OSTERZEIT 5. WOCHE - MONTAG
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TEMPEL GOTTES
Die Einwohnung der Dreifaltigkeit in der Seele. Sammlung, Innerlichkeit. Umgang mit dem Heiligen Geist.
I. Die Evangelien berichten von zahlreichen Unterhaltungen zwischen Jesus und seinen Jüngern. Manchmal fragt sie der Herr, andere Male sind es die Apostel, die genauer wissen wollen, wie Jesus etwas gemeint hat. Ist ihr spontanes Begreifen überfordert, dann fragen sie einfach. Das ist in den Perikopen dieser Sonntage zwischen Ostern und Pfingsten der Fall. Jesus knüpft eine seinen Jüngern rätselhafte Verheißung - ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch1 - an eine Bedingung: Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.2
Natürlich merken die Apostel, daß diese Worte ihnen gelten. Doch weshalb nur ihnen? Judas Thaddäus will es wissen: Herr, warum willst du dich nur uns offenbaren und nicht der Welt?3 Seine Frage »hat die jüdische Erwartung zur Voraussetzung, daß der Messias, wenn er erscheint, sich vor den Augen der ganzen Welt als der gottgesandte König der Endzeit offenbaren wird zur Freude seines Volkes und zum Schrecken seiner Feinde. Der Apostel kann nicht verstehen, warum sich die von Jesus verheißene Offenbarung auf die an ihn Glaubenden beschränken soll.«4
Der Herr beantwortet diese Frage nur indirekt. Er spricht von einem inneren Offenbarwerden, von einer göttlichen Einwohnung in der Seele dessen, der ihn liebt: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.5
Bei ihm wohnen? Ein frommer Israelit weiß, daß Gott im Tempel zu Jerusalem inmitten seines Volkes wohnt, er kennt ebenso die endzeitliche Verheißung bei Ezechiel: Ich werde mitten unter ihnen für immer mein Heiligtum errichten, und bei ihnen wird meine Wohnung sein. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein.6 Die Apostel mögen an solche Stellen im Alten Testament gedacht haben. Aber wenn Jesus nun sagt: Wir werden bei ihm wohnen, übersteigen seine Worte die gängigen Kategorien. Wir wissen, gemeint ist die Einwohnung der Dreifaltigkeit selbst in der Seele dessen, der durch die Gnade zum Leben gekommen ist, eine neue, geheimnisvolle Wirklichkeit, die der heilige Paulus in seiner Ermahnung an die Christen von Korinth, sich dieser Wirklichkeit im Umgang mit ihrer heidnischen Umwelt bewußt zu sein, in die ergreifenden Worte faßt: Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes.7
Die Theologie sagt uns, daß die Einwohnung Gottes im Menschen, der im Stande der Gnade ist, den drei Personen gemeinsam zukommt. Die Kirchenväter bemühen sich, das Geheimnis und seine Wirkungen in der Seele mit Beispielen und Vergleichen zu erläutern. So bringt Cyrill von Jerusalem, wenn er zu den Katechumenen von der Taufe spricht, ein in der materiellen Welt zu beobachtendes Beispiel: »Wenn das Feuer die schwere Masse des Eisens durchdringt und es ganz zu Feuer macht und so das Kalte heiß und das Schwarze leuchtend wird, wenn also das Feuer, das selbst ein Körper ist, in das Innere des Eisens eindringt und so ungehindert wirkt, was wunderst du dich da, wenn der Heilige Geist in das Innerste der Seele dringt.«8
Mit der Taufe ist der dreieinige Gott in uns anwesend, und nur durch die Todsünde endet diese Gegenwart. Erklärungen kommen da bald an eine Grenze. Wir können nur staunen, dankbar sein und Gott immer wieder in uns suchen. Gelegentlich werden wir die Erfahrung des heiligen Augustinus nachvollziehen können: »Spät habe ich dich geliebt, o Schönheit, so alt und doch so neu, spät habe ich dich geliebt! Und siehe, du warst drinnen, und ich war draußen, und dort draußen suchte ich dich (...). Du warst mit mir, und ich war nicht bei dir. Und weit hielt ich mich von dir entfernt, was gar kein Dasein hätte, wenn es in dir nicht wäre. Du hast gerufen und laut gerufen und meine Taubheit mir zerrissen; du hast geblitzt und hast gestrahlt und meine Blindheit in die Flucht geschlagen (...); ich habe dich gekostet, und ich hungere und dürste, du hast mich angerührt, und da bin ich entbrannt nach deinem Frieden.«9
II. Durch die Einwohnung Gottes in der Seele des Menschen entsteht in ihm ein Leben, das Meister Eckhart, der große Mystiker des Mittelalters, zu schildern versucht: »Es ist eine Kraft in der Seele, die berührt weder Zeit noch Fleisch. Sie fließt heraus aus dem Geist, sie bleibt im Geist und ist durch und durch geisterfüllt.
In dieser Kraft grünt und blüht Gott in all der Freude und Ehre, wie er in sich selber ist. Da ist nun so herzliche Freude und so unbegreiflich große Freude, daß niemand sie angemessen beschreiben kann. (...) In dieser Kraft ist Gott glimmend und brennend ohne Unterlaß: mit all seinem Reichtum, mit all seiner Süßigkeit und mit all seiner Wonne.«10
Und das soll jedem Christen möglich sein? Einer zu Hause vielbeschäftigten Mutter, einem jungen Mann zwischen Studium und Vergnügen, einem Arbeiter in Sorge um sein Auskommen gleichermaßen gelingen? Natürlich nicht von selbst und ohne Übung. Erforderlich ist zunächst, das Vorurteil fallen zu lassen, Kontemplation und Aktion schlössen sich aus. Mutter Teresa sagt: »Wir sollen die Arbeit in Gebet verwandeln, das Gebet aber können wir nicht durch die Arbeit ersetzen. (...) Könnten wir nur begreifen, was >die Arbeit beten< heißt! Verstünden wir nur, unseren Glauben zu vertiefen!«11 Dies ist der erste Schritt: Begreifen, was »die Arbeit beten« heißt - jede Arbeit, jede sinnvolle Beschäftigung.
die Arbeit beten= heißt - jede Arbeit, jede sinnvolle Beschäftigung.Dann ist es nötig, der Askese - der Abtötung um der inneren Freiheit willen - ihren festen Platz einzuräumen: Herr seiner Sinneseindrücke sein, Erinnerung, Phantasie und Vorstellung zügeln, ein Gespür für das entwickeln, was hier und jetzt zu tun ist. So schaffen wir den inneren Raum, um unsere Arbeit und unsere Aufgaben auf Gott hin ausrichten zu können: gesellschaftliche Verpflichtungen, Familienleben, Reisen, Erholung, Sorgen und Nöte. Wir entdecken dann die tiefere Dimension der zig Alltagsdinge, die wir zu tun haben. Wir schaffen ein »Gegengewicht gegen die Masse der Dinge, die Menge der Menschen und das Getriebe des äußeren Geschehens; gegen Öffentlichkeit, Mode und Reklame«12.
Dann können wir nach Gott verlangen wie der Hirsch nach den Wasserquellen13. Im Laufe der Zeit wird es uns dann zur Gewißheit werden, was der selige Josemaría Escrivá sicherlich aus eigener Erfahrung niederschrieb: »Das Herz kann dann gar nicht mehr anders, als jede der drei göttlichen Personen zu kennen und anzubeten. Das ist für die Seele wie eine neue Entdeckung im übernatürlichen Leben, so wie ein kleines Kind nach und nach die Welt entdeckt. Die Seele hält liebende Zwiesprache mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist; sie unterwirft sich gern dem Wirken des lebenspendenden Trösters, der, ganz ohne unser Verdienst, in uns Einzug hält und uns die übernatürlichen Gnadengaben und Tugenden schenkt.«14
III. Wie jedes Wirken Gottes nach außen, ist die Einwohnung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in der Seele »irgendwie das Werk der Dreifaltigkeit als ganzer (...). Und wenn wir jeder der Personen etwas von dem, was uns geschieht oder was in bezug auf die Kreatur gewirkt wird, zuzuteilen scheinen, glauben wir dennoch, daß alles durch den Vater über den Sohn im Heiligen Geist geschieht.«15 Die Heiligung wird - wie die Theologie sagt - dem Heiligen Geist zugeeignet, zugesprochen. Er ist jener, der lebendig macht16. Und nach den Worten des Herrn17 ist er uns nicht als vorübergehende Gabe, etwa nur im Augenblick des Sakramentenempfangs, gesc= 15 Die Heiligung wird - wie die Theologie sagt - dem Heiligen Geist zugeeignet, zugesprochen. Er ist jener, der lebendig macht16. Und nach den Worten des Herrn17 ist er uns nicht als vorübergehende Gabe, etwa nur im Augenblick des Sakramentenempfangs, geshenkt, sondern er bleibt ständig bei uns. Wir sind »Kinder Gottes, in deren Herz der Heilige Geist wie in einem Tempel wohnt«18.
Die Einwohnung der göttlichen Personen und die Gnade Gottes in uns stehen in wechselseitiger Beziehung. »Die Gnade ist wie ein Netz, das wir über die ganze Dreifaltigkeit werfen, um sie in uns gefangen zu halten. (...) Bringen wir eine Lichtquelle in ein Zimmer, so beleuchtet sie dessen Wände. Kommen die göttlichen Personen zu uns (das ist die Quelle, die ungeschaffene Gnade), dann erleuchten sie die Wände der Seele (das ist die Wirkung, die geschaffene Gnade). Und besitzen wir die Gnade, dann ist auch schon deren Quelle - die drei göttlichen Personen - gegenwärtig. (...) Die ungeschaffene Gabe, der Heilige Geist, und die geschaffene Gabe, die Gnade, werden zugleich verliehen.«19
Der heilige Thomas lehrt, Gott sei auf dreifache Weise in den Geschöpfen: durch sein Wesen, seine Macht und seine Gegenwart. »Über diese allgemeine Gegenwart hinaus aber gibt es eine besondere Gegenwart, die den vernünftigen Wesen entspricht, in denen Gott, wie man es ausdrückt, als das Erkannte im Erkennenden und als das Geliebte im Liebenden ist. Und weil das vernünftige Geschöpf in seiner Tätigkeit Gott selbst erreicht, so ist Gott nicht nur einfach da, sondern wohnt auch in ihm wie in seinem Tempel, wie es heißt.«20
Die Gegenwart der drei göttlichen Personen in der begnadeten Seele läßt eine Beziehung entstehen, »wie sie nur zwischen geistigen Personen möglich ist. Es ist dies eine liebende Vereinigung: Gott ist die Liebe, und der Anteil am göttlichen Sein, den die Vereinigung gewährt, muß ein Mitlieben sein.«21
Wir nähern uns dem Pfingstfest, an dem sich die Verheißung des Herrn erfüllt: Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.22 Er ist der Gast, der Herz und Sinn erfreut23 und in uns die wachsende Gleichförmigkeit mit Christus schafft; er nimmt sich auch unserer Schwachheit an24 und tritt für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können.25
Der heilige Augustinus ist sich der Unfähigkeit bewußt, dieses Geheimnis anders als staunend, anbetend und liebend zu ergründen, wenn er - gerade am Ende seiner fünfzehn Bücher über die Dreifaltigkeit - bittet: »Ich habe, so gut ich es vermochte, so gut du mir Vermögen gabst, dich gesucht, habe mit der Vernunft zu schauen verlangt, was ich glaubte, habe viel erörtert, viel mich gemüht. Herr, mein Gott, meine einzige Hoffnung, erhöre mich, daß ich nicht, müde geworden, dich nicht mehr suchen will, sondern mit Inbrunst dein Antlitz suche immerdar. Gib du die Kraft, zu suchen, der du dich finden ließest und die Hoffnung gabst, daß wir dich mehr und mehr finden. (...) Befreie mich, o Herr, von der Vielrederei, an der ich drinnen in meiner Seele leide; sie ist erbarmungswürdig vor deinen Augen und flieht hin zu deinem Erbarmen. Ich schweige ja nicht in meinen Gedanken, selbst wenn ich mit dem Munde schweige. (...) Möge mein Urteilen und Werten vor ihnen sicher sein! Möge mein Gewissen vor ihnen sicher sein, indem du mir sicheren Schutz gewährst.«26
Bitten wir die Mutter Gottes um die Fähigkeit, wie sie die Geheimnisse Gottes im Herzen zu bewahren27, damit wir - gesammelt und staunend - Gott in uns anbeten und seinen Eingebungen freudig folgen.
1 Joh 14,18. - 2 Joh 14,21. - 3 Joh 14,22. - 4 Regensburger Neues Testament, Bd.4, Regensburg 1961, S.274. - 5 Joh 14,23. - 6 Ez 37,26-27. - 7 2 Kor 6,16. - 8 Cyrill von Jerusalem, Katechesen, 17,14. - 9 Augustinus, Bekenntnisse, 10,27. - 10 Meister Eckhart, Die Gottesgeburt im Seelengrund, Freiburg 1990, S.115. - 11 Mutter Teresa, Beschaulich inmitten der Welt, Einsiedeln 1990, S.97. - 12 R.Guardini, Tugenden, Mainz/Paderborn 1987, S.158. - 13 Ps 41,2. - 14 J.Escrivá, Freunde Gottes, 306. - 15 Cyrill von Alexadrien, Johanneskommentar, 10,2. - 16 Das Große Glaubensbekenntnis. - 17 vgl. Joh 14,15-17; 15,36; 16,7-14. - 18 II.Vat.Konzil, Konst. Lumen gentium, 9. - 19 Ch.Journet, Vom Geheimnis der Gnade, Freiburg 1962, S.28-29. - 20 Thomas von Aquin, Summa theologica, I,8,3. - 21 Edith Stein, Im verschlossenen Garten der Seele, Freiburg 1989, S.80. - 22 Joh 14,26. - 23 Pfingstsequenz. - 24 Röm 8,26. - 25 ebd. - 26 Augustinus, Über die Dreieinigkeit, 15,28,51. - 27 vgl. Lk 2,19;2,51.
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