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Teile der Elite könnten sich von Putin abwenden"

#1 von anne ( Gast ) , 23.04.2022 14:21

Teile der Elite könnten sich von Putin abwenden"

Von Miriam Hollstein

22.04.2022, 12:53 Uhr
Ukraine-Krieg – Putin unter Druck: "Teile der Elite könnten sich abwenden". Wladimir Putin: Wie steht die russische Bevölkerung zum Kurs ihres Präsidenten? (Quelle: imago images/Sputnik/Mikhail Klimentyev/Kremlin)

Wladimir Putin: Wie steht die russische Bevölkerung zum Kurs ihres Präsidenten? (Quelle: Sputnik/Mikhail Klimentyev/Kremlin/imago images)

Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) forscht seit Jahrzehnten zur russischen Außenpolitik und Osteuropa. Im Interview erklärt sie, warum die Stimmung in Russland kippen könnte und welche Lehren die Bundesregierung ziehen muss.

t-online: Seit knapp zwei Monaten herrscht Krieg in der Ukraine. Fast täglich gibt es neue Schreckensbilder von ermordeten Zivilsten und Zivilistinnen, zerbombten Krankenhäusern, zerstörten Wohnhäusern. Wie kann es sein, dass davon nichts bei der russischen Gesellschaft ankommt?

Sabine Fischer: In den ersten Kriegstagen gab es durchaus eine Antikriegsbewegung in Russland. Aber das Regime hat es geschafft, diese innerhalb weniger Tage auszuschalten. Über 15.000 Menschen wurden vorübergehend festgenommen, die wenigen noch vorhandenen unabhängigen Medien zerschlagen, jede kritische Berichterstattung über die Ukraine mit Gesetzen unterbunden, die etwa für von der offiziellen Linie abweichende, kritische Äußerungen über die sogenannte militärische Spezialoperation Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren vorsehen. Hunderttausende, die gegen den Krieg sind oder die Politik Putins kritisch sehen, haben das Land verlassen. Das nimmt Druck weg vom Regime.
Die Chronologie des Krieges

Mehrere Wochen dauert der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nun schon an. Mit jedem Tag steigt die Anzahl der Toten, Vertriebenen und zerstörten Ortschaften. Ein Überblick über die Geschehnisse seit Beginn der Invasion. Im Foto: Eine Frau weint am Tor ihres Hauses im ostukrainischen Dorf Andrijiwka, das von den Kämpfen zwischen den russischen und ukrainischen Streitkräften schwer getroffen wurde. (Quelle: AP/dpa/Vadim Ghirda)
21. Februar: Russlands Präsident Wladimir Putin erkennt die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten an. Tags darauf stimmt das russische Parlament zu. Soldaten sollen in die Separatistengebiete entsandt werden. (Quelle: imago images/Xinhua)
22. Februar: Die EU nimmt mit Strafmaßnahmen vor allem den russischen Finanzsektor ins Visier. Die deutsche Bundesregierung legt die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 auf Eis. Im Bild: Proteste vor der russischen Botschaft in Kiew. (Quelle: imago images/ZUMA Wire)
23. Februar: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigt eine Teilmobilmachung und den Ausnahmezustand für 30 Tage an. Die Separatisten in der Ostukraine bitten den Kreml um Militärhilfe. (Quelle: imago images/ ZUMA Wire)
24. Februar: Russland greift die Ukraine an. Die Nato aktiviert Verteidigungspläne für Osteuropa, schließt aber eine militärische Unterstützung der Ukraine aus. Abgebildet: Schäden an einem Wohnhaus in Charkiw. (Quelle: imago images/NurPhoto)
25. Februar: Russlands Armee dringt bis vor die Hauptstadt Kiew vor. Eine gegen Russland gerichtete Resolution im UN-Sicherheitsrat scheitert wegen des Vetos aus Moskau. China enthält sich. (Quelle: imago images/ZUMA Wire)
26. Februar: Deutschland liefert nun doch Waffen aus den Beständen der Bundeswehr an die Ukraine. Russische Geldhäuser sollen aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen werden. Im Bild: Mahnwache zum Ukraine-Konflikt vor der Russischen Botschaft in Berlin. (Quelle: dpa/Annette Riedl)
27. Februar: Bundeskanzler Olaf Scholz kündigt 100 Milliarden Euro an, um die Bundeswehr aufzurüsten. Der EU-Luftraum ist für russische Flieger gesperrt. Putin versetzt die Abschreckungswaffen der Atommacht in Bereitschaft. Abgebildet: Demonstration für Frieden in Berlin. (Quelle: imago images/IPON)
28. Februar: Moskau und Kiew sprechen erstmals seit Beginn des Krieges miteinander – ergebnislos. Russland wird von Fußball-Wettbewerben ausgeschlossen, Sanktionen im Sport folgen. Abgebildet: Anti-Kriegs-Protest in Moskau. (Quelle: imago images/NurPhoto)
Foto-Serie mit 61 Bildern

Laut Umfragen steht eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung hinter Putins Politik.

Die Umfragen sind problematisch, denn sie finden in einem diktatorischen Kontext statt. Es gibt eine unzufriedene Minderheit im Land, die aber massiv unterdrückt wird und um ihre Sicherheit und Existenz fürchten muss, weshalb sie schweigt. Die Mehrheit zerfällt in einen harten Kern, der Putins Kriegspolitik militant unterstützt, und einen nicht unbeträchtlichen Anteil von Menschen, die sich von allem zurückgezogen haben, was mit Politik zu tun hat, um nicht mit dem zunehmend repressiver agierenden Staat in Konflikt zu geraten.

Eine Frau protestiert am 24. Februar in Moskau gegen den Krieg: Inzwischen sind solche Demonstrationen nicht mehr möglich. (Quelle: imago images/Sergei Karpukhin/TASS)Eine Frau protestiert am 24. Februar in Moskau gegen den Krieg: Inzwischen sind solche Demonstrationen nicht mehr möglich. (Quelle: Sergei Karpukhin/TASS/imago images)

Inzwischen müssten auch Auswirkungen der Sanktionen spürbar sein; Russland ist international weitgehend isoliert. Rechnen Sie damit, dass der Rückhalt für Putin bröckelt?
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Mit solchen Prognosen muss man vorsichtig sein. Mein Eindruck ist aber, dass der Druck auf Russland so stark ist wie noch nie. Ein Großteil der Bevölkerung wird in den nächsten Monaten und wahrscheinlich Jahren enorm unter der wirtschaftlichen Situation zu leiden haben. Je länger der Krieg dauert, umso schwieriger wird es für die staatliche Propaganda, das positive Bild von der "Spezialoperation" aufrecht zu erhalten und die russischen Verluste zu vertuschen. Dann kann der innenpolitische Druck zunehmen. Ich halte es deshalb durchaus für möglich, dass es mittelfristig dann zu einer Destabilisierung des Regimes kommt.

Wie könnte die aussehen?

Da gibt es verschiedene Szenarien: Teile der Eliten könnten sich so in ihren Interessen bedroht sehen, dass sie sich von Putin abwenden oder auch mit jenen in der Bevölkerung verbinden, die dann doch auf die Straße gehen, wenn sich die Situation drastisch verschlechtert. Auch regionale Abspaltungstendenzen könnten neuen Auftrieb bekommen, zum Beispiel im Nordkaukasus.

Das russische Regime macht für den Konflikt auch immer wieder die Nato verantwortlich. Diese habe mit ihrer Osterweiterung Russland in seinem fundamentalen Sicherheitsgefühl erschüttert, behauptet der Kreml und erhält dafür bis heute auch in Teilen der deutschen Bevölkerung Zustimmung.

Das ist eine instrumentalisierte Erzählung, die die Realität schlicht verkehrt. Die russische Lesart geht so: Die russische politische Elite sieht sich schon lange in einem Krieg mit dem Westen, insbesondere den USA. Sie ist von dem Glauben beherrscht, die USA, der Westen wollte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine unipolare Weltordnung errichten und Russland unterwerfen. Russland beansprucht aber für sich die Position einer Großmacht in einer multipolaren Welt, in der kleinere Staaten – wie die Ukraine – bestenfalls eingeschränkte Souveränitätsrechte haben.

Diese Sichtweise Moskaus betrifft alle Staaten in Russlands unmittelbarer Nachbarschaft. Die Ukraine wurde aus Moskauer Perspektive zunehmend zum Problem, weil sie aus dem russischen Einflussbereich hinausstrebte. Hinter den ukrainischen demokratischen und pro-europäischen Ambitionen vermutete die russische politische Führung schon immer eine westliche Verschwörung – gegen sich selbst. Diese Lesart gipfelt nun im Narrativ über den "ukrainischen Faschismus", gegen den sich Russland nun militärisch "zur Wehr setzt".

Die Politologin Sabine Fischer forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zu Russland und Osteuropa. (Quelle: privat)Die Politologin Sabine Fischer forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zu Russland und Osteuropa. (Quelle: privat)

Putin rechtfertig seinen Einmarsch mit der Erzählung von der großrussischen Einheit und der besonderen Rolle, die die Ukraine historisch darin spielt.

Richtig ist, dass beide Gesellschaften historisch eng miteinander verbunden sind. Bis heute haben viele Russen Verwandte in der Ukraine und umgekehrt. In seinem neoimperialistischen Streben hat Putin nun versucht, in pseudowissenschaftlichen Ergüssen nachzuweisen, dass die Ukraine als Staat nie existiert habe. Er blendet dabei völlig die ukrainische Unabhängigkeitsbewegung aus, die weit bis ins 19. Jahrhundert reicht. Er blendet die kurze staatliche Unabhängigkeit der Ukraine nach der Oktoberrevolution 1917 aus. Und er ignoriert komplett die postsowjetische Geschichte der Ukraine, in der die ukrainische Gesellschaft eine starke eigene Identität entwickelt hat.

Einerseits hat Putin stets betont, die Ukrainer seien ein Brudervolk, andererseits stellt er sie als die größte Bedrohung Russlands dar. Wie passt das zusammen?

Das passt nur zusammen, wenn behauptet wird, dass sich in Kiew eine vom Westen kontrollierte "faschistische Junta" festgesetzt habe, die das ukrainische Volk unterdrücke. Das war die zentrale Legitimationserzählung Moskaus zu Beginn des Krieges. Diese geriet ins Schwanken, weil die russische Armee auf den breiten Widerstand der gesamten ukrainischen Gesellschaft stieß. Jetzt wird in den staatlich kontrollierten Medien in Russland hin und wieder gesagt, dass sich die "Entnazifizierung" gegen die gesamte ukrainische Bevölkerung richten muss. Das ist sehr beunruhigend.

Auffällig ist, dass Putin und seine Strategen den Widerstand in der Ukraine völlig falsch eingeschätzt haben. Warum?

Da kommen mehrere Dinge zusammen. Geopolitisches Großmachtdenken, das mit starker Arroganz einhergeht: Obwohl die Ukraine einer der größten Staaten in Europa ist, sieht die russische politische Elite sie nur als Einflusszone. Das verstellt für vieles den Blick. Die politischen Kontakte zwischen Russland und der Ukraine verschlechterten sich schon nach der Orangenen Revolution 2004; nach der Annexion der Krim und dem Beginn des Krieges im Donbass 2014 brachen sie ab

anne

   

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Danke für Ihr Reinschauen und herzliche Grüße...
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