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  • 23.02.2013 08:51 - ZUR HEILIGKEIT BERUFEN
von Hildegard Maria in Kategorie Allgemein.

FASTENZEIT
1. WOCHE - SAMSTAG

11

ZUR HEILIGKEIT BERUFEN

Der Ruf des Herrn, heilig zu werden, ergeht an jeden. Unser Lebensumfeld ist der Ort unserer Heiligkeit.
Die Arbeit heiligen, sich selbst in der Arbeit heiligen, die anderen durch die Arbeit heiligen.
Heiligkeit und apostolisches Bemühen inmitten der Welt. Das Beispiel der Urchristen.

I. Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist1, heißt es am Schluß des heutigen Evangeliums. Während dieser vierzig Tage der österlichen Bußzeit erinnert uns die Kirche auf vielfache Weise daran, daß der Herr von uns mehr als bloß christliche Korrektheit erwartet: er erwartet ein ernsthaftes Streben nach Heiligkeit.

Ihr sollt also vollkommen sein ... Dieses Wort richtet sich nicht allein an die Apostel, sondern an jeden, der wahrhaft Jünger des Herrn sein will. Als Jesus diese Rede beendet hatte, war die Menge sehr betroffen von seiner Lehre2, heißt es bei Matthäus. Die Menge - das müssen durchschnittliche Menschen gewesen sein: junge und alte, Männer und Frauen, Handwerker und Rechtsgelehrte ...

Der Herr stellt hohe Forderungen, jeden einzelnen spricht er in seiner persönlichen Lebenssituation an. Der Ruf, heilig zu werden, ist unabhängig von Alter, Beruf oder gesellschaftlicher Stellung, und keiner, der in der Nachfolge Christi steht, kann sich davon ausnehmen. Diese Wirklichkeit im Heilsplan Gottes begründet der heilige Paulus, wenn er an die Christen in Ephesus schreibt: In ihm (Christus) hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott3. Dies erfordert ein stetiges Bemühen, solange wir auf Erden sind: der Gerechte handele weiter gerecht, und der Heilige strebe weiter nach Heiligkeit4.

Daß alle Menschen zur Heiligkeit berufen sind war durch göttliche Eingebung seit dem Jahre 1928 der Kernpunkt in der Verkündigung von Josemaría Escrivá. Immer wieder kam er auf die Einsicht zurück, daß der Christ aufgrund der Taufe zur Fülle des christlichen Lebens, zur Heiligkeit also berufen ist.

Das II. Vatikanische Konzil hat diese grundlegende Lehre aus dem Schatz des Evangeliums der gesamten Kirche neu in Erinnerung gebracht. In der Konstitution über die Kirche heißt es: »Alle Christgläubigen (sind) in allen Verhältnissen und in jedem Stand auf ihrem Wege vom Herrn berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit, in der der Vater selbst vollkommen ist«5.

Der Herr ruft ausnahmslos alle - auch jene also, die mitten in der Welt leben und dort ihren weltlichen Beschäftigungen nachgehen. Ihnen, ohnehin die meisten, sagt der Glaube, das Weltliche sei kein Hindernis für ihre Heiligung, sondern gerade der Stoff ihrer Heiligkeit, wenn sie es auf Gott hin ausrichten. Und eine Arbeit auf Gott hin ausrichten heißt unter anderem, bemüht sein, die dazugehörigen Pflichten und Aufgaben treu und gewissenhaft zu erfüllen.

In dieser Zeit des Gebetes, in der Gegenwart des Herrn, wollen wir ihm heute für seinen Ruf danken und uns zugleich fragen, ob wir ihm entschieden genug folgen. Vielleicht kann unser asketischer Kampf beherzter sein, damit wir der Gnade besser entsprechen. Vielleicht können wir auch der Versuchung, in ein spießbürgerliches Leben abzugleiten, entschlossener widerstehen, damit das Streben nach Heiligkeit nicht verflacht und das geistliche Leben nicht lau und mittelmäßig wird. Anständig sein wollen ist zu wenig. Heilig sein - das ist der Auftrag des Herrn. Und wir dürfen darauf vertrauen, daß der Herr uns die Mittel dazu gibt.

II. Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. Dieses anspruchsvolle Programm gilt für unseren Alltag, der aus lauter kleinen Dingen besteht, Dingen,die regelmäßig wiederkehren. »Um Gott zu lieben und ihm zu dienen, ist es nicht nötig, auffallende Dinge zu tun. Alle Menschen ohne Ausnahme ruft Christus auf, vollkommen zu sein, wie ihr himmlischer Vater vollkommen ist (Mt 5,48). Heiligwerden bedeutet für die überwiegende Mehrzahl der Menschen, ihre eigene Arbeit zu heiligen, sich in dieser Arbeit selbst zu heiligen und die anderen durch die Arbeit zu heiligen, damit sie täglich auf dem Weg ihres Lebens Gott begegnen.«6

Damit unsere Arbeit - jede rechtschaffene Tätigkeit kann das sein - zum Angelpunkt der Heiligkeit wird, muß sie gut getan werden, angefangen vom »letzten handwerklichen Schliff« den zunächst vielleicht gar keiner bemerkt, bis hin zur getreuen Beachtung der Pflichten sozialer Gerechtigkeit; denn eine wohlfeile Gabe nimmt Gott nicht an7. Die Arbeit heiligen heißt auch, ein feines Gespür für berufliches Ethos zu entwickeln und sel»stverschuldete Fehler wiedergutzumachen. Und nicht zuletzt heißt es, einen gesunden Ehrgeiz zu besitzen - als Folge des Ernstnehmens des eigenen Berufes -, um durch kontinuierliche Fortbildung immer auf dem laufenden zu sein. Diese Grundeinstellung muß jeder haben, der seine Arbeit ernst nimmt: ob Unternehmer oder Hilfsarbeiter, Geschäftsmann oder Student, Arzt oder Hausfrau.

Indem wir die Arbeit heiligen, heiligen wir auch uns selbst: und darauf kommt es an. Unsere Arbeit wird zur Begegnung mit Gott. Wie? Etwa indem wir zu Beginn die gute Meinung verrichten und sie dann hin und wieder - bei passender Gelegenheit - durch ein Stoßgebet erneuern. Manche mühsame Aufgabe - Gott auf diese Weise dargebracht - gewinnt so eine ganz neue Wertigkeit.

Alles in allem: Die Arbeit bietet uns ein Feld für viele natürliche Tugenden - für Fleiß, Zuverlässigkeit, Sorgfalt, Ausdauer - und die Gelegenheit, die übernatürlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe lebendig zu erhalten.

Außerdem kann und soll die Arbeit Mittel sein, Menschen Christus nahezubringen. Bei manchen Berufen leuchtet dies sofort ein, etwa bei einem Lehrer, Journalisten, Politiker. Aber eigentlich gibt es keinen Arbeitsbereich, der mit der Lehre Jesu nichts zu tun hätte. Wer glaubt und seinen Glauben lebt, wird gelegentlich gegen den Strom schwimmen müssen und bei manchen Kollegen anecken. Aber gerade diese natürliche, selbstsichere Art des Christseins ist eine Form, Menschen für Christus zu interessieren.

Die Welt braucht Gott, und dies um so mehr, je öfter sie wiederholt, daß sie ihn nicht braucht. Christen im Ernst der Nachfolge können in der Welt vieles bewegen. »Ein Geheimnis. - Ein offenes Geheimnis: es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen fehlt.

Gott wünscht eine Handvoll >seiner< Leute in jeder menschlichen Tätigkeit. - Dann ... >pax Christi in regno Christi< - der Friede Christi im Reich Christi.«8

III. Die frühen Christen überwanden in der Kraft ihres Glaubens und ihrer Liebe die Hindernisse. Sie zeigen uns bis heute den Weg. Ihre Treue zur Lehre Christi erwies sich stärker als die materialistische Atmosphäre und das feindliche Umfeld, in dem sie lebten. Das Heilmittel, um der Ansteckung des Heidnischen zu entgehen, war nicht eine Abkapselung von der Gesellschaft. Sie waren sich sicher, Sauerteig des Herrn zu sein, und so war ihr unauffälliges, aber wirksames Handeln schließlich stark genug, der Gesellschaft ein neues Gesicht zu geben. Sie verstanden es, gelassen in der Welt zu stehen, alles Gute darin zu schätzen und den irdischen Gegebenheiten ihren gebührenden Platz einzuräumen. So gelang es ihnen schließlich, die Welt mit einem neuen Geist zu erfüllen.

Die Kirche weist uns eindringlich auf die Notwendigkeit hin, in der Welt präsent zu sein, um das Irdische auf Gott hinzuordnen. Aber selbstverständlich erfordert dies an erster Stelle, selbst mit Gott verbunden zu sein - im Gebet und durch die Sakramente -, so wie die Rebe mit dem Weinstock verbunden ist9. Johannes Paul II. sagt über die Aufgabe der Neuevangelisierung: »Es werden Herolde des Evangeliums gebraucht, die Experten im Umgang mit den Menschen sind, die das Herz des heutigen Menschen gründlich kennen, seine Freuden und Hoffnungen, Ängste und Sorgen teilen und zugleich beschauliche Freunde Gottes sein wollen. Dazu bedarf es neuer Heiliger. Die großen Evangelisatoren Europas waren die Heiligen. Wir müssen den Herrn bitten, daß er den Geist der Heiligkeit in der Kirche vermehre und uns neue Heilige sende, um die Welt von heute zu evangelisieren«10. Den gleichen Gedanken brachte die außerordentliche Bischofssynode 1985 zum Ausdruck: »In unserer Zeit kommt es darauf an, Gott flehentlich darum zu bitten, uns Heilige zu senden.«11

Von unserem Herrn heißt es an einer Stelle der Apostelgeschichte - gleichsam als Zusammenfassung seines irdischen Lebens -, daß er umherzog und Gutes tat.12 Wenn jeder Christ, als »zweiter Christus« in seinem eigenen Leben das Leben Christi nachvollziehen soll, gelten diese Worte auch für ihn. »Der Herr Jesus, göttlicher Lehrer und Urbild jeder Vollkommenheit, hat die Heiligkeit des Lebens, deren Urheber und Vollender er selbst ist, allen und jedem einzelnen seiner Jünger in jedweden Lebensverhältnissen gepredigt: >Seid also vollkommen< (...). - Jedem ist also klar, daß alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind. Durch diese Heiligkeit wird auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert.«13

1 Mt 5,48. - 2 Mt 7,28. - 3 Eph 1,4. - 4 Offb 22,11. - 5 II. Vat. Konz., Konst. Lumen gentium, 11. - 6 Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, 55. - 7 vgl. Lev 22,20. - 8 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 301. - 9 vgl. Joh 15,1-7. - 10 Johannes Paul II., Ansprache, 11.10.1985. - 11 Außerordentl. Bischofssynode 1985. Schlußdokument II A 4. - 12 vgl. Apg 10,38. - 13 II. Vat. Konzil, Konst. Lumen gentium, 40.



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