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  • 11.04.2013 08:02 - IN STAAT UND GESELLSCHAFT
von Hildegard Maria in Kategorie Allgemein.

OSTERZEIT
2.WOCHE - DONNERSTAG

12

IN STAAT UND GESELLSCHAFT

Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Christliches Zeugnis in Staat und Gesellschaft.
Kritisches und aktives Mitwirken.


I. Den Aposteln war bei Strafe verboten worden, jemals wieder im Namen Jesu zu predigen und zu lehren1. Natürlich lassen sie sich nicht einschüchtern und setzen freimütig ihre Verkündigung fort. Viele lassen sich taufen, die Kirche wächst. Und wieder einmal, so berichtet uns die erste Lesung der heutigen Messe, stehen die Glaubensverkünder vor den Richtern: Man führte sie herbei und stellte sie vor den Hohen Rat. Der Hohepriester verhörte sie und sagte: Wir haben euch streng verboten, in diesem Namen zu lehren; ihr aber habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt. (...) Petrus und die Apostel antworteten: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.2

Die Apostel sind keine Rebellen, sie sind Zeugen Christi, schlicht und ohne Dünkel erinnern sie die Träger der legitimen Gewalt daran, daß diese nicht absolut ist, sondern unter dem Gesetz Gottes stehen muß.

Nach der Herabkunft des Heiligen Geistes sind sie erstarkt für das Bekenntnis, weise im Eingehen auf die Lehre ihres Meisters und verantwortlich für die ihnen anvertraute Sendung. Sie geben all das an jene weiter, die sich auf ihr Wort hin bekehren, und durch sie durch die Jahrhunderte hindurch an uns.

Die Begebenheit aus der Apostelgeschichte hat einen bleibenden Wert. Was sich damals vor dem Hohen Rat ereignete, wiederholt sich im Laufe der Geschichte in unterschiedlichen Formen. »Wenn der Apostel Paulus von den bösen Geistern spricht, die das Luftreich beherrschen, dann meint er sicher, übersetzt in unsere Situation, jene Geister, die die öffentliche Meinung bestimmen und gegen die wir eigentlich machtlos sind, weil wir in der öffentlichen Meinung leben und wir sie einfach miteinatmen. Dann ist der Instinkt nötig, der uns wittern läßt, woher die Geister kommen.«3

Unsere heutige Situation in den europäischen Ländern »stellt das Christentum und die Kirche vor die radikalste Herausforderung, die die Geschichte bisher gekannt hat«, sagt Papst Johannes Paul II.4 Denn der Mensch ist »so sehr mit den Aufgaben des Aufbaus der >irdischen Stadt< beschäftigt (...), daß er die >Stadt Gottes< aus dem Blick verloren hat oder sie bewußt ausschließt. (...) Dieser Mensch, der so gern erwachsen, reif und und frei sein möchte, ist auch ein Mensch, der vor der Freiheit flieht, um sich dem Konformismus zu überlassen, ein Mensch, der einsam ist, von vielfältigem seelischen Unbehagen bedroht, den Tod beiseite schieben will und in erschreckendem Maß die Hoffnung verliert.«5

Jeder trägt Verantwortung für sein persönliches Zeugnis und sein apostolisches Wirken in einer sich zunehmend säkularisierenden Gesellschaft. »Zahlreiche Realitäten des irdischen Lebens - beispielsweise der Technik, der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Politik oder der Kultur - werden zu ungeheuren Hindernissen für ein Leben aus dem Glauben, wenn sie sich selbst überlassen bleiben oder wenn sie allein von Menschen bestimmt werden, denen das Licht des Glaubens fehlt. Diese Realitäten bilden dann einen ummauerten Bezirk, aus dem die Kirche feindselig ausgeschlossen bleibt.

Du - Forscher, Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker, Handwerker ... - hast als Christ die Pflicht, all dies zu heiligen. Denke an die Worte des Apostels, daß die gesamte Schöpfung wie in Geburtswehen liegt und auf die Befreiung der Kinder Gottes wartet.«6

II. »Es gibt in unserer Zeit wohl keine größere Torheit als den Versuch, in dieser Welt eine feste und brauchbare Ordnung aufzubauen ohne das notwendige Fundament, nämlich ohne Gott; die Größe des Menschen zu verherrlichen und dabei die Quelle versiegen zu lassen, aus der diese Größe fließt und genährt wird, indem man versucht, das Verlangen nach Gott zu schwächen oder womöglich zu unterdrücken«7.

Materialismus, Hedonismus, Säkularismus charakterisieren die Situation im Europa des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts. Lebensmodelle, die im Widerspruch zum Glauben stehen, breiten sich aus, propagiert durch die Massenmedien und den fragwürdigen Lebensstil einzelner. Auch Gutwillige geraten am Ende in den Sog hedonistischer Lebensweisen.

In dieser Orientierungslosigkeit weist die Kirche den Christen auf die Pflicht und das Recht hin, die menschliche Gesellschaft prägend mitzugestalten. Denn wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: »In Verfolgung ihrer eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern läßt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung. (...) Wer Christus, dem vollkommenen Menschen, folgt, wird auch selbst mehr Mensch.

Aus diesem Glauben heraus vermag die Kirche die Würde des menschlichen Wesens allen Meinungsschwankungen zu entziehen, die beispielsweise den menschlichen Leib zu sehr abwerten oder über das rechte Maß emporheben. Durch kein menschliches Gesetz können die personale Würde und die Freiheit des Menschen so wirksam geschützt werden wie durch das Evangelium Christi, das der Kirche anvertraut ist.«8

Besonders die Laien sind hier gefordert. »Sie« so heißt es in einem anderen Text des Zweiten Vatikanums, »müssen den Aufbau der zeitlichen Ordnung als die gerade ihnen zukommende Aufgabe auf sich nehmen und dabei, vom Licht des Evangeliums geleitet sowie von christlicher Liebe gedrängt, unmittelbar und entschieden handeln«9 und zwar »aus ihrer spezifischen Sachkenntnis heraus und in eigener Verantwortung als Bürger«10.

Die entschiedene Reaktion der Apostel auf einen anmaßenden Befehl der Obrigkeit gibt ein Beispiel christlicher Entschlossenheit, die Welt durch die Frohe Botschaft zu erleuchten. Es ist nicht Aufgabe des kirchlichen Lehramtes, zu Tagesfragen der Politik, Wirtschaft, Kultur oder der Gesellschaft Stellung zu nehmen, es sei denn, christliche Wertvorstellungen würden verletzt. Der einzelne Gläubige muß sich gedrängt fühlen, wo immer, bei einer politischen Wahl, wenn es um Schule und Ausbildung der Kinder oder den Ferienort für die Familie geht, oft gegen gängiges Verhalten und weitverbreitete Vorurteile nach seinem christlichen Gewissen zu handeln: »Konfessionslosigkeit, Neutralität. - Alte Mythen, die sich immer neu aufputzen wollen.

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie absurd es ist, daß man aufhört, katholisch zu sein, wenn man in der Universität, in der Berufsorganisation, bei einer wissenschaftlichen Tagung, im Parlament auftritt wie jemand, der seinen Hut an der Garderobe abgibt?«11

III. Ein Christ sieht seinen konkreten Lebensbereich und weiß im Licht des Glaubens: hier beginnen Verantwortung und Sorge für die anderen, und sein katholischer Geist - offen, weit - sieht über die eigenen vier Wände hinaus und sucht nach Möglichkeiten, das Geschehen in Kirche und Welt mitzugestalten. Seine Verwurzelung in der Kirche läßt ihn verbindliche Äußerungen des Lehramtes dankbar annehmen, ohne sich von Tendenzen anstecken zu lassen, die Papst Johannes Paul II. mit folgenden Worten charakterisiert: »Die Uneinigkeit in Lehre und Moral erscheint als ein mehr oder weniger typisches Symptom des >reichen< Westens und somit auch Europas. In gewisser Hinsicht scheint sie von einer Verlagerung ziviler Lebensmodelle und der politischen Auseinandersetzung auf das religiöse und kirchliche Gebiet herzurühren; unter einem anderen Aspekt kann sie wohl einen stolzen menschlichen Geist ausdrücken, der von den Forderungen des Evangeliums ebensowenig wissen will wie von der Notwendigkeit der Gnade Gottes, um sie anzunehmen und zu leben.«12

Der ureigene Bereich des Laien ist die Welt. »Ohne das Wirken und das Zeugnis der Laien könnte das Evangelium niemals das gesamte menschliche Leben durchdringen und in das ganze Leben der Gesellschaft hineingetragen werden.«13 Indem der Laie hier seine Gaben und Talente einsetzt, trägt er zur Sendung der ganzen Kirche bei: »daran zu arbeiten, daß die Menschen fähig werden, die gesamte zeitliche Ordnung richtig aufzubauen und durch Christus auf Gott hinzuordnen.«14 Nicht nur Initiative und apostolische Passion sind dazu notig, sondern vor allem die Gabe der Unterscheidung, kritisches Vermögen also. Nicht das Machbare ist der Maßstab, sondern der Einklang mit dem Willen des Schöpfers. Alles weltliche Tun des Menschen muß auf Gott und seine Gebote bezogen bleiben. Wenn eine politische Initiative oder eine künstlerische Tätigkeit diese Gottbezogenheit leugnet, werden sie zum Werkzeug des Bösen.

Ein christlicher Staatsbürger, der sich seiner Aufgabe in der Gesellschaft bewußt ist, wird daher die Hintergründe politischer, gesellschaftlicher oder kultureller Initiativen prüfen und werten. Aber nicht nur kritisch prüfen ist die Aufgabe eines Christen in der Welt, sondern auch, selbst initiativ zu werden.

Ein kritisches Gespür für gegenwärtige Entwicklungen, aktives Mitwirken aus menschlicher Verantwortung und apostolischem Geist, gegründet auf eine große Liebe zur Kirche und ihrer Lehre: So ist ein Christ fähig, in einer an diesseitigen Interessen verödenden Welt befruchtend zu wirken. »Meinungsforschung und Werbung sind für uns keine Kriterien. Die Frage ist, wer sagt uns, was wir brauchen, und wer führt uns, etwa mit Mitteln der Meinungsforschung und der Werbung, bloß dahin, wohin er uns haben will? Wo sind wir frei und wo werden wir insgeheim gesteuert als Menschen, die man an ihren Wünschen und Emotionen ziehen kann wie Marionetten, auch in der Kirche? Wissen wir auf all das klare Antworten? Ich kenne nur die eine aus dem Mund der Mutter Christi, die den Jüngern sagt: >Was er euch sagt, das tut.<«15

1 Apg 4,18. - 2 Apg 5,27-27. - 3 J.Kard.Meisner, Gedanken zur Neuevangelisierung, in: Seelsorge am Anfang?, St.Ottilien 1990, S.14. - 4 Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am 6. Symposion der europäischen Bischöfe, 11.10.1985, 1. - 5 ebd., 11. - 6 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.311. - 7 Johannes XXIII., Enz. Mater et Magistra, 15.5.1961, 217. - 8 II.Vat.Konz., Konst. Gaudium et spes, 40-41. - 9 II.Vat.Konz., Dekret Apostolicam actuositatem, 7. - 10 ebd. - 11 J.Escrivá, Der Weg, Nr.353. - 12 Johannes Paul II., a.a.O., 17. - 13 ebd., 15. - 14 II.Vat.Konz., Dekret Apostolicam actuositatem, 7. - 15 J.Kard.Meisner, a.a.O., S.22.



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