien richtete. Der Beitrag garantierte eine sichere Route von Belarus nach Deutschland – insbesondere für Familien mit kleinen Kindern, da lediglich eine Strecke von sechs Kilometern zu Fuß bewältigt werden müsse. Der Preis: 4.500 Euro pro Person. Auch für Kranke und Menschen mit Behinderung wurden „Reiseangebote“ beworben.

Wer auf die Angebote der Schleuser eingeht, wird einer Route überlassen, die selbst für junge Menschen in Bestform lebensgefährlich werden kann. Bereits Mitte November warnt eine Nutzerin mit dem Namen „Mamou“ vor den Zuständen an der Grenze. Sie erzählt, dass ihr Mann sowie ihre Cousins ohne etwas zu essen und zu trinken dort gefangen seien. Sie fleht um Hilfe. Andere Nutzer berichten von betrügerischen Schmugglern, die ganze Gruppen abgezockt hätten. Gemeinsam losgezogene Freunde seien völlig mittellos auf verschiedene Länder verteilt worden.

Doch nur einen Post weiter findet sich eben wieder eine offensive Werbung: Vor einem fröhlichen Hintergrund mit Zeichnungen von Eis am Stiel, Kuchen- und Pizzastücken sowie Partydeko steht in großen Buchstaben eine Telefonnummer sowie der Hinweis, dass eine Fahrt von Belarus nach Deutschland jederzeit buchbar ist. In den Kommentaren darunter fragt jemand nach dem Preis.

Titelbild: Getty Images

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.

anne

   

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