SAM STAG, 15. FEBRUAR 2020
Ein Jahr nach ihrem Verschwinden
Rebeccas Familie hält sich an die Hoffnung
https://www.n-tv.de/panorama/Kein-Vermis...le21583683.html
Rebecca Reusch ist eine von aktuell über 11.000 Vermissten in Deutschland.
Vor fast einem Jahr kommt Rebecca Reusch an einem Februartag nicht zur Schule. Seitdem ist die damals 15-Jährige verschwunden, bis heute wird auch keine Leiche gefunden. Das Schicksal des Mädchens ist ungewiss. Ihre Familie hofft noch immer, dass Rebecca einfach wiederkommt.
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Auf einem der Bilder, mit denen seit fast einem Jahr nach Rebecca Reusch gesucht wird, ist ein typischer Teenager zu sehen: Fröhlich lächelt Rebecca in die Kamera, ihr Kopf ist umrahmt von den Blüten eines Filters. Doch alle Hoffnungen, sie könnte schnell gefunden werden oder wieder nach Hause zurückkehren, waren bisher vergebens. Seit die damals 15-Jährige vom Haus ihrer Schwester aus zur Schule gehen sollte, ist sie verschwunden.
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Ihre Familie geht trotzdem weiter davon aus, dass Rebecca lebt. "Ich denke, dass sie wirklich weggesperrt ist", sagt ihre Mutter Brigitte Reusch RTL. Sie vermutet, dass "irgendein Spinner" Rebecca festhält. Anders kann sie sich das Verschwinden ihrer Tochter einfach nicht erklären. In dem Jahr ohne Rebecca ist die Familie durch Phasen von Hoffnung, Verzweiflung und Trauer gegangen, bis wieder eine Art von Alltag eingekehrt ist.
Es ist ein Alltag, in dem vieles anders ist als vor einem Jahr. Vor dem 18. Februar 2019 waren die Morgenstunden in dem Haus in Berlin-Britz laut und chaotisch. Es wurden Brote geschmiert und Klamotten begutachtet, meist war Rebecca ein bisschen spät dran. Heute steht Brigitte Reusch allein auf, sie sagt einem Bild ihrer jüngsten Tochter "Guten Morgen" und zündet eine Kerze an. Das kleine Licht gebe ihr Kraft, erzählt sie. "Mehrere Menschen in meinem Umkreis machen täglich eine Kerze für Becky an." Die Familie hält sich am Glauben fest und an der Liebe, vor allem aber an der Hoffnung.
Schmaler Grat zwischen Hoffnung und Realität
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Die Hoffnung ist das einzige Gegenmittel gegen die Angst, sagt auch der frühere Münchner Mordermittler Josef Wilfling. Ihn erinnert Rebeccas Verschwinden an den Fall Sonja Engelbrecht. Die 18-Jährige war 1995 mitten in München auf ihrem Heimweg verschwunden. Bis heute ist ihr Schicksal ungeklärt. Immer wieder hat Wilfling mit den Angehörigen von Sonja Engelbrecht gesprochen. "Das ist das Schwierigste und Belastendste, das es in unserem Beruf gibt, mit Eltern Kontakt zu haben, die ein Kind verloren haben oder deren Kind vermisst ist", erzählt der inzwischen pensionierte Polizist RTL.
Die Gespräche sind eine Gratwanderung, erinnert sich Wilfling. Man versuche, die Hoffnung nicht zu zerstören, aber auch keine falsche Hoffnung zu nähren. Ermittlungsarbeit orientiert sich ausschließlich an Fakten, nicht an Gerüchten oder Verschwörungstheorien. "Aber trotzdem versuchen wir natürlich, jedem einzelnen Hinweis nachzugehen - allein schon, um zu zeigen, dass wir wirklich alles tun."
Auch bei der Berliner Mordkommission werden noch immer Hinweise abgearbeitet. Die Zahl der Ermittler ist jedoch deutlich kleiner geworden. "Natürlich wird nicht mehr mit dem gleichen personellen Aufwand ermittelt wie damals", sagt der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Aber wenn sich neue Hinweise ergeben, werde man "wieder mit dem früheren Personalaufwand einsteigen", um das Schicksal des Mädchens aufzuklären.
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Rebeccas letztes Lebenszeichen stammt aus dem Haus ihrer Schwester, in dem sie in der Nacht vor ihrem Verschwinden übernachtet hatte. Ihrem Schwager zufolge ist die 15-Jährige von hier aus zur Schule gegangen, doch dort kam sie nie an. Anhand der Daten von Rebeccas Handy vermutet die Polizei, dass das Mädchen das Haus nicht lebend verlassen hat. Der 27-jährige Schwager wird zweimal unter Mordverdacht verhaftet und jedes Mal wieder freigelassen. Es gibt keine Beweise gegen ihn, trotzdem führt ihn die Staatsanwaltschaft weiterhin als Beschuldigten. Rebeccas Familie hält zu dem 27-Jährigen. "Es gibt keine Spuren, nicht im Auto, nicht im Haus", sagt Brigitte Reusch, überzeugt von seiner Unschuld.
Solange keine eindeutigen Spuren oder gar eine Leiche gefunden werden, halten sich die Ermittler an Wahrscheinlichkeiten, die Erfahrung und ihre kriminologischen Erkenntnisse. "In der Regel werden entführte Personen leider Gottes relativ schnell nach der Entführung getötet", fasst Mordermittler Wilfling diese Erfahrungen zusammen. Aber natürlich gibt es auch immer wieder den seltenen Fall, dass selbst jahrelang vermisste Personen lebend gefunden werden. Die Österreicherin Natascha Kampusch beispielsweise wird als Zehnjährige auf dem Schulweg verschleppt, im Alter von 18 Jahren gelingt ihr die Flucht.
Die richtige Spur finden
"Es gibt keine spurenlosen Verbrechen", sagt der Kriminalbiologe Mark Benecke RTL. "Die Frage ist, ob die Spuren gefunden werden." Irgendwo könnte es Hautspuren, Fuß- oder Fingerabdrücke geben, die den Ermittlern den entscheidenden Hinweis geben. Immer wieder haben Hunderte Polizisten auf der Suche nach Rebecca brandenburgische Wälder durchsucht, sind in Seen getaucht. Bisher erfolglos. "Viele Leichen werden durch Zufall nicht gefunden, weil sie an einer Stelle liegen, wo niemand lang kommt oder niemand Verdacht schöpft", fasst Benecke seine Erfahrungen als Sachverständiger zusammen. Straßengräben oder leerstehende Häuser können jahrelang als perfektes Versteck funktionieren, bis dann doch jemand zufällig dort vorbeikommt und aufmerksam wird.
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Solveig Bach leitet das Gesellschaftsressort bei ntv.de.
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Ein Leichenfund würde alles verändern. Es gäbe neue Hinweise und Spuren, vor allem aber Gewissheit. Nach einem Jahr ohne Rebecca ist auch ihre Familie auf eine solche Nachricht gefasst. "Natürlich möchte ich mein Kind nicht verabschieden", sagt Brigitte Reusch. Aber mit dem Tod könnte sie umgehen lernen, "die Ungewissheit ist furchtbar". Kurz nach Rebeccas Verschwinden habe sie gar nicht richtig denken können, inzwischen funktioniere sie eben und halte sich an den großen Kindern und den Enkeln fest. Manchmal überlege sie, ob Rebecca noch gewachsen sei.
Noch sind die Akten im Fall Rebecca nicht geschlossen. Das passiert erst, wenn es gar keinen Ermittlungsansatz mehr gibt. "Mord verjährt nicht, deshalb wird kein ungeklärter Fall endgültig zu den Akten gelegt", sagt auch der Münchner Ermittler Josef Wilfling über die Arbeit seiner Kollegen. "Solche Fälle trägt man jahrelang mit sich herum und sie werden auch weitergegeben an den nächsten Ermittler, wenn man in Pension geht." Immer wieder versuche man neue Ermittlungsansätze zu finden. "Aber es gelingt eben einfach nicht immer."
Wie Rebeccas Eltern ein Jahr nach dem Verschwinden ihrer Tochter den Alltag bewältigen, sehen Sie in einer Doku auf TV Now.
Quelle: ntv.de
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