Exorzismen, Besessenheit und Befreiung
2012-10-31
Exorzismen, Besessenheit und Befreiung: "Um was geht es dabei? Wie wird dies durchgeführt?", Vortrag von Pater Joseph Iannuzzi während der Einkehrtage in Rhodox, Griechenland - September 2012
Es ist traditionell christliche Lehre, dass ein Grund für die Erschaffung des Menschen war, dass Gott seine Herrlichkeit an ein irdisch erschaffenes Wesen weitergeben wollte, und dieses – gleich dem Höchsten – aus dem Erdenstaub heraus zu vergöttlichen. Also erschuf Gott den Menschen aus dem Erdenstaub nach Seinem Bild, und der Mensch war in Ewigkeit dazu bestimmt, an Herrlichkeit alle anderen Geschöpfe zu übertreffen, einschließlich der Engel selbst, über „die wir richten werden“, wie Paulus versichert (1Kor. 6,3). Von dem Augenblick an machte sich Satan, ergriffen von eifersüchtiger Wut, daran, die Menschheit zu zerstören, und wollte selbst die Gleichheit mit Gott ergattern. Deswegen ließ Satan nie davon ab, seine Freiheit zu nutzen, den Menschen auf die Probe zu stellen und ihn in Versuchung zu führen, zu fallen.
Leider glaubt die Welt heute nicht an die Existenz Satans als eines bösen Geistes oder an irgendwelche anderen bösen Geister, noch glaubt sie an andere dunkle Mächte, die Gottes Schöpfung heimsuchen. Aber Jesus warnte uns durch seine prophetischen Botschaften innerhalb der WLIG-Botschaften, dass der neueste Trick Satans darin besteht, die Leute glauben zu machen, dass er nicht existiere und die Hölle kein wirklicher Ort sei. Weil heute viele Christen sich nicht bewusst sind der Gegenwart Satans und böser Geister, die körperliche Erkrankungen, psychische und geistige Störungen hervorrufen können, ist die Wirkung dieser bösen Geister so machtvoll. Denn indem wir die Wirklichkeit des Bösen in der heutigen Welt ignorieren, lassen wir Satan und seinen gefallenen Engeln ihren Bewegungsspielraum, ohne dass sie entdeckt und behindert werden.
Viele Christen sind sich nicht bewusst, dass sie Träger eines oder mehrerer Dämonen sein können. Sie können sich gar nicht vorstellen, dass irgendeine physische oder psychische Krankheit, an der sie leiden, von bösen Geistern verursacht sein könnte, die sich in ihnen niedergelassen haben. Viele emotionale Störungen, Neurosen, Ängste, Kopfschmerzen, Asthma, Tumore, Allergien und andere psychosomatische Krankheiten sind häufig von einem Dämon verursacht, der sich in der Seele eingenistet und ihre körperlichen Fähigkeiten befallen hat. Es ist beklagenswert, dass einige christliche Kirchen den Brauch der Dämonenaustreibung aus Menschen und Orten eingestellt haben und Exorzismen sogar als überholt und geschmacklos ansehen!
Und doch lesen wir im ersten Brief Johannes 3,8: „Christus kam (auf die Erde) um die Werke des Teufels zu zerstören.” Erinnern wir uns daran, dass Satan Eva und Adam versuchte, die Erbsünde das Menschengeschlecht infiziert und die Menschheit buchstäblich der Schönheit des Paradieses beraubt hat. Die „vor-natürlichen“ Gaben, die Adam und Eva im Garten Eden besaßen, gingen verloren, einschließlich das „Unbeflecktsein“ (Immunität gegen die Begehrlichkeit), die unmittelbar von Gott gegebene Erkenntnis Seiner und der materiellen Ordnung um Ihn herum, und die „Unsterblichkeit”. Als Folge der Erbsünde wuchsen Disteln, wurden Tiere wild, wurden Planeten zu ausgebrannter in der Weite des Raumes herumschwebender Schlacke; Eiszeiten, Überschwemmungen, Naturkatastrophen, Krankheiten, Leiden und Tod beherrschen jetzt diesen großartigen, einst makellosen Kosmos. Das ist der gegenwärtige Zustand der Dinge.
Dass die Erbsünde uns durch unsere ersten Voreltern übertragen wird, ist Teil der frühen Tradition der Kirche. In seinem Brief an die Römer stellt Paulus deutlich fest: „Der Tode gelangte zu allen Menschen, weil alle gesündigt haben“ (Römer 5,12) Obwohl wir alle mit der Erbsünde empfangen wurden, tragen wir nicht die Schuld von Adam und Eva. Wir werden wegen der Ursünde nicht bestraft, aber gereinigt - dies geschieht in der Taufe. Allerdings stellt das Konzil von Trient fest, dass in den Getauften auch nach der Taufe die Neigung zur Sünde verbleibt.
Trotz Christi Leid, Tod und Auferstehung, die uns das Sakrament der Taufe erworben haben, sind wir Christen in unserem Intellekt und Gedächtnis (in Abhängigkeit allein von unserem Willen) dem Einfluss Satans, des Dämonenfürsten, unterworfen. Aus genau diesem Grunde sagt Jesus seinen Jüngern im Mathäusevangelium 10,7-8, „Treibt Dämonen aus”. In Markus 16,17 fügt Jesus hinzu: „Denen, die glauben, werden diese Zeichen folgen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben...”
In der Heiligen Schrift wird über eintausend Mal Bezug auf den Teufel genommen. Von diesen tausend Stellen kommen 568 aus dem Neuen Testament! Wenn in der Schrift den Handlungen Satans in der Welt so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, wie kommt es dann, dass heute seine Austreibung so wenig Aufmerksamkeit erfährt? Zum Teil liegt die Antwort im geschichtlichen Niedergang der Dämonologie der Kirche. Schauen wir uns kurz die Kirchengeschichte an, um zu sehen, wie es zu dieser Änderung kam.
Die 7 geschichtlichen Epochen der Kirche
Zur Zeit Christi und der Apostel war das Austreiben von Dämonen ein integraler Bestandteil des apostolischen Auftrags. Die Apostel interpretierten das Gebot des Herrn wörtlich: „In Meinem Namen werdet ihr Dämonen austreiben.” Die Apostel trieben Dämonen im Namen Jesu mit einem direkten feierlichen Befehl aus.
Warum ein feierlicher Befehl?
Die Antwort finden wir in der Schrift. In der Apostelgeschichte 10,38 sagt Petrus dem Cornelius, dass gerade dies der Zweck war, für den Jesus zur Erde kam, „um uns aus der Knechtschaft Satans zu befreien“ (denken Sie daran: die Erbsünde hat uns der Knechtschaft Satans unterworfen), denn Satan „geht umher wie ein brüllender Löwe, und sucht, wenn er verschlingen kann.“ (1. Petr 5,8-9).
Wie Petrus versichert auch Johannes in seinem ersten Brief (1 Joh 3,8): „Der Sohn Gottes ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören“, und das Lukasevangelium berichtet, dass Jesus auf die Erde kam um das Reich Satans zu zerstören und das Reich Gottes zu bringen (s. Lk 11,17 ff).
Nach dem Leben Christi und der Apostel folgt die zweite Epoche der Kirche: Die Zeit der frühen Kirchenväter. Sowohl Justinus, der Märtyrer, Irenäus, Cyprianus als auch die frühen Schriftsteller Origines und Tertullian berichten, dass Exorzisten in jedem Dorf und jeder Stadt zu finden waren. Der heilige Justinus schrieb seiner frühen christlichen Gemeinde in Rom: „Überall im Universum und auch in eurer eigenen Stadt Rom gibt es zahlreiche Exorzisten...”
Vom 3. bis zum 6. Jahrhundert zogen sich die großen heiligen Persönlichkeiten Antonius, der Wüstenvater, Pachomios und Hilarion alle in die Wüste zurück zu einem Leben des Gebetes und des Fastens mit dem Ziel, Satan zu besiegen und durch ihren Kampf die Menschheit aus Satans Griff zu befreien. Andere bedeutende Exorzisten waren die Heiligen Marcellinus und Petrus. Martin von Tours und der Heilige Benedikt sind spätere Exorzisten, die Wüstengemeinschaften gründeten, nicht um vor Satan zu fliehen, sondern um ihn direkt an seiner bevorzugten Wohnstätte, der Wüste, zu bekämpfen. (So wirksam waren Benedikts Gebete gegen Satan, dass Papst Honorius III. Benedikt zum Patron der Exorzisten machte. Und bis heute wird die Benedikt-Medaille als ein mächtiges Sakramentale gegen die Kräfte des Bösen verbreitet.) Wie Jesus zogen die Mönche aus, dem Satan direkt persönlich in der Wüste zu begegnen, wo sie versucht wurden, und durch das Bestehen der Versuchung zu helfen, die Menschheit vom Zugriff Satans zu befreien. Wenige machen sich klar, dass der Kampf gegen Satan der eigentliche Zweck war, der das mönchische Leben entstehen ließ!
Die 4. Epoche der Kirche: Vom 6. bis zum 12. Jahrhundert gediehen Exorzisten überall. Offizielle Texte wurden gedruckt, und entsprechende Vorbereitungen für feierliche Exorzismen wurden getroffen. Junge Seminaristen wurden in Kursen in den Exorzismus eingeführt, ordiniert und ausgesandt, um Exorzismen durchzuführen. Bis dahin, von der Zeit Christi bis ins 12. Jahrhundert, nahmen Exorzismen ständig zu.
Wir kommen jetzt zu der 5. Epoche der Kirche: Vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, als die Kirche ihren festen Stand in ihrem Kampf gegen Satan verlor. Es ist die Zeit, in der Europa von Kriegen und Seuchen heimgesucht wird. Es gab den 100 jährigen Krieg, und Frauen, die man für etwas verrückt hielt, wurden als Hexen bezeichnet. Dies war besonders ausgeprägt in protestantischen Kreisen. (Anm. des Übersetzers: die Protestanten waren naturgemäß erst ab Mitte des 16.Jh in den Hexenprozessen aktiv. Insgesamt begannen die Hexenprozesse im 14. Jh. und gingen bis zum17. Jh., vereinzelt auch bis ins 18.Jh.) Gerade die Frau, die mehr als sonst jemand einen Exorzismus gebraucht hätte, wurde stattdessen verfolgt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Die Heilige Johanna von Orleans ist ein Musterbeispiel. Obwohl Johanna später heilig gesprochen werden sollte, wurde sie – während der Inquisition und aus politischen Gründen – beschuldigt, eine Hexe zu sein. Es wurde nie ein Exorzismus an ihr vollzogen, um ihre Unschuld oder Schuld zu beweisen, sondern sie erhielt das bei der Inquisition Übliche: sie wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Bald nach dem armseligen Versuch, Exorzismen durch Inquisition und Hexenverbrennungen zu ersetzen, wird Europa von einer Katastrophe getroffen: 1340 erschüttert die schwarze Pest Europa, eine Seuche, die über 40% der europäischen Bevölkerung tötete, gefolgt von Bürgeraufständen und Glaubensspaltungen.
Die 6. Epoche der Kirche: Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert macht die Abwesenheit des Exorzismus Platz für reihenweise Verfolgungen. Bis hierhin hat die Geschichte uns gelehrt: Wenn der Teufel nicht mit Exorzismen bekämpft und ausgetrieben wird, werden Menschen verteufelt und umgebracht. So sollte es in den folgenden Jahrhunderten kommen: Dachau,(Anm. des Übersetzers: manches hier gehört eigentlich ins 20. Jh.) Gulag, Völkermord und „ethnische Säuberungen“. So wie die Hexenverfolgungen und –verbrennungen einen irrationalen Anfang hatten, hatten sie ein ebensolches Ende.
Die 7. Periode der Kirche: Vom 18. Jahrhundert bis in die heutige Zeit kamen die übertriebenen und unkonventionellen Methoden des Mittelalters, mit dem Bösen umzugehen, zum Stillstand, und machten einem anderen Exzess Raum: dem Desinteresse am Dämonischen. So bewegen wir uns vom einen Extrem mit Inquisition und Scheiterhaufen als dürftigem Ersatz für Exorzismen ins andere, nämlich zur Teilnahmslosigkeit angesichts des Bösen. Die Motive für diesen Wandel sind zahlreich; doch ich will mich auf ihre Konsequenzen beschränken, da sie ein Desinteresse an den Exorzismen, die die Apostel durchführten, brachten, und einen Rückschritt in der Dämonologie. Der Teufel wurde zu einem Symbol reduziert, zu einer unpersönlichen Macht, oder auch einem Produkt der Phantasie. Und dieses Desinteresse an Satan hat das Kirchenvolk nicht davon abgehalten, hinter Aberglauben, Okkultismus, Rationalismus und Materialismus herzujagen. Leider werden diejenigen, die nie einen Exorzismus gesehen oder daran teilgenommen haben, seine Wirksamkeit anzweifeln und die Gegenwart Satans leugnen
Doch die Heiligen der Kirche bezeugen Satans persönliche Gegenwart. Von den vielen Heiligen, die direkt mit Satan gekämpft haben, sind erwähnenswert die Heiligen Katharina von Siena, Jean Vianney (der Pfarrer von Ars), Don Bosco und Pater Pio. Eine bemerkenswerte Figur, die an der Wende zum 19. Jahrhunderts auftaucht, ist Papst Pius VII., der von Napoleon gefangen gesetzt wurde. Dieser Papst war ein großer Exorzist. Während seiner Reisen nach und von Frankreich wiederholte er oft: „Der Ausgangspunkt des pastoralen Lebens ist der Exorzismus.“
Das Ritual des Exorzismus
Das offizielle römische Rituale für den großen Exorzismus ist die Frucht von 12 Jahrhunderten des Gebets. Es wurde 1641 unter Papst Paul V herausgegeben und über die Jahrhunderte Veränderungen unterzogen. Die jüngste Ausgabe ist von 1954 und auf lateinisch erhältlich von der Tipografia Poliglotta Vaticana.
Das kanonische Recht verlangt, dass ein Priester, der einen von Dämonen geplagten Menschen exorziert, mit einer besonderen Vollmacht des örtlichen Bischofs ausgestattet sein muss. Leider haben nicht alle Diözesen einen Exorzisten... aber das ändert sich allmählich. In Italien zum Beispiel sind in den letzten sieben Jahren allein über 350 Exorzisten von Bischöfen ernannt worden, sogar in Diözesen, die noch nie einen Exorzisten gesehen hatten. Der Teufel sieht das und ist wütend. Warum? Weil Exorzismen die einzige „direkte” Austreibung des Bösen ist, die die katholische Kirche zur Verfügung hat. Dieses „direkt” bedeutet, dass von Jesus Christus der Kirche das Austreiben des Satans in der Schrift aufgetragen wurde, als er zu den Aposteln sagte: „Treibt Dämonen aus.“ Sicherlich sind die Sakramente, die Christus eingesetzt hat, und die Gaben des Geistes ein höchst wirksames Mittel, den Bösen zu bekämpfen, aber sie sind ein „indirektes” Mittel dies zu tun. Exorzismen sind die direkteste Waffe, die Christus uns gegeben hat, den Satan auszutreiben. Während das Sakrament der Beichte ein direkter Exorzismus ist, der Dämonen von uns austreibt und uns bereitet, Jesus in der Kommunion würdig zu empfangen, kommen nur noch sehr wenige Christen zum Sakrament der Beichte. Da das Beichtsakrament keine Auswirkung hat bei denen, die dieses Sakrament nicht empfangen, bleiben viele Christen von Satan gebunden, körperlich durch Krankheit, psychisch durch Neurosen oder geistlich durch Sünde. Da immer weniger Christen zur Beichte und Kommunion gehen, dient das Rituale des Exorzismus dazu, solche Seelen zurück zu den Sakramenten zu bringen.
Ich habe in Rom besondere Vollmacht bekommen, Exorzismen mit dem Hauptexorzisten von Rom durchzuführen, Pater Gabriele Amorth, den Papst Johannes Paul II. von Modena nach Rom berief. Pater Amorth hat ein Jurastudium absolviert und beichtete regelmäßig bei Pater Pio.
Eines Tages sagte Pater Amorth zu Pater Pio: „Lieber Pater, ich muss Sie um einen großen Gefallen bitten.”
Pater Pio neigte seinen Kopf zu Pater Amorth und lud ihn mit einem großen Lächeln zum Sprechen ein.
Pater Amorth, der für viele geistliche Kinder zu sorgen hatte, sagte: „Pater Pio, ich möchte, dass alle meine geistlichen Kinder auch Ihre geistlichen Kinder werden. Wenn Sie sie als Ihre eigenen Kinder in Ihre Obhut nehmen, werde ich sehr erleichtert sein.”
Pater Pios Lächeln wurde noch breiter, und er sagte zu Pater Amorth: “Sì, filgiolo, va bene.” („Ja, mein Söhnchen, ist in Ordnung.”)
Darauf sagte Pater Amorth: „Jetzt werden alle meine Kinder Sie nicht mehr Pater Pio nennen sondern Großvater Pio.” Pater Pio lächelte.
Pater Amorth wurde von Pater Candido Amantini, einem Passionisten Priester, im Exorzismus ausgebildet. Pater Candido wurde von seinen Vorgesetzten als leichtgläubiger Dämonenjäger kritisiert. Pater Amorth fragte Pater Pio, ob das wahr sei. Pater Pio sagte zu Pater Amorth, Pater Candido sei „ein Priester nach dem Herzen Gottes.” Pater Candido starb am Vorabend des Todes von Pater Pio.
Ich hatte das Privileg, Pater Amorth zu assistieren; zusammen führten wir jeden Morgen mehrere Exorzismen in der Sakristei der Basilika Sankt Paul vor den Mauern in Rom durch. Aus diesen Erfahrungen möchte ich mitteilen, wie Exorzismen nach dem lateinischen Ritus durchgeführt werden. Exorzismen bestehen im Prinzip aus drei Teilen: