VATIKANSTADT
Vatikanische Mysterien
Die Kurie leidet unter drakonischen Maßnahmen. Die Medienwerker des Vatikans arbeiten eifrig daran, den Papst zum obersten Religionsführer und Anwalt für Brüderlichkeit und Humanität in der Welt hochzustilisieren. Ein
20. März 2021
Papst Franziskus
Franziskus mag sich einer globalen Mission verpflichtet sehen. Aber im Vatikan scheint es drunter und drüber zu gehen. Foto: Tiziana Fabi (Pool AFP/AP)
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Die Kirche habe nicht die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen. Dies hat die Glaubenskongregation in einem Schreiben bekräftigt.
Ein Schreiben aus der ersten Sektion des Staatssekretariats ordnet an, dass Priester morgens früh im Petersdom keine Privatmessen mehr feiern dürfen, sondern in Gruppen - mit Lektoren und Kantoren - zelebrieren sollen. Messen im außerordentlichen Ritus werden in eine Kapelle in den Papstgrotten verbannt. Das mit einer Kürzel gezeichnete Dekret trägt keine Protokollnummer und richtet sich an den falschen Adressaten: nicht an den zuständigen Erzpriester der Basilika, sondern den kommissarischen Leiter der Dombauhütte. Für Kardinal Raymond Leo Burke, einst Präsident der Signatur des obersten Vatikangerichts, ist es formal wie inhaltlich falsch. Priester hätten ein Recht auf private Messen.
Der vatikanische Medienapparat schweigt
Ein weiteres Unikum: Zunächst geisterten Gerüchte durch die Medien, die vatikanische Gottesdienstkongregation werde visitiert. Dann hieß es, seit vergangenem Monat schaue sich der für Liturgiefragen verantwortliche Bischof der Italienischen Bischofskonferenz, Claudio Maniago, Arbeit und Organisation des Dikasteriums genauer an. Tatsächlich hat Kardinal Robert Sarah, als Papst Franziskus am 20. Februar seinen Rücktritt als Präfekt angenommen hat, keinen Nachfolger erhalten. Das ist sonst immer so. Und eine Visitation einer römischen Kongregation hat es noch nie gegeben.
Zu beiden Merkwürdigkeiten schweigt der vatikanische Medienapparat. Auch zu der inzwischen schon skandalösen Tatsache, dass niemand weiß, warum Kardinal Angelo Becciu vom Papst unsanft als Präfekt der Heiligsprechungen abgesetzt und zum Sündenbock erklärt wurde. "In dubio pro reo", hieß es früher und inzwischen bezweifeln viele, dass Becciu sich Schwerwiegendes hat zu Schulden kommen lassen. Ein Prozess ist nicht in Sicht. Die Medienwerker des Vatikans arbeiten eifrig daran, den Papst zum obersten Religionsführer und Anwalt für Brüderlichkeit und Humanität in der Welt hochzustilisieren. Franziskus mag sich einer globalen Mission verpflichtet sehen. Aber im Vatikan scheint es drunter und drüber zu gehen. Weder brüderlich noch human, eher wie in einem Obristenregime.
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