Virusvariante P.1 explodiert
Brasilien steht vor dem Corona-Kollaps und wird zur globalen Bedrohung
Coronavirus - Brasilien
© dpa, Andre Borges, axs
25. März 2021 - 11:18 Uhr
Mehr als 300.00 Menschen starben an der Brasilien-Mutation
Brasiliens Gesundheitssystem steht kurz vor dem Zusammenbruch. Es ist nach den USA das von der Corona-Pandemie am zweitstärksten betroffene Land. Mehr als zwölf Millionen Menschen haben sich infiziert, mehr als 300.000 sind schon gestorben. Die Proteste gegen Präsident Bolsonaro werden lauter. Die Ursache: Die vermutlich hochansteckende Virusvariante P.1 breitet sich weiter aus. Gleichzeitig hat die Impfkampagne mit großen Problemen zu kämpfen. Und ein zunehmend unberechenbarer Präsident will inmitten all des Chaos sogar bestehende Corona-Maßnahmen kippen. Forscher warnen angesichts all dessen bereits vor Brasilien als globaler Bedrohung.
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Besonders Jüngere sind von der Variante P.1 betroffen
Sorge bereitet vor allem die Virusvariante P.1, die vermutlich ihren Ursprung in Manaus im Amazonasgebiet hatte und sich nun in Brasilien ausbreitet. Sie wird auch als B.1.1.28 oder 20J/501Y.V3 bezeichnet. Laut einer Analyse der brasilianischen Gesundheitsorganisation Fiocruz machte sie Anfang März in acht Bundesstaaten bereits die Hälfte der neuen Fälle aus.
Die Variante wurde inzwischen auch in vielen anderen Ländern nachgewiesen, auch in Deutschland. Sie muss nicht tödlicher sein. Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Astrazeneca wirken einer Studie zufolge besser gegen sie als zunächst angenommen. Aber durch die vielen Infizierten sind die Krankenhäuser voll. Mancherorts können Patienten kaum noch versorgt werden. Brasiliens Gesundheitssystem ist dabei, zu kollabieren - oder vielerorts bereits zusammengebrochen.
Betroffen ist nicht nur die abgelegene Amazonas-Metropole Manaus, sondern insbesondere auch der Süden und Südosten: São Paulo, Brasiliens reichste Stadt, und der Bundesstaat Rio Grande do Sulvon, der von deutschen Einwanderern geprägt wurde. In 24 von 26 Bundesstaaten sowie im Hauptstadtdistrikt Brasília ist die Lage auf den Intensivstationen in "kritischem Zustand". Hunderte warten auf ein Bett oder sterben in der Schlange. Medikamente und Sauerstoff fehlen. Jüngere sind besonders betroffen.
Bolsonaro spielt die Lage weiter herunter
Das Problem: Brasilien ist im Kampf gegen die Pandemie derzeit so schlecht aufgestellt wie kaum ein anderes Land. Mit dem Rechtspopulisten Jair Bolsonaro regiert ein Präsident, der das Coronavirus immerzu verharmlost. Zuletzt wollte Bolsonaro sogar Maßnahmen einiger Bundesstaaten zur Eindämmung des Virus kippen - wie etwa Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Begründung: Den Gouverneuren fehle die Kompetenz für diese Entscheidungen.
Auch eine Impfung zieht Bolsonaro in Zweifel und torpediert den Kauf oder die Produktion von Impfstoffen. So hat die landesweite Impfkampagne erst im Januar begonnen und musste immer wieder unterbrochen werden, weil Impfstoff fehlte. Inzwischen wurden in Brasilien zwar mehr als 10 Millionen Menschen geimpft, aber das Land hat 210 Millionen Einwohner
Experte: Wir sind alle in Gefahr
Die Virusvariante P.1 bringt untere anderem zwei gefährliche Anpassungen mit sich: die N501Y- sowie die E484K-Mutation. Laut einer Studie soll sie um bis zu 152 Prozent ansteckender sein als der Wildtyp von Sars-CoV-2 - und damit sogar die derzeit in Europa grassierende Variante B.1.1.7 in den Schatten stellen. Auch könnten Mutationen es P.1 ermöglichen, der Immunabwehr von Genesenen erfolgreich auszuweichen, worauf auch eine andere Studie brasilianischer und britischer Forscher Hinweise gefunden hat. Eric Feigl-Ding, Epidemiologe und Gesundheitsökonom der Federation of American Scientists, warnte daher auf Twitter: "Wenn das ansteckendere P.1 [Virus] weltweit außer Kontrolle gerät, sind wir alle in Gefahr."
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