Salzburger Erzbischof: Kirchliche Erneuerung nicht durch 'Ungehorsam', sondern durch Fokus auf grundlegende Fragen
Salzburg (kath.net/KAP) Der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser wünscht sich als Nachfolger einen "Mann der Mitte, der keine Schlagseiten hat" und gut zuhören kann. Das sagte er in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Austria Presse Agentur (APA). Kothgasser wird am 29. Mai 75 Jahre alt. Gemäß dem Kirchenrecht wird er Papst Benedikt XVI. dann seinen Rücktritt anbieten.
Bei der Nachfolgersuche setze er auf eine breite Meinungserhebung: In einer "diskreten" Umfrage befasse er damit Gremien wie den Pastoralrat, den Priesterrat oder das Konsistorium, alle hauptamtlichen Mitarbeiter und die Vorsitzenden der verschiedenen Verbände. Die gesammelten Vorschläge werde er dem Nuntius für die Entscheidungsfindung in Rom übermitteln, kündigte der Erzbischof an.
"Am liebsten wäre mir, wenn an jenem Tag X, an dem die Domkapitulare zusammentreten und der Dreier-Vorschlag aus Rom geöffnet wird, dass sie zum Schwitzen kämen, weil drei so gute Namen drauf stehen, dass sie nicht wissen, wer der beste von ihnen ist", so Kothgasser wörtlich.
Kirche braucht Zölibat für Zukunft
In dem APA-Interview blickte der Erzbischof auf Höhepunkte wie Schattenseiten seiner Zeit an der Salzach zurück. Er forderte mehr Schwung für innerkirchliche Diskussionen und Reformen, zeigte aber wenig Sympathie für eine Reihe von Forderungen der "Pfarrerinitiative".
Die Formulierung "Aufruf zum Ungehorsam" der Pfarrerinitiative wertet Kothgasser als Provokation und "totalen Widerspruch zu dem, was wir Priester als Gehorsam verstehen".
Kritisch äußerte sich Kothgasser zu einzelnen Anliegen von Reforminitiativen. Eine Aufhebung des Zölibats und die Weihe von Frauen würde den Priestermangel nicht eindämmen: "In der Evangelischen Kirche, die ja all das hat, gibt es trotzdem Not an Pfarrern, und nicht wenige Ehen von Pastoren gehen auseinander."
Das Zeugnis ehelos lebender Priester und Ordensleute dürfe nicht verschwinden, sonst "verlieren wir die Radikalität des Evangeliums. Für die Zukunft der Kirche halte ich diese Lebensform der Ganzhingabe entscheidend."
Nachhaltige Impulse erhoffe er sich vom "Jahr des Glaubens", das an 11. Oktober 2012 beginnt, und von einer vertieften Hinwendung zu den Ergebnissen des Zweiten Vatikanischen Konzils, so der Erzbischof.
Bei innerkirchlichen Reformen wolle er den Fokus auf den Dialog nach innen legen, sagte Kothgasser und verwies in dem Zusammenhang auf den Beginn des II. Vaticanums vor 50 Jahren. Es gelte auf die grundlegenden Fragen des Konzils zurückzukommen: "Was sind wir als Kirche, wie finden wir die Einheit in der Ökumene, wie stehen wir zur Welt von heute, wie ist der Umgang mit Anders- und Nichtgläubigen?" Das Zweite Vatikanische Konzil habe "den Dialog in alle Richtungen angestoßen", hebt Kothgasser hervor.
Allerdings sei der "Dialog nach innen" auch mühsam. "Warum können wir nicht besser miteinander umgehen, damit wir den Dialog mit anderen führen können - das wird ein großes Thema im Jahr des Glaubens sein", so der Erzbischof.
Die derzeit weniger werdenden Priester - schon im nächsten Jahr werden für die 210 Pfarren in der Erzdiözese Salzburg nur mehr rund 110 Priester zur Verfügung stehen - bräuchten bestmögliche Unterstützung durch Laienchristen. Wie in "urchristlichen Zeiten" sollte jeder Gläubige mehr christliche Mitverantwortung übernehmen, sagte der Erzbischof. "Wir brauchen gut ausgebildete Mitarbeiter, Männer und Frauen, als Pfarrhelfer, Pastoralassistenten, Religionslehrer", auch die Pfarrgemeinderäte sollten die Pfarrer für deren Aufgaben bei Sakramentenspendung und Seelsorge möglichst entlasten.
"Ein Problem, mit dem wir unwahrscheinlich ringen", ist nach den Worten Kothgassers der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen: "Einerseits wissen wir: Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen. Andererseits kann es zu Situationen kommen, wo das wirklich zerbrochen ist. Diese Menschen können wir nicht im Regen stehen lassen." Kothgasser plädierte für eine Theologie des Scheiterns, der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit nach dem Vorbild der Ostkirche. Dort bekommen Gläubige, deren Ehen zerbrochen sind, nach Bußzeit und längerer Begleitung wieder Zugang zur Eucharistie.
Erfolge und Enttäuschungen
Insgesamt wertete der Erzbischof sein Wirken in Salzburg gegenüber der APA als "eine sehr erfüllte Zeit". Als positiv nennt er dabei die Befriedung der anfangs "gespaltenen" Erzdiözese oder den Erfolg der "Aktion offener Himmel".
Als negativ vermerkte Kothgasser vor allem die Themen Abtreibungen und Kirchenaustritte: Trotz mehrerer Gespräche mit Landeshauptfrau Gabi Burgstaller habe er nicht verhindern können, dass seit 2005 Abtreibungen an den Salzburger Landeskliniken möglich sind.
Und "schmerzlich" seien "relativ vielen Kirchenaustritte". Zu den Ursachen zählten neben der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung Irritationen wie die Missbrauchsfälle, umstrittene Bischofsernennungen oder persönliche "schlechte Begegnungen mit Vertretern der Kirche".
Nach einem Rezept für mehr Wiedereintritte befragt, antwortete der Erzbischof: "Dass wir als einzelne Christen und Verantwortliche der Kirche gut mit den Menschen umgehen, auf eine offene, sympathische Weise."
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