Das Heilige ging verloren
Die Folge ist, dass auch das Leben, das bisher als heilig galt, nicht mehr heilig und unantastbar ist. Ein Kommentar zum Sonntagsevangelium von P. Bernhard Sirch
Illschwang (kath.net) B - 6. So. i. Jk.: 1. Ls: Lev 13, 1-2, 43-46; 2. Ls: 1 Kor 10, 31-11,1; Ev. Mk 1, 40-45
Der Umgang mit den Aussätzigen ist das Thema der heutigen 1. Lesung und des Evangeliums. Wir können nur versuchen uns in die ausweglose Lage eines Aussätzigen zur Zeit Jesu hineinzuversetzen. Heute gibt es nur noch in der 3. Welt Aussatz. Auf Grund der medizinischen Kenntnis ist Aussatz heute eine Krankheit, wie viele andere Krankheiten.
Viel beigetragen zur Überwindung dieser Krankheit hat Pater Damian De Veuster, der Apostel der Aussätzigen. Der Name des Heiligen ist untrennbar mit dem verknüpft, was man um 1870 als "Hölle von Molokai" beschrieb: die Aussätzigenkolonie auf der Insel Molokai, wo etwa 600 Leprakranke, von der Gesellschaft ausgestoßen und ohne jede medizinische Betreuung, lebten. Um die weitere Verbreitung der damals noch unheilbaren Krankheit zu stoppen, hatte die Regierung eine drakonische Maßnahme ergriffen: Alle mit Lepra infizierten Kranken wurden auf eine Landzunge der Insel Molokai deportiert, von der aus sie nicht entkommen konnten. In diesem natürlichen Gefängnis wurden sie ihrem Schicksal überlassen. Am 10. Mai 1873 landete auf Molokai ein junger Mann, Pater Damian De Veuster, der 16 Jahre unter den Aussätzigen in Molokai lebte. 1884 wurde Pater Damian selbst aussätzig und äußerlich aufs Schlimmste von der Krankheit entstellt. Trotzdem arbeitete er weiter, bis schließlich seine Kräfte nachließen. Am Montag der Karwoche, am 15. April 1889, starb Pater Damian im Alter von 49 Jahren. An Pater Damian kann man sehen, was gelebtes Christentum vermag.
Ähnliches wie vor 140 Jahren die Aussätzigen in der Hölle von Molokai erlebten, mußten die Aussätzigen zu Zeit Jesu erdulden, wo man die Krankheiten nicht kannte und oft war man geneigt eine Krankheit als "Aussatz" zu deklarieren; damit waren die Betroffenen abgesondert. So hören wir in der 1. Lesung: "Solange das Übel besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten" (Lev 13,46). Man war Krankheiten ziemlich hilflos gegenüber und versuchte durch Absonderung der Ansteckung vorzubeugen. Es war damals schwierig, die ansteckenden Krankheiten von nicht ansteckenden Krankheiten zu unterscheiden. Der Unreine war generell abgesondert und konnte am Gemeinschaftsleben und damit auch an den Gottesdiensten nicht teilnehmen. Es war ein hartes Schicksal, wo wir uns heute keine Vorstellung machen können.
Auch Jesus wurde mit dem Phänomen Aussatz konfrontiert: "Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es - werde rein! Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz, und der Mann war rein" (Mk 1,40-42). Der Aussätzige hatte ein volles Vertrauen zu Jesus; wir sehen aber auch bei Jesus, dass er keine Berührungsängste hat. Wenn nun Jesus im Evangelium einen Aussätzigen heilt, so ist damit für Viele Jesus der Retter geworden. Gott sei Dank, dass die Ärzte Licht in diese Krankheit gebracht haben, wenngleich sie oft, besonders was z.B. die Neurodermitis angeht, machtlos gegenüberstehen. Viele Menschen würden heute zu Jesus kommen und vor ihm auf die Knie fallen und sagen: "Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde (Mk 1, 40). Möge Gott diesen Menschen Erleichterung schenken und die Kraft geben, Ihr Kreuz zu tragen.
Wir schauen oft nur auf das Äußere und übersehen, dass wir selber "Aussätzige" sind, ja unsere Zeit ist vom Aussatz befallen. Ich möchte nur einige Punkte anführen:
* Undankbarkeit gegenüber Gott und den Menschen - Unzufriedenheit.
Wie Jesus 10 Aussätzige heilte, kehrt nur einer zurück, "er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesus zu Boden und dankte ihm" (Lk 17,16). Besonders die älteren Menschen haben durch Krieg und schwere Schicksalsschläge unsagbares Leid, aussichtlose Situationen überstehen müssen und kennen die Not: nicht einmal das Lebensnotwendigste zu haben. Heute leben 1/3 der Menschheit in Saus und Braus. Für viele Menschen ist die eigene Wohnung, das eigene Auto, ein gutes Essen, eine schöne Kleidung usw. etwas Selbstverständliches. Wir müssen Gott danken, dass wir zu dem 1/3 der Menschen leben, denen es gut geht, wobei dieser Dank auch unsere kräftige Hilfe für Bedürftige der 2/3 der Menschen, die in bitterer Armut leben, beinhalten muss. Wir sehen im Fernsehen die Not der 2/3 Menschen, schauen nur zu und jammern, wenn uns eine Kleinigkeit fehlt. Viele große Kulturen sind am eigenen Luxus zugrunde gegangen: Griechen, Römer. Anstelle der Konsumgesellschaft muss sich eine neue Gesellschaft bilden, die zufrieden ist. Eine Konsumgesellschaft konsumiert sich zu Tode: gesundheitlich und psychisch. Zufriedenheit müssen wir einüben!
* Einen weiteren Punkt möchte ich angeben: Keine Zeit für Gott und die Mitmenschen. Maschinen und Hilfsgeräte in allen Bereichen haben uns viele und oftmals auch schwere körperliche Arbeit abgenommen und uns eine Arbeitserleichterung gebracht, die beispiellos ist. Die Arbeitszeit hat sich innerhalb von 100 Jahren mehr als halbiert. Heute zwingt uns die Freizeitgestaltung ja nichts auszulassen, so dass wir keine Zeit für Gott und für die Mitmenschen haben. Der eigene Egoismus steht im Vordergrund und macht blind. Die Ehrfurcht vor Gott und der Sinn für das Heilige schwinden immer mehr. Der Sonntag als Tag des Herrn, an dem man in die Kirche geht, ist nur mehr für ca. 15 % der Gläubigen bestimmend. Der Sinn des Sonntags ist nicht, dass wir an diesem Tag nicht arbeiten sollen und dafür den größeren Stress der Freizeitbeschäftigung einhandeln, der Sinn des Sonntags ist, dass er dem Herrn gehört und nicht der Freizeitgesellschaft.
* Einen weiteren Punkt möchte ich angeben: Abtreibung und Euthanasie: schwindende Achtung vor dem Leben. Nach außen hin ist alles im Lot: wir sind ein christliches Abendland. Die praktische Absetzung Gottes am Ende des 2. Jahrtausends zeigt sich darin, dass sich der Mensch als Herr über das Leben setzen will. Das Heilige ging verloren; die Folge ist, dass auch das Leben, das bisher als heilig galt, nicht mehr heilig, unantastbar ist. Die Toten und das Gemetzel der Kriege, besonders der beiden Weltkriege in vergangenen Jahrhundert, schreien zum Himmel; genauso unübersehbar ist die Schar der Kinder, die im Mutterleib getötet werden. In das Innere des Menschen wurde das Schlachtfeld verlegt. Das Blut der ungeborenen Kinder schreit zum Himmel.
Eine Besinnung am Beginn des 3. Jahrtausends tut Not.
Der heilige Paulus weist uns in der zweiten Lesung darauf hin: Nehmt... wie ich Christus zum Vorbild" (1 Kor 11,1). "Ob ihr eßt oder trinkt, oder etwas anderes tut: tut alles zur Verherrlichung Gottes!" (1 Kor 10, 31). Bei aller Schwarzseherei dürfen wir sehen, wie Menschen, die Christus zum Vorbild haben, Unglaubliches bewirken. Denken wir nur an Pater Damian de Veuster und die vielen, vielen Menschen, die sich Christus zum Vorbild nehmen. Obwohl die Zeitungen vom Leben dieser heiligmäßigen Menschen kaum berichten, so kann man doch sagen, ohne diese Menschen wäre die Welt ärmer.
Als früherer Verlagsdirektor möchte ich meinen Kollegen in der Presse sagen: füllt die Zeitungen nicht nur mit Horrorgeschichten, sondern verwendet wenigstens eine Seite mit Berichten über das Gute, das auch heute noch geschieht. Berichtet vom Lebenswerk der vielen Menschen, die die Welt menschlicher machen, weil sie Christus zum Vorbild haben. Die Menschen haben ein Recht auch das Gute sehen zu dürfen, das ihr Herz aufmuntert. Nicht Brutalität, Reichtum und Egoismus bringen die Gesellschaft voran, sondern Menschen mit einer selbstlosen Liebe. Diese Menschen machen die Liebe Gottes zu uns Menschen sichtbar: diese Menschen sind Leuchttürme im beginnenden 3. Jahrtausend nach Christi Geburt.
Wir dürfen sicher sein: Gott liebt uns, wie wir im heutigen Tagesgebet beten: "Gott, du liebst deine Geschöpfe, und es ist deine Freude, bei den Menschen zu wohnen. Gib uns ein neues und reines Herz, das bereit ist, dich aufzunehmen". Wir alle wissen, wie schwer es ist, einem neuen und reinen Herz in unserem Inneren Raum zu schaffen. So können wir Gott nur bitten, wie wir im Gabengebet heute beten: "Barmherziger Gott, das heilige Opfer reinige uns von Sünden und mache uns zu neuen Menschen. Es helfe uns, nach deinem Willen zu leben, damit wir den verheißenen Lohn erlangen".
Nur wenn wir unsere ewige Heimat im Blick haben, werden wir mit Christus ein Zeichen der Hoffnung in dieser Welt sein. Wenn wir am Beginn des 3. Jahrtausends stehen, so muß uns klar sein, dass allein Christus mit seiner hingebenden Liebe zu Gott und den Menschen im Dunkel unserer Zeit: Licht und Hoffnung bringt, so wie es P. Damian de Veuster für die 600 Leprakranken auf der Insel Molokai getan hat. Jeder überzeugt lebende Christ ist ein Leuchtturm in den wegelosen Fluten unsrer Zeit, ein Lichtblick für die Zukunft.
Ich war 7 Jahre Internatsleiter und habe auch in einer Berufsschule Religionsunterrichte gegeben. Wenn frisch verliebte junge Menschen die Begegnung mit ihrem Freund oder Freundin im Kopf haben, dann können sie diesen jungen Menschen sagen was sie wollen; dies rührt diese jungen Menschen gar nicht. Dieser junge Mensch schaut sie entgeistert an und fragt sich, was sie überhaupt wollen. Im Hinterkopf hat er das Zusammentreffen mit dem Freund oder Freundin, das ihn glücklich macht und zwar schon im voraus. Er ist bestimmt und lebt von dieser Zukunft.
Diese Erfahrung kann man generell ausdehnen. Menschen kann man vor allem beurteilen: welche Zukunft sie im Auge haben. Die Zukunft der Welt endet im Grab, bzw. in einem Feuerball, die Zukunft des Christen ist das ewige Leben. Der Glaube an Christus, der den Tod überwunden hat, verändert einen Menschen grundsätzlich. Ich wünsche Ihnen, dass sie zu diesem Glauben an Christus finden, der ihr Leben in der Tiefe ihres Seins, das sie gleichzeitig bereichernd wahrnehmen, verändert.
Gottes Segen,Laudetur Jesus Christus
Herzliche Grüße