Wir verlangen Jesus-Schulen! Von Pfarrer Robert Mäder Die Entscheidung fällt nicht mehr zwischen Schulbank und Kaserne. Auch nicht zwischen Wiege und Schulbank. Wer die Schule hat, hat die Zukunft. Wir haben die Schule nicht. Die nächste Zukunft wird deswegen nicht uns gehören. Aber die Enzyklika von St. Silvester 1929 beweist, daß die Kirche den Willen hat, die verlorene Schule, die nach göttlichem Recht ihr gehörende Schule, zurückzuerobern. Nicht um über die Welt zu herrschen, sondern um die Welt zu retten! Nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Liebe zu den Seelen und zur Menschheit.
Es gibt Wahrheiten, die man nicht beweisen muß, weil sie zu den Selbstverständlichkeiten gehören. Es ist Selbstverständlichkeit, daß das Licht leuchten, das Feuer wärmen, die Luft beleben, das Wasser erfrischen muß. Zu diesen von selbst einleuchtenden Dingen gehört, daß die Erziehung Entwicklung und Entfaltung von dem sein muß, was man ist und was man sein soll. Wer nicht entwickelt und entfaltet, wer etwas anderes aus einem Wesen macht als das, was es sein soll, der erzieht nicht mehr, er zerstört. Die Erziehung des katholischen Kindes muß darum katholisch sein.
Schule ist in dem Werk der Jugenderziehung nur ein Kapitel. Der junge Mensch wird erzogen, bevor er in die Schule kommt, und er wird erzogen, nachdem er die Schule verlasssen hat. Die Schule ist Fortsetzung und Ergänzung der Familienerziehung. Sie ist, auch wenn das Elternhaus nur eine Hütte ist, nie etwas anderes als das Nebengebäude des Elternhauses. Sie bildet mit der Familie und der Kirche ein untrennbares Heiligtum der Erziehung. Eine Dreieinigkeit am Himmel des Kindes! Weil Erziehung nur Entwicklung von etwas Gegebenem sein kann und Schule eine Zwischenperiode der organischen Entwicklung des jungen Menschen, darum kann die Schule der katholischen Jugend grundsätzlich nur eine katholische Schule sein.
Das Idol und Ideal des Liberalismus ist die unkatholische, die konfessionslose oder neutrale Schule. Die sogenannte Laienschule. Die Schule ohne die Kirche! Die Schule ohne Gott, die erstgeborene Tochter des Staates ohne Gott! Seit hundert Jahren spricht man von dieser konfessionslosen, neutralen Schule. Es hat trotzdem in diesen hundert Jahren noch niemals eine neutrale Schule gegeben, und es wird niemals eine solche geben. Es hat niemals eine neutrale Schule gegeben und wird niemals eine solche geben, weil sie, wie der Heilige Vater in seiner Enzyklika sagt, praktisch unmöglich ist. Die Schule wird immer den Geist der herrschenden Regierung, des Lehrers oder der Unterrichtsbücher widerspiegeln. Sie ist, falls sie nicht katholisch sein will, protestantisch, liberal, sozialistisch oder freidenkerisch. Neutral, weder für noch gegen die Kirche, nie! Nach der unerbittlichen Logik des Evangeliums ist jede Schule, die nicht für die Kirche ist, gegen sie.
Daraus folgt, und die Sprache der Enzyklika wird hier scharf und einschneidend wie ein zweischneidiges Schwert: »Daraus gerade folgt, daß die sogenannte neutrale oder weltliche Schule, aus der die Religion ausgeschlossen ist, sich zu fundamentalsten Erziehungsgrundsätzen in Widerspruch setzt. Übrigens ist eine derartige Schule praktisch gar nicht möglich, da sie sich in Wirklichkeit zur religionsfeindlichen Schule entwickelt und der Besuch der nichtkatholischen Schulen, ob weltliche oder Simultanschulen, also der Schulen, die ganz gleichförmig und ohne irgendwelche Sonderung den Katholiken und Nichtkatholiken offenstehen, den katholischen Kindern verboten ist, und daß der Besuch dieser Schulen nur mit Rücksicht auf bestimmte örtliche und zeitliche Verhältnisse unter besonderen Sicherungen geduldet werden kann, wobei einzig eine Entscheidung des Oberhirten maßgebend ist.«
Die konfessionslose Schule ist, weil sie von der Kirche als den Fundamentalprinzipien der Erziehung widersprechend nie gelobt und empfohlen, sondern höchstens da und dort, dann und wann, mit blutendem Mutterherzen, um größerer Übel willen, geduldet werden kann, immer von Übel. Sie soll und darf also auch von den Katholiken nie gelobt und empfohlen, sondern kann nur unter gewissen Umständen wie ein Joch in der Gefangenschaft ertragen werden.
»Für die Katholiken kann auch jene Simultanschule nicht als normal anerkannt werden (um so schlimmer, wenn sie „Einheits-“ und Pflichtschule für alle ist), in der den Katholiken zwar getrennt Religionsunterricht erteilt wird, in der sie aber von nichtkatholischen Lehrern den übrigen Unterricht zusammen mit nichtkatholischen Schülern erhalten.«
»Denn die bloße Tatsache, daß an einer Schule (oft noch mit allzu großer Einschränkung) Religionsunterricht erteilt wird, stellt sie noch nicht in Übereinstimmung mit den Rechten der Kirche und der christlichen Familie und gibt ihr noch nicht die nötige Eignung für den Besuch durch katholische Kinder. Dafür ist notwendig, daß der ganze Unterricht und Aufbau der Schule: Lehrer, Schulordnung und Schulbücher in allen Fächern unter Leitung und mütterlicher Aufsicht der Kirche von christlichem Geist beherrscht sind, so daß die Religion in Wahrheit die Grundlage und Krönung des ganzen Erziehungswerkes in allen feinen Abstufungen darstellt, nicht bloß in den Elementar-, sondern auch in den Mittel- und Hochschulen.« Katholisch ist die Schule nur, wenn ihr Geist katholisch ist. Dieser Gedanke beansprucht unsere volle Aufmerksamkeit. Nicht alle Schulen, die sich katholisch nennen, verdienen diesen Namen. Wenn so manche sogenannte katholische Schule nicht im Stande ist, eine wahrhaft katholische Jugend in ihrer Gegend heranzubilden, dann liegt die tiefere Ursache sehr oft darin, daß diese Schule wohl den katholischen Namen, katholische Übungen und Gebräuche, katholische Lehrer und Bücher, aber nicht den katholischen Geist besitzt. Der Geist allein aber macht auch hier lebendig. Eine katholische Schule muß durch und durch katholisch sein. Eine eigentliche Jesus-Schule!
Und unter einer Jesus-Schule verstehen wir eine Schule, die sub specie æternitatis – im Licht der Ewigkeit – steht, im Licht Gottes – und Christi und des Kirchengedankens. In allem, was sie sagt. In allem, was sie lehrt. In allem, was sie tut. Unter einer Jesus-Schule verstehen wir sodann eine Schule, die ganz auf der evangelischen Erziehungskunst der Jesusnachfolge und des Jesuswerdens aufgebaut ist. Unter einer Jesus-Schule verstehen wir schießlich eine Schule, die nicht nur Glaubens- und Moralschule, sondern auch Gnadenschule ist, die also im Gegensatz zu einem modernen pädagogischen Naturalismus wesentlich mit übernatürlichen Mitteln arbeitet, eucharistisch und marianisch eingestellt ist und mit der Gemeinschaft der Heiligen lebt. Eine katholische Schule ist entweder eine Jesus-Schule oder sie ist keine katholische Schule!
Der Heilige Vater bezeichnet in seinem Rundschreiben die Arbeit für die katholische Schule als schwerste Gewissenspflicht, als indispensable Tat der Religion, als vorzüglichste Aufgabe der Katholischen Aktion. Das läßt an Deutlichkeit und Eindringlichkeit nichts zu wünschen übrig. Aber es muß geglaubt werden! Die katholische Schulfrage muß somit die Lebensfrage des katholischen Volkes sein. Alle starken Bewegungen gehen aber aus von einer großen Idee, von einem Gedanken, der mit allen Fasern des Wesens geglaubt und mit der ganzen Glut des Herzens geliebt wird. Das ist auch bei der katholischen Schulbewegung der Fall. Die Enzyklika des heiligen Vaters über Schule und Erziehung muß gehört, gelesen, besprochen, geglaubt, verarbeitet, zum geistigen Eigentum, zur allgemeinen öffentlichen Meinung der katholischen Welt werden. Zum Wahrzeichen und Leuchtturm echter starker Katholizität! Zum Sturm- und Feuerglockengeläute, bis alles wach ist im Schlafsaal der Christenheit!
Die katholische Schulfrage ist zu allererst eine religiöse Frage. Nicht eine politische! »Es sei in diesem Zusammenhang laut verkündet, und es möge von allen wohl verstanden und als richtig anerkannt werden: In keinen Volk der Welt treiben die Katholiken dadurch, daß sie ihren Kindern die katholische Schule zu erwirken suchen, Parteipolitik, vielmehr leisten sie damit religiöse, von ihrem Gewissen als unerläßlich geforderte Arbeit.«
Wir bauen Kirchen. Wir müssen Kirchen bauen. Wir müssen vor allem Kirchen bauen. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, daß Kirche und Schule nach dem Ausdruck des Heiligen Vaters zusammen ein einziges Heiligtum ausmachen. Man baut nur die Hälfte der Kirche, wenn man das Heiligtum des Kindes, die wahrhaft katholische Schule, die Jesus-Schule, nicht dazu baut.
Die Opferwilligkeit der Katholiken ist gewiß bewundernswert. Aber auf dem Gebiet der Schule tut man, auch wenn man große Opfer bringt – um wieder ein Wort des Heiligen Vaters zu gebrauchen – nie genug. Große Zeiten fordern große Opfer. Außerordentliche Zeiten fordern außerordentliche Opfer. Ist es nicht gescheiter, Europa bringe in letzter Stunde vor dem Losbrechen diese außerordentlichen Opfer an Geld und Gut, als daß seine ganze Kultur von den Wogen des Umsturzes hinweggeschwemmt wird! Wenn in diesen Tagen eine einfache Person mir ungebeten 10000 Franken für eine katholische Pfarrschule übergibt, warum können das nicht in den meisten Gegenden noch Dutzende von andern, um so überall ganze Festungsgürtel von katholischen Schulen zu errichten als Schutz und Wall gegenüber dem drohenden Untergang des Abendlandes. Entweder ist der katholische Besitz in dieser entscheidungsvollen Stunde großzügig im Geben, oder es wird früher oder später nach allen Regeln der „Großzügigkeit“ von der Revolution ausgeplündert werden.
Aber die Schulfrage hat auch eine politische Seite, und das päpstliche Rundschreiben macht ebenfalls auf diese politische Seite aufmerksam. Die Katholiken müssen gerechte Schulgesetze verlangen. Und zwar fordert die Gerechtigkeit ein Doppeltes. Die Gerechtigkeit fordert – und das ist das Minimum von Gerechtigkeit – die volle, ungeschmälerte Freiheit der katholischen Schule. Die Gerechtigkeit fordert sodann – und auch auf das weist die Enzyklika hin –, daß der Staat, der für die Schulwesen Steuern einzieht, aus deren Ertrag entsprechend auch die katholischen Schulen unterstützt.
Ein Steuergesetz, das das nicht tut, verstößt gegen die sogenannte distributive Gerechtigkeit, also gegen das Naturrecht. Es ist die Aufgabe und Pflicht katholischer Politik, diese Ungerechtigkeit, welche den Charakter eines drückenden Ausnahmegesetzes gegen die Katholiken hat und sie zu Bürgern zweiter Klasse degradiert, mit aller Macht anzukämpfen. Die katholische Schulfrage ist mehr als Almosensache: Sie ist eine Gerechtigkeitsfrage für die modernen Staaten. Und Ungerechtigkeit ist Diebstahl!
Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der frühmorgens aufsteht. Wir können uns nicht rühmen, schon um die erste Stunde an die Arbeit gegangen zu sein. Mögen wir wenigstens das Gebot der elften Stunde nicht verkennen. Es heißt Schulbau. Bau von Jesus-Schulen! Der Bau der katholischen Schule schwerste Gewissenspflicht, undispensierbare Tat der Religion, vorzüglichste Aufgabe der Katholischen Aktion!
Quelle: »Die Schildwache«, Basel, Jahrgang 1930.
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