31.5.2012
Publizist Resing verteidigt den Vatikan
"Europa braucht diese unzeitgemäße Bastion"
Der Vatikan ist in den Schlagzeilen. Kritiker fordern angesichts der "Vatileaks"-Affäre und Gerüchten über Korruption eine Abschaffung des kleinsten Staates der Welt. Auch im Evangelium sei der Vatikan nicht vorgesehen. Aber halt, meint der katholische Publizist Volker Resing im domradio.de-Interview. Europa brauche diese unzeitgemäße Bastion.
"Die Kirche kann froh sein, so eine Spitze zu haben" (© dapd)
domradio.de: Herr Resing, der Vatikan steckt in der Krise, aber abschaffen? "Nein, auf gar keinen Fall", sagen Sie. Die Kritiker der Amtskirche und des Lehramts können Ihrer Meinung nach also nicht frohlocken, warum nicht?
Resing: Sicherlich muss der Vatikan sich auch immer verändern. Das ist auch notwendig, aber wer hofft oder glaubt, dass er nun untergeht, der irrt, glaube ich. Es wäre auch schade drum. Ich glaube, dass der Vatikan eine einmalige Institution ist und die Kirche froh sein kann, so eine Spitze zu haben.
domradio.de: Tatsache ist aber, der Vatikan steckt in einer Krise. Schon zu Zeiten Luthers hat die Geschichte gelehrt, dass die Erneuerung der Kirche mit einer Krise des Vatikan einherging. Zu schwerfällig, zu veraltet, sagen die Kritiker auch heute. Sie sehen darin auch eine Chance. Welche denn?
Resing: Ich glaube, dass der Vatikan nie eine Organisation oder eine Einrichtung sein kann, die so gut organisiert ist wie ein deutsches Ministerium oder ein deutsches Generalvikariat etwa in Köln. Eine gewisse Widerborstigkeit gegen das Zeitgemäße und das Effiziente ist, glaube ich, dieser Einrichtung eigen. Das hat auch nie so geschadet. Das heißt nicht, dass es im Moment nicht Probleme gibt, die man angehen sollte. Zudem muss man sagen, dass ich natürlich kein Vatikan-Spezialist bin oder Theologe. Ich glaube nur, dass diese Fixierung auf diese Einrichtung und diese Fixierung dann auf den Vatikan, zu glauben, dass von dort die große Erneuerung kommt - das ist der falsche Weg!
domradio.de: "Rettet ihn! Trotz allem! Der Vatikan ist heilig". Heute mehr denn je, schreiben sie. Warum?
Resing: Der Vatikan hat eine einmalige Geschichte und wer einmal dort war, kann sich dieser Faszination nicht widersetzen, glaube ich. Das hat eine Internationalität. Man trifft dort die ganze Weltkirche und das schützt auch ein bisschen vor nationalen Engstirnigkeiten. Das heißt natürlich nicht, dass die Probleme der Ortskirche keine wären, aber eine Weltkirche, die an so einem kleinen Ort das bündelt, das ist einfach faszinierend. Dann ist der Vatikan auch Mysterium und als solches für mich zumindest reizvoll. Diese Vorstellung durch die Jahrtausende die Geschichte und die Tradition getragen zu haben auf dem Grab des Heiligen Petri, das ist eine faszinierende Vorstellung.
domradio.de: Nun sagen aber viele, ohne Vatikan könnte sich die Kirche vieler Probleme entledigen, der Zölibat könnte abgeschafft werden, Frauen zu Priesterinnen geweiht oder auch die Sexualmoral endlich der Realität angepasst werden, auch da sagen Sie: "Natürlich nicht!" Warum sind Sie sich da so sicher?
Resing: Weil es einfach schön wäre, wenn man mit ein paar Federstrichen die Probleme der Welt beheben könnte, aber so ist die Welt nun einmal nicht. Eine Kirche mit 1,2 Milliarden Mitgliedern ist natürlich erst recht sehr komplex. Zu glauben, dass einzelne Reformen alle glücklich machen, ist leider nicht so. Das heißt nicht, dass es nicht Veränderung geben müsste, aber in der anglikanischen Kirche kann man etwa sehen, wie sozusagen eine Gemeinschaft vollends auseinanderbricht an bestimmten Fragen, etwa dem Frauenpriestertum. Da ist einfach die Idee, diese Kirche mit ihren extremen unterschiedlichen Charismen, Meinungen, Vorstellungen zusammenzuhalten, eine großartige Idee. Dass das nicht einfach und dass manchmal auch etwas gehörig schief geht, das ist sicherlich so.
domradio.de: Welche Veränderungen müsste es denn geben?
Resing: Ich glaube, dass man das angesichts der aktuellen Krise auf ganz unterschiedlichen Ebenen sehen muss. Den Glauben durch die säkularisierte Zeit zu tragen, in eine moderne Welt, das kann nicht allein der Vatikan leisten. Das muss jeder zu Hause leisten, jede Ortskirche und auch jeder einzelne Christ, aber natürlich muss auch der Vatikan etwas ändern.
In der aktuellen Krise zeigt sich, dass es ein Defizit an Kommunikation und Transparenz gibt. Da muss etwas passieren. Man sieht auch jetzt auch schon, dass die Krise einiges verändert. Es gibt jetzt jeden Tag ein Pressebriefing angesichts von Vatileaks. Und da sieht man, dass sich die letzten Jahre der Laden zu sehr verschlossen hat. Ich denke da gerne an die Zeiten von Johannes Paul II. zurück, der nicht einig war mit seinen Kritikern, aber eine ganz andere Art von Kommunikation und Offenheit gepflegt hat. Da muss, glaube ich, dieses Pontifikat noch einen neuen Weg finden, besser zu kommunizieren.
Hinweis: Der Artikel "Ein Rettungsschirm für Rom" von Volker Resing ist am Donnerstag in "Christ und Welt", der Beilage der Wochenzeitung "Die Zeit" erschienen.
http://www.domradio.de/aktuell/82149/eur...se-bastion.html
Das Interview führte Monika Weiß