CHRISTI HIMMELFAHRT
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JESUS ERWARTET UNS IM HIMMEL
Der verherrlichte Herr in seiner Vollendung. Sein Fortgehen zum Vater stärkt unsere Hoffnung. Als Jünger Christi in die Welt gesandt.
I. Der Herr erhob seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben1. Die segnenden Hände sind die letzte Geste, das letzte sichtbare Zeichen Jesu auf Erden. Matthäus ergänzt: als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder2 - vor ihrem Meister und Gott. Nun sind die Jünger jeglichen Zweifels enthoben: jener, dem sie als Rabbi gefolgt waren, ist der Messias. Rückblickend staunen und freuen sie sich bei dem Gedanken, daß ihr Herr und Gott ihnen immer ganz nahe war - auch zu Zeiten schwachen Glaubens. Während der vierzig Tage, in denen sich der Auferstandene immer wieder zeigte, hat sich ihre Zeugenschaft gefestigt, aber erst durch die Herabkunft des Heiligen Geistes wird sie unerschütterlich werden.
Jesu Worte sind nun mehr als die lebenserfüllte Belehrung des Meisters; jetzt spricht der souveräne Gott zu ihnen: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden3. Er überträgt seine göttliche Vollmacht auf jene, die er zur Fortsetzung des Heilswerkes um sich gesammelt hat. Sie werden im Taufsakrament neues Leben schenken, im Sakrament der Beichte Sünden vergeben. Christi göttliche Vollmacht lebt in der Kirche fort. Leo der Große sagt in einer Predigt zum heutigen Festtag: »Was also an unserem Erlöser sichtbar war, ist übergegangen in die Sakramente. Damit unser Glaube verdienstlicher und fester würde, ist an die Stelle der >sinnlichen Wahrnehmung< die >Lehre< getreten, deren gewichtigem Worte die von himmlischen Strahlen erleuchteten Herzen der Gläubigen folgen sollen.«4 Jesus kündigt dies mit Worten an, die wir in der ersten Lesung der Messe hören: Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Jadäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.
Dann heißt es: Als er dies gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken.5 »Der Vorgang der >Himmelfahrt< wird im Passiv dargestellt. (...) Das Geschehen ist also als eine Machttat Gottes geschildert, der Jesus in den Raum seiner Nähe einbezieht, nicht als eine Flugreise nach oben. Das Bild der Wolke, das in diese Richtung zu weisen scheint, ist in Wahrheit ein uraltes Bild alttestamentlicher Kulttheologie: Zeichen der Verborgenheit Gottes, der gerade in seiner Verborgenheit der Nahe und der Mächtige ist, der allzeit über uns und dennoch immerfort in unserer Mitte ist, der sich all unserem Greifen- und Verfügenwollen entzieht und eben darin über uns alle verfügt. Durch dieses Bild der Wolke wird die Erzählung von der Himmelfahrt eingefügt in die ganze Geschichte Gottes mit Israel, beginnend mit der Wolke am Sinai und über dem Bundeszelt in der Wüste bis zu der lichten Wolke, die auf dem Berg der Verklärung die Nähe Gottes verkündete.«6
Die Himmelfahrt des Herrn fügt sich als letztes Geschehen seines Lebens auf Erden in das Ganze des erlösenden österlichen Geheimnisses von Leiden, Tod und Auferstehung ein. Jene, die Zeugen der Schmach des Leidens und der Erniedrigung des Kreuzes geworden waren, werden nun zu Zeugen seiner Erhöhung eingedenk der Worte, die er einst zu ihnen gesprochen hatte: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.7 Und ebenso: Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt, und ich gehe zu dir.8
In einer Betrachtung zum zweiten Geheimnis des glorreichen Rosenkranzes heißt es beim seligen Josemaría Escrivá: »Jesus ist wieder beim Vater. - Zwei Engel in weißen Gewändern nähern sich uns und sagen: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel hinauf? (Apg 1,9)
Petrus und die anderen kehren nach Jerusalem zurück - >cum gaudio magno<, mit großer Freude (Apg 24,52). - Es ist nur gerecht, daß der heiligen Menschheit Christi von dem ganzen Chor der Engel und all den Scharen der Seligen im Himmel Huldigungen und Jubelrufe und Anbetung entgegengebracht werden.«9
II. Papst Leo der Große sagt in der bereits zitierten Predigt weiter: »Heute begehen und feiern wir mit Recht den Tag, an dem Christus unsere niedrige Natur über alle himmlischen Heerscharen, über alle Chöre der Engel und alle ihre erhabenen Mächte auf den Thron seines Vaters emporhob. Unserer Festigung, unserer Förderung diente diese Aufeinanderfolge der Taten des Herrn. Es sollte sich die Wirksamkeit der göttlichen Gnade in noch wunderbarerem Lichte offenbaren, wenn dem Blick des Menschen entzogen wird, was notwendig Ehrfurcht erwecken muß, und trotzdem der Glaube nicht versagt, die Hoffnung nicht wankt und die Liebe nicht erkaltet. Denn darin zeigt sich die Stärke großer Geister, darin die Erleuchtung gläubiger Seelen, daß sie bereitwillig für wahr halten, was sie nicht mit körperlichem Auge sehen, daß sie dorthin ihr Sehnen richten, wohin ihr Blick nicht zu dringen vermag.«10
Der Aufstieg des Herrn, die Erhöhung des Herrn - dies die eigentliche liturgische Bezeichnung des heutigen Festes - stärkt unsere Hoffnung. Denn Jesus, so beten wir in der Präfation, kehrt zum Vater heim, nicht um uns Menschen zu verlassen, er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er als erster vorausging11. Der Herr »tritt aus der Geschichte hinaus, in den Bereich der Vollendung, wo weder Geschehen noch Schicksal mehr ist, sondern nur ewig-lebendes Sein. Er geht fort - und ist zugleich in einer neuen Weise da, wie er selbst gesagt hat: >Ich gehe fort und komme zu euch< (Joh 14,28). Von diesem wiedergekommenen Christus redet Paulus: Er sitzt im Himmel zur Rechten des Vaters - ist aber auch in uns, und wir in ihm. Er ist in der Ewigkeit - aber auch, nach neuer Weise, in der Zeit, in der Innerlichkeit des Werdens.«12 Im Werden der Zeit hilft er uns, zu ihm zu gelangen, indem wir seinen verherrlichten Leib mit den Zeichen des heilbringenden Leidens betrachten.
Die Hoffnung auf den Himmel prägt unseren irdischen Weg. Es ist der Weg, den die Apostel nach der Himmelfahrt gingen: »Sie wurden so in ihrem Glauben gefördert, daß für sie alles, was ihnen vorher Furcht eingeflößt hatte, nunmehr ein Grund zur Freude wurde. All ihre Blicke waren jetzt zu dem emporgerichtet, der als Gott zur Rechten des Vaters thront. Nicht mehr hinderte sie die Schranke ihres leiblichen Auges, den in ihrem Geiste zu schauen, der sich weder durch sein Herniedersteigen zur Erde vom Vater entfernt, noch durch seinen Aufstieg zum Himmel von seinen Jüngern getrennt hatte.«13
Hatte er nicht gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?14 »Christus erwartet uns. Laßt uns bereits jetzt wie Bürger des Himmels leben (Phil 3,20), indem wir vollkommen als Bürger der Erde leben inmitten von Schwierigkeiten, Ungerechtigkeit und Unverständnis, aber auch inmitten der Freude und Gelassenheit, die aus dem Wissen kommt, daß Gott uns als seine Kinder liebt.
Wenn aber trotz allem die Himmelfahrt des Herrn in unserem Herzen einen Nachgeschmack von Bitternis und Traurigkeit zurücklassen sollte, dann wollen wir uns an seine Mutter wenden wie damals die Apostel: Sie kehrten nach Jerusalem zurück (...) und verharrten einmütig im Gebet (...) mit Maria, der Mutter Jesu (Apg 1, 12-14).«15
III. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.16
»Auch wir verharren, wie die Apostel, halb staunend, halb traurig, weil er uns zurückläßt. Denn es ist wahrhaftig nicht leicht, sich an die leibliche Abwesenheit Jesu zu gewöhnen. Mich bewegt der Gedanke, daß er, in einer Großtat der Liebe, gegangen und doch geblieben ist: Er ist in den Himmel aufgefahren, und er schenkt sich uns als Nahrung in der heiligen Hostie. Aber wir vermissen sein menschliches Wort, seine Art zu handeln, zu blicken, zu lächeln und Gutes zu tun. Gern würden wir ihn noch einmal ganz aus der Nähe betrachten, wie er sich müde vom anstrengenden Weg am Brunnen niedersetzt (vgl. Joh 4,6), wie er um Lazarus weint (vgl. Joh 11,35), wie er lange im Gebet verweilt (vgl. Lk 6,12), wie er sich der Volksmenge erbarmt (vgl. Mt 15,32; Mk 8,2).«17
Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Das Wort der Engel klingt wie eine liebevolle Mahnung: Kehrt zurück zu eurem Alltag, nehmt die große Aufgabe in Angriff, die auf euch wartet, die Zeit drängt. »Sie sollten nicht in die Zukunft starren, nicht grübelnd warten auf die Stunde seiner Wiederkunft. Nein, sie sollten erkennen, daß er gar nicht aufhöre, immerfort anwesend zu sein, ja, durch sie immer mehr anwesend werden wollte: Die Gabe des Geistes und die Aufgabe des Zeugnisses, der Verkündigung, der Mission sind die Weise, wie Christus jetzt schon anwesend ist.«18
Mit der Himmelfahrt ist das Werk Christi auf Erden vollendet. Nun beginnt unsere Zeit: die Zeit der Kirche, der Mission. Da werden die Worte, die der Herr an den Vater für uns richtete, zum eigenen Gebet: Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern, daß du sie vor dem Bösen bewahrst.19 Der Herr will uns nicht herausnehmen aus unserem Milieu, aus unserer Arbeit, aus unserer Familie. Ja, er will, daß wir vor Ort bleiben und überall seinem Wort den Boden bereiten. Dann werden - zumindest dort, wo Christus durch uns wirken kann - Menschenwürde, Gerechtigkeit, Frieden kein utopischer Traum bleiben.
»Das heutige Fest erinnert uns daran, daß der Eifer für die Seelen ein liebenswertes Gebot des Herrn ist, der uns bei seiner Himmelfahrt in die ganze Welt hinaussendet. Unsere Verantwortung ist groß; denn Zeuge Christi sein erfordert vor allem, nach seiner Lehre zu leben, uns anzustrengen, daß unser Verhalten Christus erkennen läßt und an seine liebenswerte Gestalt erinnert.«20
Jesus geht, aber er bleibt uns ganz nahe, besonders in der Eucharistie. Vielleicht ist ganz nahe bei unserem Arbeitsplatz, gleich um die Ecke, eine Kirche - und Christus dort im Tabernakel gegenwärtig. Und wenn es die konkreten Umstände nicht zulassen sollten, ihn dort aufzusuchen, können wir uns ihm zumindest mit dem Herzen nähern und ihn bitten, er möge unsere Sendung in der Welt segnen.
Christi Himmelfahrt! »Der Herr sitzt zur Rechten des Vaters; aller Wandelbarkeit der Geschichte entrückt; im stillen, wartenden Triumph, der einst in den offenbaren, die Welt erschütternden Sieg des Gerichtes ausbrechen wird. Zugleich aber ist er aufs neue bei uns Menschen; an den Wurzeln alles Geschehens; im Innersten jedes Glaubenden; in Innersten des gläubigen Gesamt, der Kirche; als Gestalt, Macht, Führung und Einheit. Indem er den allgemeinen geschichtlichen Raum des offenen Dastehens verläßt, bildet sich im Heiligen Geist der neue christliche Raum: die Innerlichkeit des glaubenden Einzelnen und der Kirche, wechselseitig bezogen und eins.«21 Und es bildet sich der Raum unserer Sendung in der Welt. Die Apostel kehrten in großer Freude nach Jerusalem zurück22. Dort verharrten sie im Gebet, vereint mit Maria, in Erwartung der Kraft des Heiligen Geistes.
1 Lk 24, 50-51. - 2 Mt 28,17. - 3 Mt 28,18. - 4 Leo der Große, Predigt 74. - 5 Apg 1,8-9. - 6 J.Kard.Ratzinger, Dogma und Verkündigung, München 1973, S.362-363. - 7 Joh 20,17. - 8 Joh 17,11. - 9 J.Escrivá, Der Rosenkranz, 2. glorreiches Geheimnis. - 10 Leo der Große, a.a.O. - 11 Präfation von Christi Himmelfahrt I. - 12 R.Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, S.508. - 13 Leo der Große, a.a.O. - 14 Joh 14,2. - 15 J.Escrivá, Christus begegnen, 126. - 16 Apg 1,10-11. - 17 J.Escrivá, a.a.O., 117. - 18 J.Kard. Ratzinger, a.a.O., S.364. - 19 Joh 17,15. - 20 J.Escrivá, a.a.O., 122. - 21 R.Guardini, a.a.O., S.511. - 22 Lk 24,52.
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