Why Poverty?: Die Armut im Alter
Am Thementag der europäischen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten „Why Poverty?“ befassen auch wir uns ausgiebig mit diesem Thema und fragen danach, woher bei uns diese Armut kommt und was wir tun können. Eine der häufigsten Formen von Armut bei uns ist die Altersarmut. Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwege hat über diese Altersarmut ein Buch geschrieben. Das Domradio in Köln hat ihn gefragt, was genau Armut im Alter bedeutet.
„Man weiß nicht, wie man Strom und Gas bezahlen soll und befürchtet, dass beides abbestellt wird. Man geht nichts in Kino und kann sich nicht leisten, mit Freunden mal eine Kneipe aufzusuchen. Man fährt nicht in Urlaub - über Jahrzehnte hinweg. Und das halte ich in einem so reichen Land wie dem unseren nicht mit dem Grundgesetz für vereinbar, denn da wird sowohl die Würde des Menschen verletzt als auch das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes mit Füßen getreten.“
Immer wieder gibt es Initiativen, dem beizukommen, die jüngste kommt aus der Politik in Deutschland und heißt „Lebensleistungsrente.“ Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um Geräusche des nahenden Wahlkampfes handelt.
„Es ist zumindest der Versuch, Handlung vorzutäuschen; so zu tun, als reagiere man auf ein kaum mehr zu leugnendes Problem. Aber es ist keine wirkliche Lösung des Problems, sondern mehr Augenwischerei. Aber es hat schon damit zu tun, dass man fürchtet, dass das Thema Rente, Altersarmut und mangelnde soziale Gerechtigkeit in unserem Land das zentrale Thema des Bundestagswahlkampfs wird. Das scheuen die etablierten Parteien in der Bundesrepublik. Und ich glaube schon, dass Frau von der Leyen klug genug ist, mit ihrem Konzept wenigstens etwas auf den Tisch zu legen, mit dem man dann sagen kann, wir haben es versucht und nicht einfach zugesehen.“
Gleichzeitig ist es aber sicherlich auch nicht zulässig, heute Rentenversprechen abzugeben, ohne zu wissen, wie man diese dann finanzieren soll.
„Die Höhe der Rente ist sicherlich bestimmt von den finanziellen Möglichkeiten einer Gesellschaft. Aber der Reichtum in Deutschland ist so hoch - das zeigt auch der vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung -, dass auf der einen Seite der private Reichtum bei wenigen konzentriert, auf der anderen Seite nimmt die Armut zu. Die Lösung des Problems sehe ich in einer anderen Verteilung des Reichtums.
Die Altersarmut ist keine Frage der Biologie und der demographischen Entwicklung einer Gesellschaft, sondern die Höhe der Rente ist erstens bestimmt von dem, was an gesellschaftlichem Reichtum erwirtschaftet wird, und zweites wie dieser auch weiterhin wachsende gesellschaftliche Reichtum in der Bundesrepublik verteilt wird. Und wenn das Bruttoinlandsprodukt weiter wächst - was man annehmen kann -, ist für alle genug da. Insbesondere dann, wenn die demographische Entwicklung in die Richtung geht, dass die Bevölkerungszahl so stark abnimmt, wie uns das manche Demographen prognostizieren. Dann wird der Kuchen größer, und die Zahl derjenigen, auf die er verteilt werden muss, wird kleine. Und dann müsste eigentlich für alle ein größeres Stück da sein. Aber leider ist bei uns immer noch die Vorstellung vorhanden, es fehle an Geld. Nein, das Geld ist da, nur befindet es sich in den falschen Taschen. Es muss von oben nach unten verteilt werden.“
Umverteilung: Hier wird es haarig. Denn mit dem Konzept dahinter werden die einen gegen die anderen ausgespielt, vor allem die Jungen gegen die Alten. Dem müsse man ebenfalls entgegen treten, das Ausspielen dürfe nicht Teil der Debatte sein.
„Das passiert vor allem mit dem Schlagwort – ich möchte fast sagen mit dem politischen Kampfbegriff – der Generationengerechtigkeit. Da wird so getan, als teile das Land die soziale Scheidelinie zwischen Jung und alt. Aber es ist natürlich in Wirklichkeit so, dass die soziale Trennlinie in der Bundesrepublik mehr denn je zwischen arm und reich verläuft, und zwar in jeder Generation.
Es gibt auf der einen Seite immer noch sehr viele arme Kinder und Jugendliche, das bleiben die Hauptbetroffenen von Armut, aber es gab auch noch nie so viele reiche Kinder. Sehr viele wohlhabende Eltern verschenken kurz nach der Geburt ihrer Kinder aus steuerlichen Gründen einen Teil ihres Vermögens an das gerade geborene Kind. Und umgekehrt gibt es nicht nur arme vor allem Frauen im Alter, die eine Mini-Rente haben, von der sie nicht leben können, sondern es gibt auf der anderen Seite auch unvorstellbare reiche Alte.
In beiden Generationen findet man arm und reich und deswegen muss nicht zwischen den Generationen umverteilt werden, und sie dürfen auch nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern es muss von oben nach unten umverteilt werden.“