Kirchenkrise: Bischof Bätzing bezeichnet umstrittenen "Synodalen Weg" als "große Chance"
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Bischof Georg Bätzing
Foto: Rudolf Gehrig / CNA Deutsch
Von CNA Deutsch Nachrichtenredaktion
BERLIN , 28 September, 2021 / 10:51 AM (CNA Deutsch).-
Die Kirche in Deutschland ist nach Angaben des Limburger Bischofs Georg Bätzing "in einem tiefen Umbruch". Das sagte am Tag nach der Bundestagswahl der amtierende Vorsitzende der Bischofskonferenz in einer Rede in Berlin, bei der auch die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel und rund 200 andere Politiker anwesend waren.
Gleichzeitig machte Bätzing gestern Abend Werbung für den umstrittenen Prozess, der in der Kirche für heftige Kontroversen und weltweite Kritik gesorgt hat: Den sogenannten "Synodalen Weg". Der Bischof bezeichnete diesen auf dem St. Michael-Jahresempfang in Berlin als wörtlich "große Chance, mit der wir Antwort geben wollen auf die Herausforderungen der Gegenwart".
"Die Kirche wird sich künftig stärker entscheiden müssen, wofür sie ihre Ressourcen einsetzen kann und will. Das alles sind Anzeichen einer sich beschleunigenden äußeren Disruption kirchlich gebundener Religionsausübung und ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung. Und wir können nicht so tun, als sei alles normal", so Bätzing in seiner Rede.
Diesen soziologisch greifbaren Phänomenen eines massiven Umbruchs entspreche eine fundamentale Störung des Vertrauens gegenüber der Kirche und kirchlichem Handeln, "die nicht anders denn als innere Disruption beschrieben werden kann. Die Erkenntnisse zum Ausmaß des sexuellen und geistlichen Missbrauchs in der katholischen Kirche haben zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust in weiten Teilen der Bevölkerung geführt. Zurückgehaltene Gutachten und bisweilen zögerliche Aufarbeitung verstärken diese Entwicklung und führen zu langen Wartezeiten für Austrittswillige", so Bischof Bätzing.
"Mit dieser wenig schmeichelhaften Analyse" gelte es jedoch, konstruktiv und kreativ umzugehen, wozu der Synodale Weg nach Auffassung von Bischof Bätzing eine große Chance biete. In dem gemeinsam mit dem ZdK initiierten Prozess gehe es darum, "Menschen in ihren konkreten Lebensbedingungen wieder mit dem Evangelium von Jesus Christus in Verbindung zu bringen. Denn die Störung des gelebten Brückenschlags zwischen beiden Wirklichkeiten stellt heute die eigentliche Krise dar. Viele Menschen wissen nicht, warum der Glaube sinnvoll ist und was er mit ihrem Leben zu tun hat."
Im kirchlichen Handeln gehe man in der Regel davon aus, dass alle Menschen auf der Suche nach Sinn in ihrem Leben seien: "Diesen Sinn des Lebens ‚übersetzen‘ wir Christinnen und Christen mit Gott und nehmen daher an, dass die Gottesfrage jedem Menschen aufgrund seines Menschseins innewohnt", sagte Bischof Bätzing. Neuere Studien zeigten jedoch, dass viele Zeitgenossen erst gar nicht die Sinn- und erst recht nicht die Gottesfrage stellten. "Wenn dies auf Menschen in unserem Kulturkreis zutrifft, müssen wir von einer fundamentalen Disruption sprechen, denn dann ist nicht nur von einem radikalen Abbruch der Kirchlichkeit, sondern des Gottesglaubens auszugehen. Angesichts dieser Tragweite erscheinen Strategieprozesse und notwendige Strukturanpassungen ebenso unzureichend wie einfach aufgelegte missionarische Initiativen. Die geforderte Transformation wird tiefer ansetzen müssen. Sie erfordert Umkehr im wahrsten Sinn und im religiösen Verständnis des Wortes", betonte Bischof Bätzing.
Christlicher Glaube könne von seinem Wesen her nie bloß privat, sondern immer auch öffentlich und politisch wirksam werden, fügte er hinzu. "Mittlerweile haben Christinnen und Christen der verschiedenen Konfessionen verstanden, dass nur ein starkes gemeinsames Glaubenszeugnis mit guten Argumenten auch gesellschaftlich Wirkung entfalten kann." Mit Blick auf die konkrete Situation der Kirche unterstrich Bischof Bätzing, dass eine Umkehr der Kirche als Ganze in den Dienst der Menschen die Bekehrung der Einzelnen hin zu einer persönlichen Glaubensentscheidung voraussetze: "Wenn es uns gelingt, uns ehrlich zu machen und nicht alle Energie darauf zu verwenden, wie wir die Krise stoppen, sondern demütig anzuerkennen, worin die Krise uns stoppt, dann ist eine Trendumkehr zwar noch lange nicht geschafft – aber der Ausgangspunkt ist richtig gewählt. Denn – so sagt es Papst Franziskus – die Wahrheit öffnet sich für die, die sich ihr öffnen."
Stichwort: "Synodaler Weg"
Der Politikwissenschaftler Mariano Barbato hat diese Woche die von den deutschen Bischöfen und dem ZdK lancierten Vorschläge zur "Reform" der katholischen Kirche als "legale Revolution" bezeichnet.
Für die Plenarsitzung des "Synodalen Wegs" am Donnerstag lägen Entwürfe vor, die aus Bischöfen und Pfarrer "Funktionäre der Mehrheitsmeinung" machen würden. Die vom Forum 1 "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche" vorgeschlagene "Selbstbindung" des Klerus an Gremienbeschlüsse zerbreche an der "Logik der Hierarchie", schreibt Barbato in der "Herder Korrespondenz" (Oktober).
Außerdem würde damit keineswegs die Demokratisierung befördert, sondern wegen der zu erwartenden niedrigen Wahlbeteiligung nur eine "Formalisierung der bereits bestehenden informellen Oligarchie" erreicht.
Tatsächlich ist der heftig umstrittene "Synodale Weg" seit Beginn ein innerkichlicher Konfliktherd, gegen den der Vatikan mehrfach gezwungen wurde, zu intervenieren.
Die von Kardinal Reinhard Marx als "verbindlich" angekündigte Veranstaltung ist mittlerweile weder verbindlich – noch ist klar, wie sie in den weltkirchlichen "synodalen Prozess über Synodalität" eingebunden wird, den Papst Franziskus mittlerweile angekündigt hat.
So hat der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, erklärt, dass der italienische synodale Prozess nicht vergleichbar mit dem deutschen "Synodalen Weg" sei. Die Worte des italienischen Kardinals folgten der scharfen Kritik von Kardinal Vinko Puljić, dem Erzbischof von Sarajevo, an den "exotischen Ideen" des deutschen Prozesses – sowie der äußerst scharfen Kritik der amerikanischen Erzbischöfe Samuel Aquila von Denver und Salvatore Cordileone von San Francisco.
Auch der australische Kardinal George Pell sowie der italienische Kardinal Camillo Ruini, der englische Bischof Philip Egan von Portsmouth und der spanische Bischof José Ignacio Munilla Aguirre von San Sebastián haben sich der weltweit wachsenden Zahl von Kirchenvertretern und prominenten Theologen angeschlossen, die sich besorgt über den "Synodalen Weg" und andere Vorgänge in Deutschlands Diözesen zu Wort gemeldet haben.
Die kontroverse Debattenveranstaltung hat auch innerhalb der deutschen Diözesen für Turbulenzen, Kritik und schwere Bedenken gesorgt – vor allem auch theologische.