Rüstung
Russland tritt mit neuer militärischer Stärke selbstbewusst auf
Als Atommacht ist Russland ein militärisches Powerhouse. Doch es hat auch viel investiert, um seine große, aber behäbige Streitmacht in eine mobile Hightech-Truppe zu verwandeln
André Ballin aus Moskau
7. Februar 2022, 08:04
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Kurz vor der damaligen Fußball-Weltmeisterschaft in Russland und unmittelbar vor seiner Wiederwahl schreckte Präsident Wladimir Putin 2018 die Weltöffentlichkeit mit einem Trickfilm auf: Es waren Atomraketen zu sehen, die in Hyperschallgeschwindigkeit und im Zickzackkurs quer über den Erdball flogen und anschließend – zur großen Freude der Anwesenden – auf einer Landmasse einschlugen, die starke Ähnlichkeit mit dem US-Bundesstaat Florida hatte. Als Putin die Show mit den Worten kommentierte: "Niemand hat auf uns gehört, also hört ihr uns jetzt", kannte der prorussische Jubel keine Grenzen mehr.
Alljährlich zelebriert sich die russische Armee auf dem Roten Platz in Moskau. In den vergangenen Jahren hat man bei der Modernisierung der Truppen ein beeindruckendes Tempo gezeigt.
Foto: AFP / Kyril Kudryavtsev
Heuer soll die damals vorgestellte Interkontinentalrakete Sarmat in den Dienst der russischen Armee gestellt werden. Damit ist das aus den Zeiten des Kalten Kriegs bekannte "Gleichgewicht des Schreckens" aus russischer Perspektive zumindest wiederhergestellt, denn gegenüber den russischen Hyperschallwaffen ist der US-Raketenschild löchrig wie ein Schweizer Käse.
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Kreml forciert Aufrüstung
Doch die Russen haben nicht nur ihre strategischen Atomstreitkräfte in den vergangenen Jahren mächtig aufgerüstet. Seit 2008 – nach dem Fünftagekrieg gegen Georgien, der zwar siegreich war, aber doch einige Schwächen des russischen Militärs aufdeckte – modernisiert der Kreml alle seine Truppenteile in erstaunlicher Geschwindigkeit.
Der Verteidigungsetat hat sich seither verdreifacht. Während Moskau heuer offiziell gut 40 Milliarden Euro ausgibt, sind es nach Schätzungen internationaler Organisationen tatsächlich deutlich mehr. Das Internationale Friedensinstitut in Stockholm beispielsweise hat die Ausgaben für 2021 auf umgerechnet 53 Milliarden Euro geschätzt. Das entspricht 4,3 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts.
Ein Großteil dieser Ausgaben wird neuerdings geheim gehalten. Doch die Effekte sind spürbar. Russland mag bei den Flugzeugträgern und der strategischen Luftwaffe den USA unterlegen sein, doch sind die Ressourcen auf die Führung begrenzter regionaler Kriege optimiert. Als eine der Stärken des russischen Heeres gilt die Panzertruppe, wo die leistungsfähigen T-90 nun langsam durch den wohl modernsten Panzer der Welt, den Armata, ersetzt werden.
Während die Stärke der russischen Streitkräfte auf 900.000 Soldaten und Soldatinnen gesunken ist, sind davon inzwischen fast die Hälfte Zeitsoldaten und Offiziere.
Manöver und Einsätze
Diese werden ständig trainiert. Daneben wurde die Befehlsstruktur gestrafft und beschleunigt. 2021 hat das Militär fast 5000 Manöver durchgeführt, darunter auch viele unangekündigte. Die größte Übung – in Westrussland und Belarus – mobilisierte über 200.000 Soldaten.
Die neue taktische Mobilität zeigte sich auch in den Einsätzen des russischen Militärs. Ein Paradebeispiel ist die verdeckte Verlegung tschetschenischer Spezialeinheiten und mehrerer Fallschirmjägertruppen auf die Krim 2014, deren Disziplin und hohe Organisation die quasi handstreichartige Übernahme der Halbinsel ermöglichten. Die Einheiten waren später teils auch im Donbass an den Kämpfen gegen die ukrainischen Streitkräfte beteiligt.
In Syrien hingegen demonstrierte Russland die Stärke seiner Luftwaffe und Flotte. Neben den alten MiG- und Su-Kampfflugzeugen wurde das Bürgerkriegsland auch zum Testfeld für den hochmodernen Su-57-Mehrzweckjäger. Daneben kamen auch neuere Drohnen und ballistische Raketen zum Einsatz. Diese wurden teilweise über tausende Kilometer hinweg aus dem Kaspischen Meer auf Ziele in Syrien geschossen. Mit modernen Luftabwehrsystemen vom Typ S-400 sicherte sich Russland zudem nach dem Abschuss einer russischen Su-24 auch gegen das Nato-Land Türkei die Lufthoheit.
Geheimwaffe Söldner
Daneben haben sich in den jüngsten Konflikten auch russische Söldner einen blutigen Namen gemacht. Die bekannteste Einheit "Wagner", zusammengestellt von Dmitri Utkin, einem Offizier des Armeegeheimdienstes GRU, tauchte nicht nur in Syrien und in der Ostukraine auf, sondern ist inzwischen in vielen Ländern Afrikas präsent. Sie soll von Jewgeni Prigoschin, einem Vertrauten Wladimir Putins, finanziert werden.
Dort, wo für Moskau eine direkte militärische Beteiligung politisch nicht opportun erscheint, kommen eben diese Söldnertruppen zum Einsatz. Sie sind oft gut ausgerüstet, verfügen über Kampferfahrung, trainieren mit regulären Einheiten zusammen, verursachen dabei aber deutlich weniger innenpolitische Probleme. Denn selbst bei hohen Verlusten im Einsatz muss sich der Kreml weder der Öffentlichkeit noch den Hinterbliebenen gegenüber verantworten. (André Ballin aus Moskau, 7.2.2022)