Indien: Für eine Kultur des Lebens, nicht des Tötens
An diesem Donnerstag wird in Saket in Indien Anklage erhoben gegen die Vergewaltiger der Studentin, die vor einigen Tagen den ihr zugefügten Verletzungen erlegen war. Der Fall hatte in ganz Indien zu Protesten geführt, seit nunmehr über zwei Wochen gehen Menschen landesweit auf die Straße. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei ist dabei mindestens ein Mensch zu Tode gekommen. Alle 2.500 beim Gericht zugelassenen Anwälte haben Medienangaben nach die Verteidigung der Angeklagten abgelehnt. Fünf der sechs mutmaßlichen Täter stehen vor Gericht, bei dem sechsten wird noch ermittelt, ob dieser zum Tatzeitpunkt schon volljährig war. Nach indischem Recht kann den Tätern bei einer Verurteilung die Todesstrafe drohen.
Felix Machado ist Bischof von Vasai im Norden von Mumbai. Im Gespräch mit Radio Vatikan weist er darauf hin, dass es sich hier um ein größeres Problem handelt.
„Dieser Fall ist von den Medien ausgeschlachtet worden. Ich will auf keinen Fall die Schwere des Falles herunterspielen, aber ich will doch sagen, dass es viele Fälle dieser Art gibt. Da war zum Beispiel ein Fall in Mumbai, bei dem ein junger Mann umgebracht wurde, der einige Mädchen verteidigen wollte, welche vergewaltigt wurden. Hier hat der Staat nichts unternommen, der Fall wurde sofort vergessen. Der aktuelle Fall, über den so viel berichtet wird, ist so voller Emotionen, dass ich Angst habe, dass wir jetzt irgendwelche Gesetze machen, ohne nachzudenken; Gesetze, die gegen jede Moral sind und auch gegen das, was die Kirche lehrt. Es geht um die Todesstrafe, die es in Indien ja schon gibt, zuletzt wurde sie gegen einen Pakistani im Zusammenhang mit einem Attentat in Mumbai verhängt. Diese Strafe soll nun auch für Vergewaltiger von Frauen und Mädchen eingeführt werden.“
Dabei müsse man sich eher umsehen, warum es überhaupt zu so vielen sexuellen Gewalttaten in Indien komme, so Bischof Machado:
„In Indien wird die Polizei von weiten Teilen der Bevölkerung vergleichsweise wenig respektiert. Dann gibt es die kriminellen Netzwerke und natürlich die Kinder der Reichen – die oftmals von der Polizei gedeckt werden – die diese Art von Verbrechen begehen, ohne in irgendeiner Weise bestraft zu werden. Das alles begünstigt Taten dieser Art.“
Das Gegenmittel dazu seien aber nicht verschärfte Strafen, sondern die Bildung von Menschen in Frauen- und Menschenrechten. Die Todesstrafe richte sich gegen das Leben, man brauche aber genau das Gegenteil.
„In Indien leben die Familien unter dem Druck der Globalisierung, die Kinder haben oft keine Erziehung in Werten oder Ethik. Die Welt dreht sich um den Konsum und einen moralischen Relativismus. Und in diesem speziellen Fall liegt die Schuld nicht nur bei denen, die Gewalt ausüben, sondern auch bei der Gesellschaft, die den Wert des Lebens einer Frau oder eines Mädchens gering schätzt. Die Kirche in Indien hat sich immer gegen die Feinde des Lebens gewandt, und ich denke, dass die Menschen jetzt zugeben werden, dass das richtig war, und selber auch für das Leben eintreten werden.“
(rv 03.01.2012 ord)