29. APRIL 2019
Erste Frau der Geschichte als Leiterin eines römischen Dikasteriums
WIRTSCHAFTSSEKRETARIAT
27. April 2019
Claudia Ciocca könnte bald neue Präfektin des Wirtschaftssekretariats werden und damit zur ersten Frau in der Kirchengeschichte, die ein Dikasterium des Heiligen Stuhls leitet.
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(Rom) Erstmals in der Kirchengeschichte könnte eine Frau ein vatikanisches Ministerium leiten. Entsprechende Pläne hegt Papst Franziskus für das Wirtschaftssekretariat der Römischen Kurie. Die Bekanntgabe wird für diese Tage erwartet.
Claudia Ciocca soll Präfektin des Wirtschaftssekretariats werden. Der Papst wolle ernst machen mit der „Aufwertung“ der Frauen, die er mehrfach, ankündigt hatte. Es gebe noch einige Hindernisse, doch der Weg scheint frei zu sein.
Claudia Ciocca leitet derzeit die Aufsichts- und Kontrollabteilung des Wirtschaftssekretariats. Geht es nach dem Willen des Papstes, wird sie bald die erste Ministerin in der Geschichte des Heiligen Stuhls sein. Die Gerüchte bestätigte die progressive, spanische Nachrichtenseite Religion Digital. Kritiker bezeichnen das Nachrichtenportal sogar als antikirchlich. Der Chefredakteur von Religion Digital, José Manuel Vidal, ein Priester, der seine Berufung aufgab und laisiert wurde, ist vor einem Jahr sehr freundlich von Papst Franziskus im Vatikan empfangen worden.
Auf Religion Digital trifft zu, was Kardinal Gerhard Müller, der von Franziskus entlassene Glaubenspräfekt sagte, daß es einen „inneren Zusammenhang zwischen den Papisten von heute und den Rebellen von gestern“ gibt, zwischen den „großen Gegnern von Johannes Paul II. und Benedikt XVI“, die gestern „die Fundamente der Theologie unterminierten“ und jenen, die sich heute als große Bergoglio-Anhänger präsentieren. Aber das nur am Rande.
Der Weg in den Vatikan
Claudia Ciocca kam wenige Monate nach der Wahl von Papst Franziskus in den Vatikan, und das zunächst in ganz anderer Funktion. Der neue Papst öffnete im Sommer 2013 die Tore für die großen Finanz- und Unternehmensberatungsfirmen McKinsey, Ernst&Young, KPMG und Promontory. Ciocca wurde im Dezember 2013 als Expertin von KPMG in den Vatikan entsandt, um Bilanz, Buchführung und Finanzflüsse zu überprüfen. Aus dieser Aufgabe wechselte sie später direkt in die Dienste des Heiligen Stuhls. Heute ist sie faktisch bereits die Nummer Zwei im Wirtschaftssekretariat, dem vatikanischen Finanz- und Wirtschaftsministerium. Letzteres hat seinen Grund in der ziemlich bewegten Geschichte des noch jungen Ministeriums.
Ministerien werden beim Heiligen Stuhl Dikasterien genannt und sind nach Alter und Rang gegliedert. Das Wirtschaftssekretariat wurde von Papst Franziskus im Februar 2014 als neues Ministerium geschaffen, um alle wirtschaftlichen Aktivitäten des Heiligen Stuhls zusammenzufassen und zentral zu lenken. Zum ersten Präfekten, wie der Vatikan den ranghöheren Teil seiner Minister nennt, berief er aus Australien den damaligen Erzbischof von Sydney, George Kardinal Pell.
Der Weg aus dem Vatikan hinaus
Die Berufung des Kardinals sorgte für Aufsehen. Während Franziskus die hochrangigen Prälaten, die von Papst Benedikt XVI. ernannt wurden und diesem nahestehen, aus der Kirchenleitung mehr oder weniger freundlich entfernte, berief er ausgerechnet den Ratzingerianer Pell in den Vatikan. Pell galt im Konklave sogar als Papabile.
Dem Australier eilte allerdings der Ruf eines soliden Verwalters voraus, zumindest für eine Kirchenmann, der sich vordringlich mit theologischen Fragen befaßt. Geprägt von seinem britischem Denken ging der Kardinal daran, die ihm anvertraute Aufgabe effizient zu erfüllen. Damit stellten sich auch schon die Schwierigkeiten ein.
Franziskus hatte die Behörde errichtet und den Präfekten ernannt, aber damit hatte es sich vorerst auch schon. Es war zunächst kaum mehr als ein Papiertiger, da alle Strukturen erst geschaffen werden mußten. Zudem waren die Aufgaben nur unscharf umrissen.
Kardinal George Pell, aus dem Vatikan ins Gefängnis.
Neben den strukturellen Schwierigkeiten stieß Kardinal Pell aber vor allem auf den Widerstand einiger Dikasterien, die ihr Vermögen bisher selbst verwalteten, und das auch weiterhin zu tun gedachten. Die Übereinstimmung von britischem und italienischem Denken stieß schnell an ihre Grenzen. Italienische Gesetze, wie das Motu proprio Fidelis dispensator et prudens, mit dem Franziskus das Wirtschaftssekretariat errichtet hatte, verlangen in Italien eine italienische Umsetzung. Auf solche Mentalitätsprobleme war Kardinal Pell nicht wirklich gefaßt.
https://katholisches.info/2018/05/11/pap...n-nachzukommen/
Noch ehe er sich’s versah, hatten sich gegen ihn eine Intrigantenszene ins Werk gesetzet, die nicht nur Widerstand gegen seine Behörde organisierte, sondern gezielt seine Autorität unterminierte. Anstatt den von ihm ernannten Wirtschaftspräfekten zu unterstützen, ging Franziskus, je mehr der Widerstand zunahm, schrittweise auf Distanz, beschnitt Pells Zuständigkeiten und ließ ihn schließlich ganz im Regen stehen. Hartnäckig halten sich die Stimmen, die behaupten, die australischen Ermittlungen gegen den Kardinal wegen angeblichen sexuellen Mißbrauchs seien aus dem Vatikan heraus angestoßen worden.
Der leise Aufstieg
Entmutigt und enttäuscht warf Kardinal Pell im Juni 2017 das Handtuch. Er trat zwar nicht zurück, stellte aber sein Amt ruhend und kehrte nach Australien zurück, um sich gegen die Vorwürfe vor Gericht zu verteidigen.
Seit bald zwei Jahren ist das Ministerium de facto ohne Minister.
Die Nummer Zwei war unter Pell der maltesische Priester Alfred Xuereb, der einst zweiter Sekretär von Papst Benedikt XVI. war. Ihn versetzte Franziskus im Februar 2018 zum Diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhl und entsandte ihn als Apostolischen Nuntius in die Mongolei. Man kann darin eine größtmögliche Entfernung aus dem Vatikan sehen. Das Amt des Generalsekretärs, das Xuereb innehatte, wurde nicht nachbesetzt. Damit waren beide höchsten Positionen des Wirtschaftssekretariat faktisch vakant.
Sitz des Wirtschaftssekretariats ist der mächtige Torrione San Giovanni.
So rückte der Priester und Kirchenrechtler Luigi Mistò, der seit 2015 die Verwaltungsabteilung des Dikasteriums leitet, de facto zum geschäftsführenden Präfekten auf. Hinter ihm folgt in der Ministerialhierarchie Claudia Ciocca als Leiterin der Aufsichts- und Kontrollabteilung.
Nachdem Kardinal Pell im vergangenen Februar in einem Gerichtsverfahren erster Instanz – mit einigen zweifelhaften Seiten – zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde, betonte der Vatikansprecher zwar, daß keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt und damit weiterhin die Unschuldsvermutung gelte, zugleich entzog ihm Papst Franziskus aber das Amt des Wirtschaftspräfekten. In Rom war das Wort Dolchstoß zu hören.
Damit kann die Spitzenposition des Ministeriums neu besetzt werden.
Ciocca, die als mögliche Nachfolgerin genannt wird, nimmt in Rom auch einen Lehrauftrag an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz der Personalprälatur Opus Dei wahr. Im Zuge des Programm of Church Management bietet sie die Lehrveranstaltung Real Estate Management as Stewardship an. Zudem trat sie mehrfach bei akademischen Tagungen als Referentin auf.
Der Befreiungsschlag des „Papstes der Gesten“
Die Berufung einer Frau an die Spitze eines römischen Dikasteriums wurde vom päpstlichen Umfeld schon seit längerer Zeit angedeutet. Durch den sexuellen Mißbrauchsskandal von Minderjährigen und von Ordensfrauen durch Kleriker unter Druck scheint der Augenblick für den „Papst der Gesten“ geeignet, um ein Zeichen zu setzen.
Vor einem Monat sorgte der Rücktritt der Frauenredaktion des Osservatore Romano für Aufsehen. Lucetta Scaraffia, die bisherige Leiterin der Frauenbeilage der Tageszeitung des Papstes, und alle ihre Mitarbeiterinnen, kündigten ihre Mitarbeit auf. Scaraffia warf Franziskus vor, ein „verengtes Frauenbild“ zu haben.
Der Konflikt um die Frauenbeilage stellt einen Rückschlag im frauenfreundlichen Image dar, der Papst zu sein, der den größten Vormarsch der Frauen in die Kirchenleitung möglich gemacht habe. Die Ernennung der ersten Frau zur Leiterin eines römischen Dikasteriums würde internationale Aufmerksamkeit sichern.
Religion Digital kündigte die Ernennung Cioccas für „die nächsten Tage“ an. Rechtlich müßte Franziskus zuvor das Wirtschaftssekretariat in ein Wirtschaftsdikasterium zurückstufen. Diesen Weg ging er bereits beim Kommunikationssekretariat, das er nach dem unrühmlichen Abgang des von ihm ernannten, ersten Kommunikationspräfekten (Affäre um den manipulierten Brief von Benedikt XVI.) in ein Kommunikationsdikasterium umwandelte, um die Leitung einem Laien übertragen zu können.
Die Umbenennung ändert für Außenstehende nichts, betrifft aber den Rang und die Reihung innerhalb der vatikanischen Ministerienhierarchie. Ein Sekretariat ist ranghöher als ein nicht näher spezifiziertes Dikasterium. Der Präfekt des Wirtschaftssekretariats kommt gleich hinter dem Kardinalstaatssekretär.
Kommt nicht noch im letzten Augenblick Unvorhergesehenes dazwischen, wird demnächst die erste Frau in der Kirchengeschichte die Leitung eines römischen Dikasteriums übernehmen.
https://katholisches.info/2019/04/27/ers...n-dikasteriums/
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http://r.newsletter3.aleteia.org/mk/mr/C...0jb6kxpMnnQu91w
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Religion Digital (Screenshot)