Das vergessene Kind
Eine arme, aber fromme Frau wollte an einem Morgen im Advent mit ihrem Kind zur Kirche gehen. Das Kind war ihr einziger Schatz. Ihr Kirchweg führte über einen Bergeshügel. Mit Staunen stellte die Frau eines Tages fest, daß sich der Berg geöffnet hatte. Ein großer Felsspalt gab den Blick in das Innere frei. Da drinnen glitzerte alles von Gold, Silber und Edelsteinen. Sie dachte bei sich: „Wenn sie nur ein wenig davon mitnehmen könnte, hätte ihre ganze Armut ein Ende. Da hörte sie eine Stimme, die sagte: „Tritt ein, Du darfst alles mitnehmen, was Du möchtest, aber Du bekommst nur eine kurze Zeit dafür.“ Sofort trat sie mit ihrem Kind an der Hand in den Berg ein und begann sich Schätze einzusammeln. Sie raffte einmal Silber zusammen, warf es wieder weg und nahm anderes Goldglänzendes, Wertvolleres, wie ihr schien. Immer wieder warf sie etwas weg und griff nach neuen Schätzen. Die Stimme mahnte: „Vergiß das Wichtigste nicht!“ Sollte sie das Wichtigste gar übersehen haben? Sie suchte und fand immer noch Wertvolleres, Gold und Edelstein... Und wieder hörte sie die Stimme, die sagte: „Vergiß das Wichtigste nicht!“ Weiter füllte sie ihre Schürze, sodaß sie sie mit beiden Händen kaum mehr halten konnte. Da hörte sie die Stimme ein drittes Mal, die sagte: „Deine Zeit ist bald um, vergiß das Wichtigste nicht!“ Schnell nahm sie noch ein paar von den schönsten Dingen und dann verließ sie rasch den Berg, der sich mit großem Getöse hinter ihr schloß. Sie betrachtete beglückt ihre kostbaren Schätze und wähnte sich reich. Da wurde ihr erschreckend bewußt: Das Kind war im Berg zurückgeblieben. Das Wichtigste, ihren größten Schatz, hatte sie vergessen - geblendet vom Glanz der vergänglichen Dinge! Vieles wird uns als wichtig vorgegaukelt; allerlei Glitzerwerk täuscht uns; vergängliche Dinge blenden uns, sodaß wir leicht die Weihnachtsbotschaft übersehen; aber ohne das Kind, ohne das göttliche Kind, gibt es kein Weihnachten! Das vergessene Kind Veronika Fleischer, Schönenberg
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