Der Bund der Liebe und des Lebens
Homilie am 25. Sonntag im Jahreskreis
20. September 2015, Lesejahr B
L1: Weish 2,1a.12.17-20; L2: Jak 3,16-4,3; Ev: Mk 9,30-37
Alle liturgischen Texte finden Sie im Schott-Messbuch online
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn! Liebe Hochzeitsjubilare!
Mit großer Freude sind wir in unserer Pfarrkirche Mühldorf-Niederranna zum Sonntagsgottesdienst versammelt. Wir danken gemeinsam Gott dem Herrn, dem Urheber des Lebens und der Liebe, für alles Gute, das Sie als Ehepaare gemeinsam erleben durften. Von Herzen gratuliert Ihnen die Pfarre Mühldorf zu ihrem Jubiläum, das Sie in diesem Jahr begehen!
Wenn wir nun gemeinsam über das Geschenk des Ehebundes nachdenken wollen, dann soll uns die Weisheit von oben leiten, von der die Lesung aus dem Jakobusbrief spricht. Sie ist ja „erstens heilig, sodann friedlich, freundlich, gehorsam, voll Erbarmen und reich an guten Früchten, sie ist unparteiisch, sie heuchelt nicht.“ (Jak 3,17). Diese Worte gelten auch für all jene Ehen und Familien, in denen der gute Geist herrscht, wo es ein Klima des gegenseitigen Respekts, ja der herzlichen und tatkräftigen Liebe zueinander gibt. Dort, wo wir solche gute Keimzellen der Gesellschaft vorfinden, in denen der Friede Christi herrscht, wird tatsächlich, wie es in der Lesung heißt, „von Gott für die Menschen, die Frieden stiften, die Saat der Gerechtigkeit ausgestreut.“ (Jak 3,18).
Wir feiern gemeinsam den Bund des Lebens und der Liebe, den Sie als Eheleute miteinander geschlossen haben. Dieser Bund dauert fort, und er ist durch Gott selber besiegelt und bestätigt worden. Das, was Sie sich gegenseitig am Altar versprochen haben, ist Wirklichkeit geworden in Ihrem Leben. Die kirchliche Trauung war der Anfang einer auf das ganze Leben ausgerichteten Verbundenheit in ehelicher Liebe.
Worin aber besteht denn das Wesen der ehelichen Liebe? Der große Papst der Familien, der heilige Johannes Paul II., hat schon, bevor er Papst wurde, ein wichtiges Buch verfasst mit dem Titel „Liebe und Verantwortung“. Ich durfte dieses Buch vor einigen Jahren neu übersetzen und herausgeben, da es lange Zeit vergriffen war. Vor wenigen Tagen war ich in Stift Heiligenkreuz und konnte im Rahmen des Stundengangs zur „Theologie des Leibes“ wesentliche Inhalte daraus vorstellen. Karol Wojtyła, wie Johannes Paul II. vorher hieß, hatte nämlich immer schon viel mit jungen Menschen zu tun gehabt, die sich auf die Ehe vorbereiteten. So nahm er Anteil an ihren Freuden und Sorgen. Die Erfahrungen dieser Menschen bilden die Grundlage jenes Buches.
Darin unterscheidet Karol Wojtyła verschiedene Reifestufen der Liebe. Er spricht von der Liebe zwischen Mann und Frau als Wohlgefallen, als Begehren und dann als Wohlwollen. Die Liebe des Wohlgefallens setzt zuerst an bei der äußeren Schönheit und hat mit erotischer Anziehung und emotionaler Zuwendung zu tun. Die Liebe des Begehrens sehnt sich nach der Person des anderen Menschen, die als wertvoll für das eigene Leben erkannt wird. Die Liebe des Wohlwollens erstrebt uneingeschränkt das Gute für die geliebte Person. Von einer solchen Liebe ist die Rede im „Hohelied der Liebe“ des ersten Briefes des Apostel Paulus an die Korinther (1 Kor 13,1-13).
Die bräutlich-eheliche Liebe schließt alle diese Momente in sich ein und geht noch darüber hinaus. Sie ist wesentlich Ganzhingabe füreinander: Beide Ehepartner machen sich gegenseitig zum Geschenk, und sie nehmen sich auch ganz an. Auf diese Weise werden sie „ein Fleisch“, wie es die Heilige Schrift im Buch Genesis (2,24) ausdrückt. Jesus sagt dazu: „Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen!“ (Mt 19,6).
Die eheliche Liebe ist zuinnerst mit dem Geheimnis des Lebens verbunden, und so freuen wir, dass heute auch Ihre Kinder und Enkelkinder mit Ihnen feiern. Kinder bleiben freilich immer ein Geschenk; niemand hat ein Recht auf ein Kind, auch Ehepaare nicht. Wer keine leiblichen Kinder hat oder haben kann, soll dennoch auf geistige Weise Vater oder Mutter sein für andere Menschen, denen wir Gutes tun können.
Das Evangelium dieses Sonntags gipfelt in einer Belehrung Jesu an die Jünger. Sie hatten nämlich darüber gesprochen, wer unter ihnen wohl der Größte sei. Mit einem Beispiel zeigt ihnen Jesus, dass solche Gedanken des Strebens nach Ehre und Macht unter seinen Jüngern nicht von Bedeutung sind. Denn „wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ (Mk 9,35). Ist es nicht auch in der Ehe und in der Familie ähnlich? Hier gilt ja das Gesetz der Liebe, nicht das des Herrschens, und auch dort, wo die Eltern ihre Autorität gegenüber den Kindern ausüben, soll dies ein Dienst der Liebe sein, wodurch die Kinder und jungen Menschen unterstützt und auf den guten Weg geführt werden.
Um dies zu veranschaulichen, stellt Jesus ein Kind in die Mitte und sagt: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.“ (Mk 9,37). Ist dies nicht großartig und wunderbar? Indem wir als Menschen Ja sagen zu Kindern, Ja zum menschlichen Leben in seiner Kleinheit und Verletzlichkeit, nehmen wir den Herrn selber auf, der um unseres Heiles willen ein Kind geworden ist!
So hat auch in Ihrem ehelichen und familiären Leben Jesus Christus Wohnung genommen, indem Sie offen und bereit waren für die Kinder, die Gott Ihnen schenken wollte. Ihnen sind diese Menschen anvertraut, und als Eltern sollen Sie für sie da sein in hingebungsvoller Liebe. So hat sich Ihre gegenseitige Liebe als Eheleute in den Kindern erweitert und fortgesetzt. Wie weise hat es doch der Schöpfergott eingerichtet, dass er die Ehegatten im Akt der Liebe zu Mitarbeitern seines Schöpfungswirkens gemacht hat. Jedes Kind, das Ihnen geschenkt wurde, hat Gott selbst bei seinem Namen gerufen; in der Taufe sind Ihre Kinder auch zu Kindern Gottes geworden.
Wir alle sollen einmal gemeinsam teilhaben an jener Herrlichkeit und Freude des Himmelreiches, die uns Jesus Christus, der Sohn Gottes, schenken will. So wünschen wir heute, dass Sie als Ehepaar in Liebe gemeinsam und im Kreis Ihrer Kinder und Enkelkinder ein gesegnetes Alter erreichen und einst auf die Fürbitte der Gottesmutter Maria und des heiligen Josef eingehen dürfen in das Reich des Himmels. Dieses Reich vergleicht unser Herr Jesus Christus mit einem Hochzeitssaal, in dem es im Angesichte Gottes nur Freude und Jubel gibt in Ewigkeit.
Amen.
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