Stolz und Ruhm der alten UdSSR – der Untergang der "Moskwa" ist mehr als nur ein böses Omen für Putin
In der "Moskwa" zeigte sich der Machtanspruch füher der UdSSR und nun des Putin-Reiches.
In der "Moskwa" zeigte sich der Machtanspruch füher der UdSSR und nun des Putin-Reiches.
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von Gernot Kramper
15.04.2022, 15:49 Uhr
4 Min. Lesezeit
Das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte ist gesunken. Gebaut wurde die "Moskwa" noch in der UdSSR – mit weitreichenden Raketen sollten diese waffenstarrenden Schlachtkreuzer die Trägergruppen der USA vernichten.
Die "Moskwa", das Flaggschiff der Schwarzmeerflotte, ist gesunken. Fast ist es einerlei, ob der Untergang durch die Treffer von zwei ukrainischen Anti-Schiffsraketen verursacht wurde, oder ob – so die Moskauer Version – der Dilettantismus der Besatzung im Umgang mit Munition einen Brand ausgelöst hat, der zum späteren Kentern führte.
Für die Ukraine ist es ein weiterer Sieg in diesem "David gegen Goliath"-Krieg und für Putin eine schwere Niederlage; der symbolischen Gehalt wiegt fast noch schwerer als der Verlust an Kampfkraft. In keinem Flugzeug, Panzer oder U-Boot zeigte sich die militärische Macht der alten UdSSR so sehr wie in den gewaltigen Schlachtkreuzern der Slawa-Klasse, dem Projekt 1164. Ursprünglich wurde das Schiff unter dem Namen "Slawa" 1982 in Dienst gestellt, so kam die Klasse zu ihrem Namen. Die "Slawa" bekam erst 1996 den Traditionsnamen "Moskwa".
Schlachtkreuzer Fotostrecke "Moskwa" 6 Bilder - der Stolz der russischen Flotte
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Im Syrienkrieg sperrte die "Moskwa" den Luftraum vor den Küste.
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Im Syrienkrieg sperrte die "Moskwa" den Luftraum vor den Küste.
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Prägendes Element sind die Doppelstarter der P-1000-Raketen
© Russian Navy Black Sea Fleet/ / Picture Alliance
Prägendes Element sind die Doppelstarter der P-1000-Raketen
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Mit dieser Briefmarke feiert Kiew den Kampf um die Schlangeninsel - im Hintergund die "Moskwa"
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Mit dieser Briefmarke feiert Kiew den Kampf um die Schlangeninsel - im Hintergund die "Moskwa"
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US-Offiziere auf Besuch auf der "Moskwa"
© Commons
US-Offiziere auf Besuch auf der "Moskwa"
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Die Aufbauten verhindern eine lückenlose Abdeckung durch das Radar
© AFP
Die Aufbauten verhindern eine lückenlose Abdeckung durch das Radar
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In der "Moskwa" zeigte sich der Machtanspruch füher der UdSSR und nun des Putin-Reiches.
In der "Moskwa" zeigte sich der Machtanspruch füher der UdSSR und nun des Putin-Reiches.
Kampf um den Nordatlantik
Als sie gebaut wurde, Anfang der 1980er-Jahre – in einer Epoche noch ohne avancierte Elektronik – forderten die Schlachtkreuzer der Slawa-Klasse die Seemacht von USA und Nato offen heraus. Abgesehen von den Flugzeugträgern, gehörften sie zu den größten Kampfschiffen der Welt. In ihnen und den noch größeren Kreuzern der Kirow-Klasse schien die Ära der großen Schlachtschiffe – der "Bismarck", der "Yamato", der "Prince of Wales" oder der "Missouri" – wieder aufzuleben. Im Zweiten Weltkrieg wurden die stolzen Schlachtschiffe von den Flugzeugträgern besiegt. Das modernste Schiff der Epoche, die "Bismarck", wurde von alten Doppeldeckern in eine manövrierunfähige Zielscheibe verwandelt. Als sich die "Yamato" ihrem letzten Kampf stellen wollte, konnte sie keine einzige ihrer Kanonen auf ein Schiff abfeuern; wie von einem Schwarm wütender Hornissen wurde sie auf dem Marsch nach Okinawa von Trägerflugzeugen versenkt.
Die unkoordinierten Löschversuche konnten das Feuer nicht eindämmen.
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Die Schlachtkreuzer stellten die Seemacht der UdSSR nicht nur auf eine neue Stufe. Sie markierten auch einen Punkt der Marinegeschichte; sie sollten das Ende der Träger bedeuten. Ein Schiff wie die "Moskwa" war als Flotten- und Trägerzerstörer konzipiert. Im Zweiten Weltkrieg konnten Schlachtschiffe nur in der Reichweite ihrer Kanonen wirken. Diese war lächerlich gering im Vergleich zur Reichweite von Flugzeugen. Die "Moskwa" und ihre Schwesterschiffe sollten Konvois und Träger der Nato im Atlantik mit weitreichenden Raketen angreifen. Ein Großschiff wie ein Träger war auch schon mit damaligen Mitteln ein leicht zu findendes Ziel.
Raketensalven gegen US-Träger
Anstelle von Geschütztürmen prägten die 16 Starterrohre für P-1000-Raketen das Aussehen der Schiffe. Sie erreichten eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern. Bestückt waren sie entweder mit einem konventionellen 1000-Kilogramm-Sprengkopf oder einem nuklearen Gefechtskopf von 350 Kilotonnen. Beide ausreichend, um jedes Schiff sofort zu versenken. Die Raketen konnten einen Salvenstart vollbringen. Einen Flottenverband hätten jeweils acht P-1000 gemeinsam angegriffen. Gegen Luftangriffe wappneten sich die Schlachtkreuzer mit einem ganzen Arsenal an Flugabwehrraketen.
Die "Slawa"-Klasse setzte auf die Überlegenheit von weitreichenden Raketen gegenüber Flugzeugen oder gar Artillerie. Zu einem Kampf der 186 Meter langen Schlachtkreuzer gegen US-Träger kam es nie, über die Aussichten kann nur spekuliert werden. Aus Übungen des Westens weiß man, dass es in Wirklichkeit mit der "Unbesiegbarkeit" der Träger nicht weit her war. Denn immer wieder gelang es U-Booten, den Sperrschutz der Begleitschiffe zu durchbrechen und den Träger im Zentrum ins Visier zu nehmen. So ist es eher wahrscheinlich, dass die Angriffs-U-Boote der UdSSR weit gefährlicher waren. Aber ein U-Boot kann Glanz und Gloria eines Machtanspruchs nicht so symbolisieren – anders als ein waffenstarrender Schlachtkreuzer.
"Moskwa": Unzureichend modernisiert
Mit dem Ende der UdSSR verfielen die Schiffe. Es fehlte an Geld für Unterhalt und Modernisierung. Doch die symbolische Bedeutung der "Moskwa" war so groß, dass die Stadt Moskau selbst in diesen Notzeiten für den Unterhalt aufkam – zu schmählich wäre das Abwracken des stolzen Schiffes gewesen.
Ein Teil der Kreuzerflotte ist heute für eine umfassende Modernisierung vorgesehen ("Mit Hyperschallraketen sollen Putins Schlachtkreuzer die US-Träger versenken"). Sie sollen modernes Radar und Luftabwehrraketen erhalten. Vor allem sollen sie mit den modernen Hyperschallwaffen Russlands bestückt werden. Bei der "Moskwa" wurde 2019 der Antrieb modernisiert, sie besaß aber keine zeitgemäße Bewaffnung und Radaranlage. Insbesondere konnte das Schiff den Luftraum nicht im ganzen 360-Grad-Kreis überwachen, da seine Aufbauten selbst einen Schatten warfen. Es gab daher immer einen toten Winkel in Richtung des Vorschiffes – fatal bei einem Angriff.
Zerstörer
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Verwundbarkeit von Großschiffen
Angenommen die "Moskwa" ist tatsächlich, wie von Kiew behauptet, von zwei Neptun-Raketen getroffen worden, dann hätten auch andere Seemächte keinen Grund zur Freude. Berichtet wurde, dass die Luftabwehr der russischen Schiffe durch den Scheinangriff einer Kampfdrohne abgelenkt wurde und im Schatten der Drohne dann die Neptuns einschlugen. So ein Angriff kann auf jedes Schiff erfolgen und die Chance einer erfolgreichen Abwehr sind immer zweifelhaft. Denn Drohnen sind relativ billig. Die türkische TB2 kostet keine zwei Millionen Euro.
Noch schwerer wird die Abwehr, wenn neben echten Kampfdrohnen auch noch unbewaffnete Billig-Modelle losgeschickt werden, um die Abwehr mit zahlreichen Zielen zu beschäftigen. Eine Rakete wie die Neptun ist nur schwer abzuwehren. Im Endanflug nähert sie sich dem Ziel im extremen Tiefflug – so ist sie im Anflug kaum zu entdecken und kann auch nur sehr schwer abgeschossen werden. Eine Salve von vier oder acht Raketen würde immer Treffer landen können.
Man kann es als Ironie betrachten, dass der Untergang der "Moskwa" das Konzept der "Slawa"-Klasse bestätigt: Großschiffe lassen sich mit Lenkwaffen ausschalten. Doch fraglich bleibt, ob es eine Zukunft für Schlachtkreuzer und andere Giganten der Meere gibt. Gerade Russland verfolgt das Konzept, sehr weitreichende gefährliche Lenkwaffen auf sehr kleine Schiffe wie Korvetten zu montieren. In Zukunft dürften Raketen und Marschflugkörper auch von ganz normal aussehenden Containern gestartet werden können. So ließe sich jeder größere Fischfänger in einen Flottenzerstörer verwandeln. Diese Entwicklung bedroht nicht nur die Träger der USA, sondern letztlich alle großen Kampfschiffe.
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