Das Priesterleben ist ein einziges Sakrament
Priestererlebnis von Elias Gwambu, Simbabwe
WIEN, 8. Februar 2013 (ZENIT.org, 100Wunder) - Am Tag meiner Priesterweihe sagte ich zu mir selbst: „Willkommen in der Welt des Priestertums.“ Im Priesterseminar pflegte uns ein Professor diese Worte in Erinnerung zu rufen: „Nicht nur hier im Seminar seid Ihr Theologen, sondern auch beim Beten und unter den Menschen.“
Während unserer Studien lernten wir, dass „das wahre Leben“ eine Verheißung Christi, dieses irdische Leben hingegen eher pastoral als theologisch geprägt sei. Als Priester arbeite ich schon seit Jahren in einer Mission in den ländlichen Gebieten Afrikas, irgendwo weitab vom Weltgeschehen. Um manche Dörfer, die von unserer Pfarrei betreut werden, zu erreichen, muss man mehrere hundert Kilometer weit fahren. In diesen Gebieten ist der Boden karg, schwer zu bearbeiten und auf den Straßen trifft man oft auf Elefantenherden, denen man ausweichen muss.
Eines Tages machte ich mich schon in der Dämmerung auf, um eine Gemeinde zu besuchen, die 200 Kilometer von der Missionsstation entfernt war. Da es weder Busse, noch Züge, noch andere Transportmittel gab, nahm ich alle möglichen Menschen, denen ich begegnete und die in die gleiche Richtung unterwegs waren, mit – auch eine schwangere Frau.
Als wir die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, sagte die Frau plötzlich zu mir: „Father, helfen Sie mir! Halten Sie bitte an!“ Die Wehen hatten begonnen. Die Mitreisenden wussten nicht, was sie tun sollten, ich ebenso wenig. Wir stiegen alle aus dem Wagen aus und ich half der Frau, hinter dem Auto das Kind zur Welt zu bringen. Dauernd musste ich sie um Anweisungen bitten, und trotz der Schmerzen half sie mir tapfer. So tat ich alles, was sie sagte, sogar die Nabelschnur trennte ich durch. Ich konnte es kaum glauben: Sie hatte inmitten der ländlichen Einöde ein Kind zur Welt gebracht! Sogleich taufte ich es und gab ihm den Namen Kizito, eines der meistverehrten Heiligen Afrikas. Dann musste ich mich entscheiden, ob ich die Fahrt fortsetzen würde oder nicht, da die Frau Hilfe benötigte. Dabei hatte ich noch 100 km zu bewältigen. Ich entschied mich umzukehren und in das Dorf Binga zu fahren, wo sich das nächstgelegene Krankenhaus befand.
Als wir 50 Kilometer vor Binga waren, kamen wir zu einer Stelle, wo es einen entsetzlichen Unfall gegeben hatte. Was war geschehen? Es war zu einem Zusammenstoß zwischen einem großen und einem kleineren Lastwagen gekommen. Beide Laster waren, wie üblich, mit Fahrgästen vollbesetzt gewesen. Überall hörte man Schreie, Klagerufe und Weinen. Die Menschen hatten Knochenbrüche und Schädelverletzungen erlitten. Der Unfall war sicher schon zwei Tage vorher passiert: Die ganze Zeit über war kein Auto oder Helfer vorbeigekommen. Die Verletzten waren ohne Hilfe dort geblieben und die beiden Fahrer waren tot. Ich war vollkommen durcheinander und vor Aufregung so blockiert, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte.
Als ich eine Frau jammern hörte, regte sich endlich wieder Leben in mir. Als sie mich sah, sagte sie: „Father, Father! Helfen Sie mir!“ Sie trug ein Kind in den Armen, das verletzt und sehr schwach war. Seit zwei Tagen waren sie dort, ohne Wasser, ohne Nahrungsmittel und ohne jede Hilfe. Sie waren die einzigen Überlebenden aus dem größeren der beiden Lastwagen. Ich sah das Kind mit großem Mitleid an und erinnerte mich noch an die Worte meines Professors im Seminar: „Nicht nur in den Schulbänken des Seminars seid Ihr Theologen, sondern auch beim Beten und unter den Menschen.“ Deshalb ging ich schnellstens zu dem Kind, machte das Kreuzzeichen und sagte: „Ich spreche dich los von deinen Sünden. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ Wenige Augenblicke später starb das Kind in den Armen seiner Mutter.
Wir Priester müssen uns immer bewusst sein, dass unser Leben ein einziges Sakrament ist. Es kreist um Christus, der die Sakramente eingesetzt hat.
An diesem Tag hatte ich also ein Neugeborenes getauft und einem sterbenden Kind die Lossprechung gegeben. Ich hatte nicht den Ort erreicht, den ich mir am Morgen zu erreichen vorgenommen hatte, denn Gott brauchte mich woanders: Es gab Verletzte, die ich betreuen, und Sterbende, denen ich die Sakramente spenden sollte. Die Mutter des tödlich verunglückten Kindes überlebte den Unfall, und Kizito ist jetzt groß und geht zur Schule. Jedes Mal, wenn ich die beiden treffe, freue ich mich über das, was jeder Priester in seinen Händen hält und spenden kann: wahres Glück, das Geschenk des Lebens und die Schönheit der Gnade.
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