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Die Verantwortung des Patriarchen

#1 von anne ( Gast ) , 12.03.2022 12:28

Sristina Stoeckl
Die Verantwortung des Patriarchen

Die Russische Orthodoxe Kirche ist Trägerin der nationalen Ideologie geworden. Wladimir Putin gilt ihr als Verteidiger der christlichen Werte. Mit dem Krieg in der Ukraine geht die Selbstdemontage der Kirche einher
Kommentar der anderen
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Kristina Stoeckl

11. März 2022, 09:00

Die Religionssoziologin Kristina Stoeckl schreibt in ihrem Gastkommentar über die Nähe der Russischen Orthodoxen Kirche zu Wladimir Putin und wie diese immer mehr zum Problem wird.

Der russische Krieg gegen die Ukraine hat eine Religion in den Mittelpunkt öffentlicher Wahrnehmung und Berichterstattung gestellt, die bisher weitgehend unter dem Radar der Aufmerksamkeit geblieben ist: das orthodoxe Christentum und konkret die Russische Orthodoxe Kirche und die orthodoxen Kirchen in der Ukraine.

Keine Zeitung kommt in diesen Tagen ohne Symbolbilder des Patriarchen von Moskau, Kyrill, oft abgelichtet in trautem Zusammensein mit Wladimir Putin, aus. Und in der Tat hat dieser Krieg und haben die Begründungen, die seitens des russischen Präsidenten und des kirchlichen Oberhaupts für die militärische Aggression vorgebracht wurden, deutlich gemacht, wie eng die orthodoxe Kirche und der Staat in Russland miteinander verbunden sind. Aber auch die kritischen Reaktionen der orthodoxen Kirchen in der Ukraine und der orthodoxen Kirchen weltweit haben vor Augen geführt, dass die Orthodoxie nicht immer von einer "symphonischen" Nähe von Kirche und autokratischem Staat geleitet ist, sondern dass orthodoxe Stimmen auch für Demokratie, Frieden und liberale Werte sprechen.
Seine Unterstützung für den russischen Präsidenten sorgt für Empörung: Moskaus Patriarch Kyrill.
Foto: Imago Images / Itar-Tass / Mikhail Tereshchenko

Die Russische Orthodoxe Kirche hat es seit dem Ende der Sowjetunion verabsäumt, eine eigene konstruktive Rolle in der russischen Gesellschaft abseits vom Staat zu definieren. Sie hat sich zu einem Träger nationaler Ideologie gemacht, die Russlands Rolle in der Welt religiös erhöht. Putin gilt oder galt dem Patriarchen, aber auch vielen seiner konservativen Fans im Westen, als der letzte Verteidiger christlicher traditioneller Werte, weil er Gesetze gegen Homosexuelle erließ und mit dem Argument der Verteidigung von Christen Bomben nach Syrien schickte.
Mächte des Bösen

Spätestens 2012, als Putin seine dritte Amtszeit als Präsident mit dem klaren Bekenntnis zu einer konservativen Werteagenda antrat, war der Bund zwischen Kreml und Patriarchat geschlossen. Der Krieg im Donbass und die Entstehung der orthodoxen Kirche in der Ukraine haben die Russische Orthodoxe Kirche von innen radikalisiert. Seit 2018 waren eigentlich alle moderaten Kräfte innerhalb der Kirche verstummt, und die Sichtweise, dass im Donbass ein Endzeitkampf zwischen den Mächten des Guten und den Mächten des Bösen, repräsentiert in Form von Gay Prides, stattfände, wanderte vom extremen rechten Rand der Kirche in ihr Zentrum. Heute hören wir, was früher nur in radikalen Zirkeln ausgesprochen wurde, aus dem Mund von Patriarch Kyrill.

Konkret hat der Krieg in der Ukraine zwei religiöse Komponenten, die von russischer Seite für die militärische Aggression und Invasion ins Feld geführt werden: erstens die "Verteidigung" russisch orthodoxer Menschen in der Ukraine vor "religiöser Verfolgung"; und zweitens die "Abwehr" westlicher und säkularer Werte. Was hat es mit diesen beiden Punkten auf sich, und worauf beziehen sie sich? Zuerst zur Frage der "religiösen Verfolgung", die Putin in seiner Rede vom 21. Februar 2022 als Grund für die Invasion der Ukraine genannt hat. In der Ukraine gibt es aktuell zwei orthodoxe Kirchen, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK-MP) und die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) unter dem Patriarchen von Konstantinopel. Die OKU wurde vom Moskauer Patriarchat bisher nicht anerkannt.

"Heute hören wir, was früher nur in radikalen Zirkeln ausgesprochen wurde, aus dem Mund von Patriarch Kyrill."

Diese kirchliche Konstellation bot von Anfang an Konfliktpotenzial, insbesondere gab es Fälle, in denen Kirchengemeinden grob vor die Wahl gestellt wurden, sich der einen oder anderen Seite anzuschließen. In den russischen Medien wurden diese Konflikte massiv aufgebauscht und als "Christenverfolgung" und Verletzung der Religionsfreiheit dargestellt. Auf diese Episoden bezog sich Putin mit seiner Aussage der "Verteidigung" von orthodoxen Christen. Dies ist jedoch irreführend, denn vor allem in letzter Zeit hatte sich das Zusammenleben zwischen den beiden Kirchen gebessert. Metropolit Onufri der UOK-MP sitzt gemeinsam mit dem Metropoliten Epifani der OKU im Ukrainischen Konzil der Kirchen und Religiösen Organisationen.

Am Morgen des 24. Februar 2022, während Raketen an vielen Stellen im Land einschlugen, veröffentlichte das Konzil ein Statement, in dem der russische Angriff verurteilt und zu Loyalität mit der ukrainischen Regierung aufgerufen wurde. Metropolit Onufri legte in den darauffolgenden Tagen noch nach und bat seinen Patriarchen in Moskau um ein "hierarchisches Wort", um den Krieg und die Gewalt zu stoppen. Diese Bitte stieß auf taube Ohren.

Patriarch Kyrill in Moskau hat zwar für Frieden und gegen den "Bruderkrieg" gepredigt, aber er hat die russische Invasion, die Bomben und das Töten nicht konkret verurteilt. Vielmehr hat er das offizielle Narrativ der notwendigen Verteidigung des "heiligen Russlands" vor "bösen Kräften" bekräftigt. Aus Protest gegen diese unzureichende Reaktion haben seit Kriegsbeginn viele Diözesen der UOK-MP bekanntgegeben, fortan nicht mehr den Namen des Patriarchen in der Liturgie zu nennen, was de facto einer Abspaltung gleichkommt. Mit dem Krieg verliert der Patriarch von Moskau seine Unterstützer und seine Gläubigen in der Ukraine.
Deutliche Worte

Die anderen orthodoxen Kirchen und viele orthodoxe Gläubige im Westen blicken derweil fassungslos auf die moralische Selbstdemontage der Russischen Orthodoxen Kirche. Nachdem die ersten Reaktionen zum Teil zurückhaltend ausfielen, haben inzwischen mehr und mehr Kirchenoberhäupter die russische Aggression mit deutlichen Worten benannt und verurteilt. Seit einigen Tagen zirkuliert eine Petition russischer Priester gegen den Krieg, daneben gibt es aber auch eine Petition von Laien der Russischen Orthodoxen Kirche in der Diaspora. Die Gläubigen fordern den Patriarchen auf, seinen Einfluss auf Putin geltend zu machen, um den Krieg zu beenden. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass er auf sie hören wird. (Kristina Stoeckl, 11.3.2022)

Kristina Stoeckl ist Professorin am Institut für Soziologie der Universität Innsbruck. Von 2016 bis 2022 leitete sie das Forschungsprojekt "Postsecular Conflicts", das Verbindungen der Russischen Orthodoxen Kirche und rechts- und moralkonservativer NGOs im Westen untersuchte. Im Herbst erscheint ihr (gemeinsam mit Dmitry Uzlaner (verfasstes) Buch "Moralist International. Russia in the Global Culture Wars".

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anne

   

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Danke für Ihr Reinschauen und herzliche Grüße...
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