Der heute 55-Jährige schloss in seiner Geburtsstadt Sankt Petersburg ein Medizinstudium ab, bevor er, seine Mutter und seine Schwester Anfang der Neunziger nach Deutschland auswanderten. In Düsseldorf eröffnete Wladimir eine kleine, erfolgreiche Praxis für Physiotherapie, heiratete, bekam zwei Töchter. 2008 fand er sich nach eigenen Worten in einer "Midlife-Crisis" wieder, die im Umzug in die Ukraine mündete.
"Zugegeben – mein Ukrainisch ist nicht das beste. Aber Odessa ist nicht die Ukraine. Es ist ein eigener Planet." Auch wenn er den Kontakt zu seinen alten Freunden und Studienkollegen in St. Petersburg bis heute nicht verloren hat und sich den kulturellen Traditionen Russlands enger verbunden fühlt als den genuin ukrainischen: Eine Rückkehr wäre für ihn nicht infrage gekommen. Wladimir ist nicht nur Russe, sondern auch Jude.
Keine Illusionen
"Ich bin Kosmopolit. Wenn die Russen morgen hier einmarschieren, hätte ich wahrscheinlich keine Probleme. Okay, vielleicht doch, weil ich mich mittlerweile zu meiner Homosexualität bekenne und Putin keine Schwulen mag. Ich würde jedenfalls mit meinem russischen Pass wedeln, und dann würden sie mich wahrscheinlich in Ruhe lassen."
Nichtsdestotrotz teilt Wladimir, der auch als Radiomoderator arbeitet, mit seinen hier lebenden Landsleuten wie mit anderen Migranten aus der Ex-Sowjetunion die Hoffnung, dass es dazu nie kommen wird. Bei allem Optimismus macht er sich keine Illusionen darüber, dass es dann mit der Freiheit, wie er sie lebt, mit einem Schlag vorbei wäre. (Klaus Stimeder aus Odessa, 23.8.2022)