"Christus Vincit" – Christus siegt: Weihbischof Athanasius Schneider über Kirche und Krise
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Aus drei großen Gesprächszyklen, die zwischen Mai 2018 und März 2019 stattfanden, entstand auf über 460 Seiten das erste große Interviewbuch zwischen Diane Montagna und Weihbischof Athanasius Schneider. Er selbst versah es mit dem Titel "Christus VINCIT" und widmete es "Dem Unbefleckten Herzen Mariens, der Mutter Gottes und Mutter der Kirche". Es wurde geschrieben für:
"alle Kleinen in der streitenden Kirche unserer Tage, die als Bischöfe, Priester, Ordensleute, Familienväter und Familienmütter, junge Leute und Kinder in den vergangenen Jahrzehnten an den Rand gedrängt, gedemütigt und bestraft wurden – allein aufgrund ihrer unerschütterlichen Treue zur Unversehrtheit des Glaubens und der Liturgie der heiligen Messe."
Das Buch ist in vier großen Themenbereiche unterteilt, die man kurz Gott, Welt, Kirche und Eucharistie nennen könnte. Ausführlich nimmt Weihbischof Schneider, der als junger Mann Kartäuser werden wollte, zu den Fragen von Diane Montagna Stellung und antwortet als guter Hirte und als Theologe der Kirche meistens knapp, prägnant und verständlich.
Die Autorin Montagna ist vom Fach: Sie studierte Theologie am ITI (Gaming, heute Trumau), wo sie das Lizenziat in Theologie erwarb. Als Journalistin arbeitete sie unter anderem für den Osservatore Romano und für Aleteia; zuletzt war sie Rom-Korrespondentin für LifeSiteNews.
Im Gespräch wird vor allem deutlich: Der Weihbischof ist im wahrsten Sinne des Wortes Seel(en)sorger; einer, der von Gott dafür bestellt und durch Gnade gesalbt, die Seelen zu Christus führen möchte. Seine Ausführungen dienen der Einordnung des katholischen Glaubens und der Erfüllung seines missionarischen Auftrags, die Gläubigen zu stärken und zu Christus zu führen. Man merkt: Er will in einer Zeit Hoffnung verbreiten, in der die Kirche mehr denn je von innen als von außen in die Gefahr gerät, ihren Glaubenskompass zu verlieren und sich selbst überflüssig zu machen.
"Auch heute tragen die gläubigen Laien – die 'Kleinen' – mit ihrem einfachen und reinen Glauben die Kirche auf ihren Schultern."
Alle derzeitigen "Baustellen" der Kirche kommen zur Sprache. Es gibt kein Ausweichen oder herumlaborieren, stattdessen wird in einer klaren und eindeutigen Sprache das aus seiner Sicht Notwendige ausgesprochen. Es gibt keine Zweideutigkeiten, aber wohl differenzierte Einschätzungen. Zum Beispiel zur Frage nach einer Reform der liturgischen Reform. Montagna fragt Schneider:
Meinen Sie, dass es reicht, [Elemente aus der Alten Messe, dem sog. Außerordentlichen Ritus] in die neue Messe einzufügen, oder glauben Sie, dass der Novus Ordo irgendwann ganz abgeschafft werden sollte?
"Ja, ich glaube, dass es beide Formen der Messe noch für eine geraume Zeit nebeneinander geben wird. Die neue Messe wird sich im Lauf der Zeit in organischen Schritten immer stärker der alten Messe annähern, sie wird nicht völlig identisch werden, aber ihr doch sehr nahekommen. Wir werden dann also wieder einen römischen Ritus mit lediglich einigen kleineren Unterschieden haben: den römischen Ritus des usus antiquior und den römischen Ritus des jüngeren Gebrauchs. Wir hatten ja vor dem Konzil mehrere Variationen des römischen Ritus, beispielsweise den liturgischen Brauch der Diözese von Lyon, von Braga, der einzelnen Orden - der Karmeliten, der Kartäuser, der Dominikaner. Nichts spricht gegen ein Nebeneinander ähnlicher liturgischer Formen oder Bräuche in derselben Ritenfamilie. Es könnte eine Bereicherung sein".
Was aber würde Schneider zur Coronavirus-Krise sagen? Nachdem diese erst nach der Überarbeitung seines Manuskriptes eintrat, hat der Rezensent sich direkt beim Weihbischof erkundigt. Am 8. Juli 2020 antwortete Schneider mit dem Hinweis, dass eine objektive Analyse des Ursprungs von Covid-19 noch aussteht: "Man muss zumindest eine ruhige und sachliche wissenschaftliche und politische Debatte über die Ursachen, die Ansteckungsgefahr und die Sterblichkeitsrate von Covid-19 eröffnen". Gleichzeitig warnt der Weihbischof vor jeder Form von Freiheitseinschränkung und eine "offensichtliche und wachsende Kontrolle des Staates über das Privatleben der Bürger", unterstützt von einer alarmierenden Berichterstattung in der Presse.
"Die Reaktion und der Umgang der Mehrheit der Bischöfe mit der Situation der Coronavirus-Epidemie zeigte, dass sie dem sterblichen Körper mehr Bedeutung beimessen als der unsterblichen Seele der Menschen, wobei sie die Worte unseres Herrn vergaßen: 'Was nützt der Mensch, um die ganze Welt zu gewinnen und seine Seele zu verlieren?' (Mk 8,36)", kritisierte Schneider.
"Viele dieser Bischöfe, die jetzt versuchen (manchmal mit unverhältnismäßigen Maßnahmen), die Körper ihrer Gläubigen vor einer Ansteckung ein materielles Virus zu schützen, haben zugelassen, dass sich das giftige Virus der häretischen Lehren und Praktiken in ihrer Herde ausbreitet."
Der Weihbischof scheut sich auch nicht vor einer Prognose der weiteren Entwicklung.
"Ich glaube, dass die Kirche in Zukunft was die Anzahl ihrer Mitglieder und den direkten sozialen Einfluss betrifft, abnehmen wird. Sie wird von der Welt noch mehr verachtet und diskriminiert. Ich schließe nicht aus, dass die Kirche in Zukunft teilweise oder in bestimmten Regionen ein halbgeheimes kirchliches Leben nach Art einer Untergrundkirche führen wird. In einer solchen Situation wird Gott besondere Gnaden der Glaubensstärke, der Reinheit des Lebens und der Schönheit der Liturgie ausgiessen. Vor allem glaube ich, dass Gott in einer solchen Situation seiner Kirche wieder mutige Päpste, Bekenner des Glaubens und vielleicht sogar Märtyrer geben wird", so Schneider.
Es ist dieser direkte Ton, der dennoch differenzieren und pastorale Realitäten einordnen kann, der auch die Gespräche in "Christus Vincit" prägt.
So verwirft Weihbischof Schneider auch nicht einfach alles, was mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnen und in den letzten fünf Jahrzehnten in der Kirche geschehen ist. Er benennt die Fehler und die Missstände – und erinnert dabei an den heiligen Thomas von Aquin. Dieser habe viel von Aristoteles übernommen, obwohl dieser nicht perfekt gewesen sei; er übernahm von ihm nicht alles, zitierte ihn aber häufig: "Dieses Prinzip gilt umso mehr für jene kirchlichen Dokumente, die unter Umständen manche Unvollkommenheiten enthalten".
"Der religiöse Relativismus und die Indifferenz der zufolge Gott positiv die Verschiedenheit der Religionen will, beinhaltet letztlich die Ablehnung des feierlichen und verbindlichen göttlichen Gebots Christi, den Menschen ausnahmslos aller Nationen und Religionen das Evangelium zu predigen."
Athanasius Schneider fordert einen Aufruf zur Heiligkeit, wie er "im Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert" wurde. Es müsse ein "tiefes, ernsthaftes Streben nach Heiligkeit im Alltag" gefördert werden. Dazu bedarf es heiliger Hirten und eifriger Gläubiger. "Der Pfad der Neuevangelisierung" soll nicht akademisch und abstrakt gestaltet werden. Vielmehr verweist er auf die die gegenseitige Beziehung zwischen "lex orandi", "lex credendi" und "lex vivendi" – Beten, Glauben, Leben. Die Gnade ist die Frucht der Sakramente und unabdingbare Voraussetzung für christliches Handeln. Die Teilnahme an der Liturgie der Kirche erfordert den Glauben. Der Glaube muss sich im jeweiligen Leben zeigen; sonst ist er tot und fruchtlos für das ewige Leben.