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Gefechte im Osten der Ukraine Russland setzt zur Kesselschlacht an
Von Martin Morcinek 27.04.2022, 09:20 Uhr (aktualisiert)
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Heftige Gefechte im offenen Gelände: Ein ukrainischer Kampfpanzer rollt Mitte April durch die zurückeroberte Ortschaft Hussariwka bei Isjum.
Russland kommt in der Ukraine nur langsam voran: Mehrere Tage nach Beginn der neuen Bodenoffensive im Osten verraten Vorstöße im Frontverlauf Details zu den russischen Angriffszielen. Was haben Putins Truppen in der Ukraine vor?
Die zweite Phase des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bringt der russischen Führung bisher keine schnellen Erfolge. Überall entlang der fast 800 Kilometer langen Frontlinie im Osten des Flächenstaats stoßen die Angreifer auf den erbitterten Widerstand der ukrainischen Verteidiger.
Größere Frontdurchbrüche oder gar operative Erfolge können Russlands Militärstrategen bisher - trotz des gewaltigen Einsatzes der russischen Militärmaschinerie - nicht nach Moskau melden. Abgesehen von einzelnen Vorstößen scheint sich das russische Militär zunächst vor allem auf massive Artillerieschläge und Beschuss aus der Luft zu beschränken.
In dem riesigen Kampfgebiet steht für beide Seiten viel auf dem Spiel: Moskau drängt nach der verlustreichen ersten Kriegsphase auf vorzeigbare Ergebnisse. Die russischen Militärplaner brauchen insbesondere vor dem Hintergrund des gescheiterten Angriffs auf Kiew einen Erfolg. Die Ukraine wiederum hat in dem Gebiet große Kontingente der eigenen Streitkräfte positioniert.
Die zahlenmäßig und an Militärmaterial weit überlegene russische Armee steht den ukrainischen Truppen in einem mehrere Hundert Kilometer langen Bogen aus Frontabschnitten gegenüber. Dieser Bogen reicht im Norden von Charkiw bis zur Ausbuchtung bei Sjewjerodonezk und Lyssytschansk. Im Osten führt er entlang der alten Kontaktlinie aus dem Minsker Abkommen nach Süden bis kurz vor Donezk. Von dort reicht er zurück Richtung Westen bis zum Dnepr-Stausee südlich von Saporischschja.
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Gekämpft wird an mehreren Brennpunkten. Welche Angriffsziele das russische Militär dabei im Detail verfolgt, blieb bisher unklar. Einzelne russische Vorstöße verraten nun jedoch, an welchen Stellen die russischen Einheiten tiefer in die Ukraine vordringen wollen: Die heftigsten Gefechte wurden zuletzt aus dem Raum Isjum, aus der Region nordwestlich von Horliwka und an der Südfront vor allem bei der Kleinstadt Welyka Nowosilka gemeldet.
Beim Blick auf die Karte wird das Vorgehen offensichtlich: Die russischen Vorstöße zielen offenbar darauf ab, die ukrainischen Einheiten in einer riesigen Zangenbewegung zu umfassen und in eine Kesselschlacht rund um Slowjansk und Kramatorsk zu zwingen.
Drohende Kesselschlachten in der Ukraine
Solche operativen Pläne folgen einer bewährten Logik: Die von der Umfassung bedrohten Truppen müssten sich entweder - von allen Seiten bedroht - einigeln und abgeschnitten von der Versorgung auf Hilfe von außen hoffen oder sich umgehend zurückziehen, um der drohenden Einkesselung zu umgehen.
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In der Militärgeschichte gibt es zahlreiche Beispiele für solche großangelegten Offensiven. Beim Überfall auf die Sowjetunion etwa konnte die deutsche Wehrmacht unter dem Befehl Hitlers anfangs so größere Erfolge erzielen - bevor sich das Blatt wendete und die Rote Armee die Angreifer in historischen Kesselschlachten besiegte.
Die russischen Gebietsgewinne südöstlich von Charkiw, bei Isjum und an der Front im Süden deuten darauf hin, dass die russische Strategie die Einschließung der ukrainischen Einheiten am Donbass vorsieht. Gelänge den russischen Truppen die Einkesselung ukrainischer Einheiten im Osten, kämen Putins Generäle einem der erklärten Kriegsziele einen großen Schritt näher. Die militärische Schlagkraft der freien Ukraine wäre empfindlich geschwächt. Zugleich wäre die Kontrolle über den gesamten Donbass gewonnen.
(Dieser Artikel wurde am Montag, 25. April 2022 erstmals veröffentlicht.)
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