VATIKANSTADT , 23 October, 2020 / 10:40 AM (CNA Deutsch).-
Ein mexikanischer Fernsehsender hat mitgeteilt und bestätigt, dass sich Papst Franziskus während eines Interviews im Mai 2019 – das nie in seiner Gesamtheit ausgestrahlt wurde – für die Einführung eingetragener Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen hat.
Diese Aussagen wurden demnach – offenbar mit Genehmigung des Vatikans – von Filmemacher Evgeny Afineevsky in seinen Dokumentarfilm "Francesco" eingebettet.
Afineevsky hatte gegenüber der "Catholic News Agency" (CNA) und anderen Journalisten behauptet, der Papst habe seine Forderung nach der Einführung eingetragener Lebenspartnerschaften für homosexuelle Paare direkt ihm gegenüber gemacht. CNA hat neben der Frage nach dem Original-Interview auch analysiert, wie der Filmemacher die Aussagen des Papstes in seiner Dokumentation geschnitten und zitiert hat.
Der mexikanische Fernsehsender "Televisa" teilte am gestrigen Donnerstag mit, dass der Schwerpunkt des Interviews vom Mai 2019 der Missbrauchs- und Vertuschungsskandal der Kirche gewesen sei. Der TV-Sender deutete laut "Associated Press" (AP) auch an, dass er die Aussagen über homosexuelle Partnerschaften nicht als berichtenswert betrachtet habe – denn Franziskus habe bereits vor Jahren ähnliche Aussagen gemacht, in denen er seine Unterstützung solcher eingetragener Partnerschaften angedeutet habe.
Dass der Papst tatsächlich in früheren Aussagen "eingetragene Lebenspartnerschaften" meinte: Das bestätigte am Mittwoch sein als "Tucho" bekannter enger Vertrauter, Erzbischof Victor Manuel Fernandez von La Plata. Gleichzeitig schrieb Fernandez auf Facebook:
Bevor er Papst wurde, habe der damalige Kardinal Bergoglio "immer anerkannt, dass es, ohne es 'Ehe' zu nennen, in der Tat sehr enge Verbindungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts gibt, die an sich keine sexuellen Beziehungen implizieren, sondern eine sehr intensive und stabile Allianz. Sie kennen einander sehr gut, sie teilen viele Jahre lang das gleiche Dach, sie kümmern sich um einander, sie opfern sich füreinander auf. Dann kann es passieren, dass sie es vorziehen, dass sie im Extremfall oder bei Krankheit nicht ihre Angehörigen konsultieren, sondern die Person, die ihre Absichten genau kennt. Und aus dem gleichen Grund ziehen sie es vor, dass es diese Person ist, die ihr gesamtes Vermögen erbt, usw. Dies kann im Gesetz erwogen werden und wird als 'zivile Vereinigung' [unión civil] oder 'Gesetz des zivilen Zusammenlebens' [ley de convivencia civil] bezeichnet, nicht als Ehe".
Der Vatikan, der das vollständige Interview in seinen Archiven hatte, genehmigte laut "Associated Press" offenbar, dass die Aussagen von Papst Franziskus gegenüber "Televisa" jetzt in dem Dokumentarfilm "Francesco" ausgestrahlt werden, der am Mittwoch Premiere hatte.
"Homosexuelle haben ein Recht darauf, Teil der Familie zu sein. Sie sind Kinder Gottes und haben ein Recht auf eine Familie. Niemand sollte hinausgeworfen werden oder deswegen unglücklich gemacht werden", sagt Papst Franziskus in dem Film. In diesem Zusammenhang erörtert der Pontifex die Frage eingetragener Lebenspartnerschaften für homosexuelle Paare: "Was wir brauchen, ist ein Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft. Auf diese Weise sind sie rechtlich abgesichert", sagt der Papst. "Dafür bin ich eingetreten."
Papst Franziskus sprach auch 2017 in dem Interview-Buch "Pape François. Politique et société" des französischen Soziologen Dominique Wolton über das Thema. Wolton sagt darin zu Papst Franziskus, dass Homosexuelle nicht unbedingt einer "Ehe" positiv gegenüberstünden: Einige bevorzugten eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Im Text antwortet Papst Franziskus: "Aber es ist keine Ehe, es ist eine staatliche Vereinigung."
Aufgrund dieser Aussage wurde in einigen Rezensionen, darunter eine in der Jesuiten-Zeitschrift "America", bereits 2017 berichtet, dass der Papst in dem Buch "seine Ablehnung einer Homo-Ehe bekräftigt, aber die eingetragene Lebenspartnerschaft von Menschen gleichen Geschlechts akzeptiert".
Pater Antonio Spadaro, SJ, der das Jesuitenmagazin "La Civiltà Cattolica" verantwortet, sagte am Mittwochabend, dass die Unterstützung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften durch Papst Franziskus "nichts Neues" sei. Spadaro sagte auch, dass aus seiner Sicht dies keine Änderung der katholischen Lehre darstelle.
Trotz zahlreicher Anfragen und Bitten um Klärung von Journalisten an den Heiligen Stuhl in den vergangenen Tagen haben sich bislang weder der Vatikan noch Papst Franziskus zu den Aussagen des Pontifex im Dokumentarfilm "Francesco" über homosexuelle Partnerschaften geäußert, die seit Tagen weltweit für Furore sorgen.
Aufsehen erregten diese indessen unter Bischöfen und zahllosen Katholiken angesichts der Tatsache, dass die Glaubenskongregation des Vatikans, unter der Leitung von Kardinal Joseph Ratzinger und auf Anweisung von Papst Johannes Paul II., im Jahr 2003 zu "Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen" erklärte: "Nach der Lehre der Kirche kann die Achtung gegenüber homosexuellen Personen in keiner Weise zur Billigung des homosexuellen Verhaltens oder zur rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften führen".
Das Gemeinwohl verlange, "dass die Gesetze die eheliche Gemeinschaft als Fundament der Familie, der Grundzelle der Gesellschaft, anerkennen, fördern und schützen", so der Vatikan damals weiter.
Die Erklärung (voller Wortlaut hier) fährt fort: "Die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften oder deren Gleichsetzung mit der Ehe würde bedeuten, nicht nur ein abwegiges Verhalten zu billigen und zu einem Modell in der gegenwärtigen Gesellschaft zu machen, sondern auch grundlegende Werte zu verdunkeln, die zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören. Die Kirche kann nicht anders, als diese Werte zu verteidigen, für das Wohl der Menschen und der ganzen Gesellschaft."
Diese Geschichte wurde mehrfach mit weiteren Einzelheiten aktualisiert. Letztes Update am 23.10.2020 um 10:40 Uhr.