Mag. Erika GIBELLO
YOGA
In unseren Tagen ist Yoga ein Allerwelts-Begriff. Tatsächlich scheint dieses Wort in vielen Alltagssituationen ein Synonym für den Begriff “Gymnastik” zu sein. Von dem Tag an, als für den ersten Yoga-Unterricht geworben wurde, stellten sich viele Christen die Frage, ob man daran teilnehmen sollte oder ob dies abzulehnen sei.
Mit diesem Satz wollte ich darauf hinweisen, dass wir als Christen, als Katholiken, nicht unbedingt dazu neigen, uns mit östlichen Philosophien zu beschäftigen, eher stimmen wir der modernen Denkweise zu, dass wir aus anderen Kulturen und deren Praktiken eine Lehre ziehen sollten. Das trifft ganz besonders im Falle von Yoga zu, das viele als körperliche Übung verstehen.
In diesem kurzen Kapitel über Yoga versuche ich, die wesentliche Verbindung dieser Übungen mit hinduistischem Gedankengut darzulegen. Weiterhin möchte ich zu bedenken geben, dass die psychischen Erlebnisse, die durch manche Yoga-Übungen verursacht scheinen, der mögliche Anstoß zu gewissen hindustischen Ideen sein könnte oder zumindest mit annerkannten hinduistischen Vorstellungen erklärt wurden.
Die menschliche Geschichte zeigt ähnliche Parallelen, Naturphänomene wurden mit vorherrschenden religiösen oder philosophischen Glaubenssätzen der Zeit erklärt. Man muss eigentlich eher die Übungen auf ihre Effekte untersuchen, als die dahinterstehende Philosophie, um auf eine Antwort auf die oben gestellte Frage zu gelangen.
Yoga gehört zu den sechs "Erlösungs-Systemen" des Hinduismus. Dazu muss erwähnt sein, dass alle europäischen Sprachen ein christliches Element in sich tragen, und daher auch das Wort “Erlösung” hier nicht im christlichem Sinne verstanden werden soll. Im christlichem Verständnis ist “Erlösung” das Eingreifen Gottes, die Menschheit zu erretten, um ihr das ewige Leben zu ermöglichen. Im hinduistischem Sinn ist “Erlösung” das Wissen darum, dass man nicht wiedergeboren wird; d.h. dass man dem Zyklus der Wiedergeburt (Samsara) entflohen ist. Reinkarnation wird von schlechtem Karma (Arbeit oder Tat) des vorhergehenden Lebens bestimmt.
Hier muss man kurz auf den hinduistischen Begriff “Maya” eingehen. Dieser Denkweise entsprechend existiert die Natur und das uns umgebende Leben nur in unserer Vorstellungswelt (Maya) und hat keine Realität. Angesichts dieser Philosophie scheint es, dass jegliche menschliche Tätigkeit die Schöpfungsrealität bestätigt!
Tatsächlich versteht die christliche Theologie die menschliche Tätigkeit als ein Mitwirken und Mitschaffen mit der Schöpfung Gottes. Hier spielt die christliche Moralität eine entscheidende Rolle.
Im Gegensatz dazu scheint es, dass ein schlechtes Karma nicht durch schlechte Handlungen, sondern durch menschliche Tätigkeit an sich hervorgerufen wird, die auf verschiedene Weise, entsprechend der sechs “Erlösungs”-Lehren zu vermeiden angestrebt werden sollte. Alle “Erlösungs”-Lehren des Hinduismus beruhen auf der Idee, dass jeder Mensch selbst seine Erlösung erwirkt.
Das menschliche Karma sei abhängig vom Charakter, Schicksal, Gesellschaftsklasse und von Glücks-und Leidenserlebnissen. Alles ist mitverantwortlich für gute, sowie böse Taten, die im Endeffekt immer Glück oder Unglück nach sich ziehen.
Was immer die gegenwärtige Situation sein mag, es sei immer eine Konsequenz vorheriger Taten. Man kann dem Gesetz des Karmas nicht entfliehen.
Es scheint auch, dass Karma in diesem Sinn verstanden, nicht unbedingt etwas mit Moralität zu tun hat. Hier muss man aber hinzufügen, dass trotz dieser hohen philosophischen Ideen das tägliche Leben eines Hindus genauso wie das eines Christen von Moralität geprägt ist (Brief an die Römer 2,14.15).
Dieses Paradoxon der vedantischen Lehre (Veden sind die ältesten philosophischen Schriften Indias), dass die Welt nur eine Illusion (Maya) sei, im Gegensatz zur Realität des uns umgebenden Lebens, wurde von dem Philosophen des neunten nachchristlichen Jahrhunderts, Sankara, auf folgende Weise gelöst: Im alltäglichen Verständnis von Wahrheit sei die Welt ein Konsequenz von Brahma, die eine evolutionäre Entwicklung durchmacht, aber die tiefste, wahrhaftige Erkenntnis ist, dass das ganze Universum, einschlieβlich der Götter, nur eine Illusion und die einzige Realität, Brahman, die unpersönliche Weltenseele sei, wie es in den Upanishaden (indische philosophische Schriften) geschrieben steht, und diese sei mit der individuellen Seele identisch.
“Erlösung” wird daher erfahren, wenn man zu dieser Erkenntnis durch Meditation kommt (Raja Yoga). Wie oben schon erwähnt, wird diese Meditation durch Hatha Yoga vorbereitet und mit gewissen Asanas erreicht.
Tatsächlich bringt das körperliche, sowie mentale Yoga letztlich den angestrebten Effekt einer Isolation von der Umgebung des Praktizierenden mit sich.
Yoga gehört dem philosophischen System der Tantra an, da es Moksha, oder die Freiheit vom Zyklus der Wiedergeburt, durch Ekstase zu erreichen versucht. Dieses philosophische System lehrt, dass Moksha durch Ekstase erlangt werden kann. Die Mittel die Ekstase herbeizuführen können verschiedener Art sein.
Es gibt verschiedene Formen des Yoga:
Kundalini-Yoga lehrt, dass durch das “aufsteigende Kundalini” diese Ekstase erzielt werden kann. Unter “Kundalini” (Kraft der Schlange) wird die Kraft verstanden, die zusammengerollt am unteren Ende des Rückgrats liegen soll. Es ist wahrscheinlich die dem Menschen innewohnende Sexualkraft gemeint. Diese Kraft muss durch bestimmte Übungen des Hatha-Yoga geweckt werden. Durch weitere Stellungen (Asanas) des Körpers, die entlang der angeblich existierenden Chakren (psychischen Energieknoten) im Körper hochgetrieben werden, um letzten Endes den Kopf zu berühren, worauf sich die Fontanelle öffnet und der Praktizierende ein ekstatisches Erlebnis hat. Dies ist ein tatsächliches Erlebnis, das auch als “Kopf-Orgasmus” beschrieben wurde. (Prof J.Ågaard, Universität Århus).
Es gibt verschiedene Yoga Systeme, aber alle gehören der tantrischen Philosophie an. Alle verwenden gewisse körperliche Übungen und Stellungen (Asanas), die wir bei Hatha- und Raja-Yoga finden. Alle zielen darauf ab, jenes ekstatische Erlebnis zu erzeugen, das die Gewissheit gibt, nicht wiedergeboren zu werden. Selbst das Ziel, ein höheres Bewusstsein zu erreichen, wie es Raja Yoga (der königliche Weg) durch Meditation erzielt, wird letztlich nur erfüllt, wenn der Praktizierende erlebt, dass sein Selbst mit der Weltseele identisch ist.
Wie schon gesagt, es gibt verschiedene Yoga Systeme:
Hatha Yoga: Yoga der Kraft (körperliche bewusstseinsverändernde Übungen)
Raja Yoga: königlicher Weg (durch Meditation Mukti oder Moksha zu erreichen)
Laya Yoga: Yoga, das die Verbindungen mit dem umgebenden Leben auflöst.
Mantra Yoga: durch das Singen sich wiederholender Silben wird das Bewusstsein verändert.
Kundalini Yoga: durch Hatha Yoga Übungen wird die “Schlangenkraft” durch den Körper zum Aufstieg gebracht.
Siddha Yoga: zielt darauf ab, psychische Manifestationen zu erreichen, die ein gewisses Stadium des Bewusstseins anzeigen.
Letztlich Kriya Yoga: ein fortgeschrittenes Yoga System, das alle Formen des Yoga in sich vereint.
In dem bisher Gesagtem sind zwei weitere Punkte zu beachten:
1. Die Frage der Bewusstseinsveränderung.
Wenn wir Swami Vivekanads Schriften in Hinblick auf das Yoga durchleuchten, dann muss man annehmen, dass der Effekt der Körperstellungen/Übungen mehr als physischer oder psychologischer Natur ist. Der Effekt geht sicherlich weit über die Resultate der westlichen Gymnastik hinaus.
Wie schon erwähnt, kann man annehmen, dass die physischen wie psychischen Erlebnisse bei Yoga empiristischer Natur waren, die dann mit der vorherrschenden Philosophie, sowie dem physiologischem Verständnis seiner Zeit erklärt wurden.
Es gibt keine wissenschaftliche Erkenntnis in der modernen Medizin, die althergebrachten indischen Vorstellungen der menschlichen Physiologie unterstützen.
Trozdem kann man diesen Erlebnissen nicht nur subjektiven Charakter zusprechen.
Weiters sind diese Erlebnisse als geistige Geschehen dem Hindu-Denken zugeordnet, was man dem mangelnden Wissen der menschlichen Physiologie und Psychologie zusprechen könnte.
Man kann hier noch hinzufügen, dass viele der Übungen Sauerstoffmangel hervorrufen, im Gegesatz zu traditioneller Gymnastik, welche Sauerstoffzufuhr im Körper anstrebt. Der eintretende Mangel an Sauerstoff verursacht die Vermehrung von Kohlendioxid im Gehirn, was zwar einen meditativen Zustand fördert aber andererseits den Praktikanten leichter für fremdes Gedankengut beeinflussbar macht und sogar zu Halluzinationen führen kann.
Es gibt aber noch ungenügend physiologische wie psychologische Untersuchungen, die den Einfluss gewisser Yoga-Übungen auf das Bewusstsein erklären.
Wir finden aber Hinweise in Bezug auf gewisse Funktionen des menschlichen Organismus, die ein enges Verhältnis zwischen der Physiologie und der Psychologie aufzeigen.
Drüsen erzeugen Hormone, die unser emotionelles Leben beeinflussen. Körperliche Tätigkeit, sowie emotionelle und geistige Einflüsse, stimulieren Drüsen, Hormone zu erzeugen, die dann wiederum unsere Gefühle bestimmen und unsere Handlungen motivieren.
Yoga-Übungen scheinen in einer besonderen Weise unsere Drüsen zu treffen, was vielleicht gewisse Bewusstseinsveränderungen erklären könnte.
Vielleicht ist es diesbezüglich von Interesse, darauf aufmerksam zu machen, dass die 6 Chakren oder psychischen Energieknoten ganz in der Nähe der Hauptdrüsen vermutet werden. Sie befinden sich auch dort, von wo jene Kräfte ihren Sitz haben sollen, die die übernatürlichen Manifestationen (Siddhis) hervorbringen.
2. Ekstase kann unter Umständen das Ausüben unseres Freien Willens behindern.
Als Christen sollten wir die Worte des Hl. Paulus beachten, der im ersten Brief an die Korinther 6,12 das Folgende schrieb: ”Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles nützt mir. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.”
Selbst wenn wir nicht ein ekstatisches Erlebnis mit unseren Yoga-Übungen anstreben, ist es doch unvermeidbar, dass diese so spezifischen Körperstellungen und Übungen, ganz abgesehen von dem hinduistischen Hintergrund, auf uns aus langer Sicht einen nicht erwünschten Einfluss auf unsere Persönlichkeit haben!
Um eine Antwort auf die gerade gestellte Frage zu finden, muss man wohl sagen, dass Yoga-Übungen sich nicht von den hindustischen Ideen trennen lassen. Sie sind das wesentliche Mittel, Moksha oder Mukti zu erreichen.
Die einführenden Übungen des Yoga haben eine gewisse Ähnlichkeit mit westlicher Gymnastik und können an sich mitgemacht werden, obwohl es vom Lehrer abhängt, inwieweit diese weiterentwickelt werden.
Man sollte aber bedenken, dass alle Übungen darauf hinarbeiten, eine Bewusstseinsveränderung hervorzurufen. Höchstwahrscheinlich ist die Wirksamkeit der Asanas des Raja Yoga sowie die Hatha Yoga-Übungen erfahrungsgemäβ den verschiedenen Yoga Systemen zugeordnet worden.
Die Asanas des Raja Yoga zielen darauf ab, Kontemplation (Samadhi) hervorzurufen. Es ist der Zustand, der uns erfahren lässt, dass wir EINS mit der Weltseele sind!
Hingegen sind die Übungen des Hatha Yoga an sich, die angestrebt und entwickelt werden, da sie das Versprechen der “Erlösung “in sich tragen, dass man nämlich durch diese Übungen zur geistigen Macht gelangt, die einem das Wissen “erlöst zu sein “ vermittelt..
Patanjali hat schon im drittem Jahrhundert vor Christus die verschiedenen Yoga Systeme in ein effektives System eingeordnet. Der gesuchte Effekt ist allen Yoga-Systemen gleich. In der Schule Patanjali’s ist besonders der psychologische Effekt angestrebt. Er hat auch als erster Yoga einer Göttlichkeit, Ishwara, untergeordnet. Ishwara ist ein Allgemeinausdruck für Gott, was aber nicht den Schöpfergott meint, sondern einen der lokalen Götzen. Man findet im Gedankengut des Hinduismus zwar viele verschiedene philosphische Ideen, aber keine Vorstellung eines persönlichen Schöpfergottes. In diesem Zusammenhang sollte ein Christ auch das "Erste Gebot" bedenken, bevor er Yoga praktiziert.
Patanjali hat seine Lehre, die bis heute die tragende Lehre des Yoga ist, in seinen Schriften, “Yoga Sutras” festgehalten.
Seine Lehre beinhaltet 8 Stadien des Yoga-Trainings:
1. Selbstkontrolle (Yama): Dies verlangt 5 moralische Regeln, nämlich Gewaltlosigkeit, Ehrlichkeit, Enthaltsamkeit, Vermeidung von Gier und Diebstahl.
2. Einhaltung obiger Regeln (Niyama).
3. Körperstellungen (Asanas), die die Meditation fördern, wie z. B. der Lotussitz (Padmasana).
4. Atemkontrolle (Pranayama).
5. Zurückhaltung (Pratyahara). Hiermit ist die Kontrolle über die Sinnesorgane gemeint. Man sollte äuβere Einflüsse einschränken und letztlich ganz ausschalten, was dem nächstem Stadium helfen soll.
6. Konzentration (Dharana), hierbei wird oft das Wiederholen von Mantras oder das Anschauen vom Yantras angewendet.
7. Meditation (Dhyana)
8. Kontemplation (Samadhi), damit ist die “Selbstverwirklichung “gemeint, die mit dem Zustand von Mukti oder Mokscha verstanden wird.
Man kann also mit Klarheit sehen, dass Hatha Yoga darauf abzielt, psychologische Veränderungen hervorzurufen. Diese Veränderungen verursachen vor allem einen Ausschluss der alltäglichen und auch mitmenschlichen Einflüsse. Das Resultat ist übermäβig introspektives-Denken, das zwar vorübergehend hilfreich zum Meditieren sein kann, aber letztlich vom christlichen Weg der Nächstenliebe und Demut wegführt. Für einen Christen bedeutet Meditation das "sich Versenken in das Wort und die Gegenwart Gottes", nicht ein “sich selbst Suchen”, sondern ein Hinhören “auf die noch leise Stimme Gottes im eigenen Herzen”.
Die isolierenden Wirkung des Hatha Yoga wird übertroffen von psychischen Wirkungen des Kundalini Yoga. Hier können übernatürliche, geistige Zustände wie
z.B. Hellseherei eintreten, was wir als Christen unbedingt vermeiden sollten.
Es ist also dem Christen, der an Yoga teilzunehmen wünscht, gröβte Vorsicht anzuraten. Die anfänglich noch harmlosen Übungen führen sehr schnell zu spezifischen Übungen, wie z. B. das “flache Atmen”, die nicht nur die Persönlichkeit in einen Zustand der Abhängigkeit bringen, sondern auch physiologische, ungesunde Folgen nach sich ziehen.
Die Lebenseinstellung wird dahingehend verändert, dass der Praktikant dem christlichen Ziel der Nächstenliebe und Demut verschlossen bleibt, da die Übungen unwillkürlich in eine Isolation der Gedanken- und Gefühlswelt führen.