EVANGELIUM TAG FÜR TAG
«Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.» Joh. 6,68
Sonntag, 08 November 2015
32. Sonntag im Jahreskreis
Heute auch : Sel. Johannes Duns Skotus, Hl. Willehad
Kommentar zum heutigen Evangelium -
Hl. Thomas von Celano : Alles geben, weil Christus alles gegeben hat
Die Texte des Tages als Audio
Evangelium nach Markus 12,38-44.
In jener Zeit lehrte Jesus eine große Menschenmenge und sagte: Nehmt euch in acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Straßen und Plätzen grüßt,
und sie wollen in der Synagoge die vordersten Sitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben.
Sie bringen die Witwen um ihre Häuser und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete. Aber um so härter wird das Urteil sein, das sie erwartet.
Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel.
Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein.
Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern.
Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hergegeben; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.
Auszug aus der liturgischen Übersetzung der Bibel
Kommentar zum heutigen Evangelium :
Hl. Thomas von Celano (um 1190-1260), Biograph des hl. Franziskus und der hl. Klara
„Erste Lebensbeschreibung" des hl. Franziskus
Alles geben, weil Christus alles gegeben hat
Der Vater der Armen, der arme Franziskus, der sich allen Armen gleichförmig machte, konnte es nicht sehen, dass jemand noch ärmer war als er, nicht aus Verlangen nach eitlem Ruhm, sondern nur infolge herzlichen Mitleids. Und obwohl er sich selbst nur mit einen ganz armseligen und rauen Habit zufrieden gab, so überkam ihn doch oft der Wunsch, ihn mit einem Armen zu teilen. Damit er aber als Armer, der doch überreich war, in seiner großen, innigen Liebe den Armen irgendwie zu Hilfe kommen könne, erbettelte er sich von den Reichen dieser Welt zu Zeiten großer Kälte einen Mantel oder Pelzstücke. Wenn diese voll Ergebenheit und mit noch größerer Bereitwilligkeit auf seine Bitten eingingen, als es der hochselige Vater von ihnen verlangte, sagte er zu ihnen: „Ich möchte das von euch in der Absicht erhalten, dass ihr es keineswegs je wieder zurückerwartet.“ Und den Armen, der ihm zuerst begegnete, bekleidete er voll Freude und Jubel mit dem, was er erhalten hatte.
Tiefen Kummer empfand er, wenn er sah, dass man einem Armen Vorwürfe machte, oder wenn er jemand gegen irgendein Geschöpf ein Wort des Fluches ausstoßen hörte. Einmal fuhr ein Bruder gegen einen Armen, der um ein Almosen bat, mit den Scheltworten los: „Vielleicht bist du gar ein reicher Mann und stellst dich nur so, als ob du arm wärest!“ Als der hl. Franziskus, der Vater der Armen, dies hörte, wurde er sehr betrübt, schalt den Bruder gar heftig wegen seiner Worte und hieß ihn vor dem Armen sein Kleid ausziehen, seine Füße küssen und ihn um Verzeihung bitten. Er sagte nämlich: „Wer einen Armen schmäht, beleidigt Christus, dessen edles Abzeichen jener trägt; denn er hat sich um unsertwillen arm gemacht in dieser Welt!“ (2 Kor 8,9).