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Führt die Ukraine einen Stellvertreterkrieg für den Westen? Das spricht dafür

#1 von Gertrud Anne ( Gast ) , 24.01.2023 13:08

Führt die Ukraine einen Stellvertreterkrieg für den Westen? Das spricht dafür
Aktualisiert am 24.01.2023, 09:59 Uhr

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, hatte den Krieg in der Ukraine jüngst als Stellvertreterkrieg bezeichnet.
Dahinter stecken auch politische Interessen der Ukraine.
Historiker Christian Th. Müller sieht Gründe, die für einen Stellvertreterkrieg sprechen.

Eine Analyse
von Lukas Weyell
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Lukas Weyell sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es ist an sich nicht neu, dass die Ukraine sich als Verteidiger westlicher Werte im Osten sieht. Immer wieder machte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei öffentlichen Auftritten klar, dass der Krieg gegen Russland auch ein Krieg der Demokratie gegen die Autokratie sei – und einer, den die Ukraine stellvertretend für die Nato und die EU führe. Nun hat der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, dieses Selbstverständnis auf einen Begriff gebracht. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte Makejew, er halte den Krieg in der Ukraine für einen "Stellvertreterkrieg".

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Die Äußerung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Ukraine den Westen um zusätzliche Militärhilfe bittet. Schon lange will sie Kampfpanzer wie den deutschen "Leopard 2" oder den US-amerikanischen "Abrams". Für die Abwehr der erwarteten Frühjahrsoffensive der Russen und die Rückeroberung der besetzten Gebiete seien die Panzer unabdingbar, heißt es von ukrainischer Seite. Immer wieder wird ihr Ansinnen abgelehnt. Zuletzt am vergangenen Freitag als sich die westlichen Verbündeten am US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz trafen, um ihr weiteres Vorgehen bezüglich der Ukraine zu besprechen.
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Ukrainische Interessen

"Die ukrainische Seite hat ein verständliches Interesse daran, dass der Krieg im Westen als Stellvertreterkrieg gesehen wird. Davon hängen nicht zuletzt Art und Umfang der weiteren westlichen Unterstützung ab", erklärt Historiker Christian Th. Müller gegenüber unserer Redaktion. So ist auch der Zeitpunkt der Äußerung des ukrainischen Botschafters verständlich.

Ob es sich dabei aber wirklich um einen Stellvertreterkrieg handelt, sei Müller zufolge davon abhängig, ob die relevanten Akteure ihn als solchen sehen. Im Kalten Krieg seien es die Supermächte USA und Sowjetunion gewesen, die Kriege als Stellvertreterkriege deklariert hatten und damit dafür Sorge trugen, dass es auch wirklich ein solcher wurde, indem sie Waffenlieferungen oder Personal bereitstellten. Es handle sich also bei Stellvertreterkriegen um eine "self-fulfilling prophecy" (deutsch: selbsterfüllende Prophezeiung).

So sei es nun auch im Ukraine-Krieg: "Man kann beim Krieg in der Ukraine insofern von einem Stellvertreterkrieg sprechen, als dass er inzwischen von Vertretern beider Seiten als solcher betrachtet wird." Von russischer Seite gebe es den Vorwurf, der Westen führe hier einen Stellvertreterkrieg gegen Russland, während der ukrainische Botschafter und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darauf verweisen würden, dass die Ukraine stellvertretend für unsere westlichen Werte kämpfe, so Müller. Einige der relevanten Akteure haben sich also auf den Begriff verständigt.
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Typisch sei dabei, dass sich der Ukraine-Krieg erst langsam durch die westlichen Waffenlieferungen und das Hilfeersuchen der Ukraine zu einem größeren Konflikt ausgeweitet habe: "Es gibt ganz wenige Kriege, die von Anfang an Stellvertreterkriege sind. Die meisten werden es erst dann, wenn Super- oder Großmächte ihre Interessen bedroht sehen oder die lokalen Akteure mit Verweis auf die gemeinsamen Interessen und Werte um deren Unterstützung nachsuchen." Dann könnten eigentlich lokale Konflikte eine globale Bedeutung und damit eine ganz neue Dynamik bekommen, so Müller.

Dabei ist der Begriff Stellvertreterkrieg oftmals irreführend, da er impliziert, die lokalen Akteure seien lediglich Marionetten einflussreicherer Staaten. Während des Kalten Kriegs sei es oftmals so gewesen, dass die Supermächte USA und die Sowjetunion davon ausgingen, sie könnten die regionalen Akteure kontrollieren und steuern.

Das habe sich allerdings oft umgedreht und die kleineren Mächte hätten die Supermächte in Konflikte eingebunden, die nicht unbedingt den eigenen Interessen dienten, oder wie es Müller erläutert: "Da wedelt dann auch der Schwanz gerne mal mit dem Hund." So hatten einige afrikanische Länder während des kalten Krieges ihre eigenen Konflikte und Bürgerkriege mit westlicher Unterstützung und der Sowjetunion ausgetragen, ohne dass diese Auseinandersetzung wirklich globale Relevanz hatten.

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Droht eine neue Block-Bildung?

Beim Ukraine-Krieg zeigen sich nun wieder Reflexe aus dem Kalten Krieg. So wird die alte Rivalität Ost gegen West heraufbeschworen und die USA treten als Gegenspieler zu Russland auf, das unter Putin versucht sein altes Imperium aus der Zarenzeit und der Sowjetunion wiederherzustellen. Dabei verfolgen die USA eine klare Strategie: "Von amerikanischer Seite geht es auch darum, Russland längerfristig zu schwächen", erläutert Müller.

Diese geopolitischen Vorhaben werden auch von der anderen Seite wahrgenommen. Zwar habe China keinerlei eigene Interessen am Krieg Russlands in der Ukraine, wolle aber in der Rivalität zu den USA Russland den Rücken stärken. Das könnte zu einer neuen Lagerbildung führen, so der Historiker: "Mit der Unterstützung Chinas für Russland haben wir erkennbare Ansätze für eine neue Block-Konfrontation."

So strahlt der eigentlich regional begrenzte Krieg Russlands gegen die Ukraine global auf die Großmächte aus. Welche Rolle Deutschland dabei spielen wird, hängt auch davon ab, welche Haltung die Bundesregierung in der Frage der Waffenlieferungen in die Ukraine einnehmen wird. Bisher ist hier kaum eine Strategie erkennbar.
Über den Experten: Christian Th. Müller ist Militärhistoriker und Privatdozent an der Universität Potsdam sowie freier Mitarbeiter am Berliner Kolleg Kalter Krieg. Er ist Mitautor und Herausgeber zahlreicher Fachbücher zum Kalten Krieg und Militärgeschichte.

Verwendete Quellen:

Gespräch mit Christian Th. Müller
ZDF.de: Ukrainischer Botschafter Makeiev: "Deutsche Panzer überlebenswichtig"

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Gertrud Anne

   

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