OSTERZEIT 7. WOCHE - DIENSTAG
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DIE GABEN DES HEILIGEN GEISTES: FRÖMMIGKEIT
Kindschaft. Vertrauendes Gebet, brüderliche Liebe zum Nächsten. Die Familie Gottes.
I. Fromm nennen wir für gewöhnlich einen Menschen, der innerlich andächtig und äußerlich gesammelt zu Gott betet. Die Geistgabe der pietas, der Frömmigkeit, indessen, umfaßt weit mehr. Sie erwächst, wie die Tugend der Religion, aus der Liebe. Aber während die Religion Gott als den Ursprung unseres Seins, das »Prinzip der Erschaffung und Erhaltung aller Dinge«1 verehrt, sieht die pietas, die Frömmigkeit, in ihm unseren Vater. »Pius, pietätvoll, ist zunächst der, der dem Vater die schuldige Ehrerbietung erweist. Aber weil nach Thomas (...) im Größeren stets auch das Kleinere miteinbezogen ist, darum ist pietas überhaupt die Antwort des Menschen auf den Vater und auf alles, was in Beziehung zum Vater steht, Eltern, Blutsverwandte, Vaterland, Nebenmenschen.«2 Der größte Reichtum, den Gott - »= 2 Der größte Reichtum, den Gott - Spender der Gaben« und »Vater der Armen«3 - uns schenkt, ist die Gabe der Kindschaft.
= 3 - uns schenkt, ist die Gabe der Kindschaft.Gott »ist im doppelten Sinne unser Vater; Vater unseres natürlichen Seins und Vater unseres übernatürlichen Seins und er ist noch viel mehr Vater in diesem letzten Sinn des Wortes als im ersteren, wie ja auch die Wiedergeburt zur Gnade unsere leibliche Geburt um ein Unendliches übertrifft. Damit aber führt uns die Gabe der Pietät mitten hinein in das Leben des dreieinigen Gottes, dorthin, wo der Quell aller Fruchtbarkeit und Vaterschaft ist.«4 Als seine Kinder begegnen wir Gott mit der feinfühligen Liebe eines guten Sohnes, einer guten Tochter, und sehen in unseren Mitmenschen - auch das gehört zur Pietas - Brüder und Schwestern, Angehörige einer einzigen Familie.
.= 4 Als seine Kinder begegnen wir Gott mit der feinfühligen Liebe eines guten Sohnes, einer guten Tochter, und sehen in unseren Mitmenschen - auch das gehört zur pietas - Brüder und Schwestern, Angehörige einer einzigen Familie.Im Alten Testament sind die Frommen Jahwes jene, die den Bund ihres Gottes von Herzen bejahen. »Fromm« ist, wer Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht5. Ausdruck der Frömmigkeit ist das Gebet, das das auserwählte Volk inständig an Gott richtet: als Lobpreis und Bitte, ehrfürchtig die göttliche Größe anbetend, aber auch - besonders in den Psalmen - sich innig-familiär über Freude und Not, Hoffnungen und Sorgen mit ihm aussprechend.
Als mit Jesus die Fülle der Zeit anbricht, lernen wir von ihm das schlichte Beten zu Gott: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater ...6 An verschiedenen Stellen des Neuen Testamentes stoßen wir auf das aramäische Wort Abba die familiäre Anrede eines Kindes für seinen Vater. Der Urgemeinde war es so heilig, »daß sie es auch in griechischen Texten im ursprünglichen aramäischen Wortlaut überliefert hat (Gal 4,6; Röm 8,15). So war man in der Kirche von Anfang an überzeugt, daß das eigentlich und spezifisch Christliche in einer intimen persönlichen Gemeinschaft mit Gott besteht und im Wissen, Kind, Sohn, Tochter Gottes zu sein.«7
Dieses Empfinden soll uns prägen und unser Gebet zu Gott grundieren. Denn »der Gott unseres Glaubens ist nicht ein entrücktes Wesen, das auf das Schicksal, auf die Not und das Elend der Menschen unbeteiligt herabschaut. Er ist ein Vater, der seine Kinder so sehr liebt, daß er das Wort, die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, in die Welt sendet, damit es, Fleisch geworden, für uns sterbe und uns erlöse. Es ist derselbe liebende Vater, der uns jetzt sanft zu Christus hinzieht durch das Wirken des Heiligen Geistes, der in unseren Herzen wohnt.«8
Mit der Gabe der Frömmigkeit schenkt uns der Heilige Geist das instinktive Gespür eines hilfsbedürftigen Kindes im Umgang mit Vater und Mutter. Wir begegnen Gott mit einem Vertrauen, das alles in unserem Leben prägt: Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.9 Der Apostel fordert uns auf, das unschätzbare Gut der Gotteskindschaft zu betrachten, das wir mit der Taufgnade empfangen haben, und er ermuntert uns dazu, dem Wirken des Heiligen Geistes zu folgen, der uns nach Art von kleinen Kindern rufen läßt: Abba, Vater!
II. Das kindliche Vertrauen findet seinen Ausdruck besonders im Gebet. Nach Paulus nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können.10 Wenn unser Beten echt ist, wird es - kraft des Heiligen Geistes - so facettenreich sein wie das Leben. Wir kennen dieses Ineinander von Beten und Leben aus dem Alten Testament, wo wir Worte finden, die wir uns leicht zu eigen machen können, denn sie sind in ihrer Aktualität zeitlos: Warum verbirgst du dein Gesicht?11 Dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres lechzendes Land ohne Wasser.12 Neben dir erfreut mich nichts auf Erden.13 Du bist der Gott meines Heiles. Auf dich hoffe ich allezeit.14
Die Gabe der Frömmigkeit begründet eine kindliche Zuneigung, die uns - bedürftig, wie wir sind - beharrlich bitten läßt. Auch wenn unser Bitten nicht immer Erfüllung findet, im Gebet verschmilzt unser Wille mit dem Willen des Vaters, der stets das Beste für seine Kinder will; das soll uns genügen.
Angetrieben von der Geistgabe der Frömmigkeit, erkennen wir, wie die Welt in der Hand des lebendigen Gottes ruht - eines Vaters, der alles zum Wohl seiner Kinder einrichtet. Was kann es da Besseres für uns geben, als betend Gottes Willen zu ergründen, um ihn dann unverzüglich zu verwirklichen. Wir geben uns der Vaterschaft Gottes anheim und gewinnen die Gelassenheit dessen, der erfühlt, daß Heimsuchungen ihm zum Wohl gereichen.15 Eines Tages wird uns der Herr sehen lassen, weshalb er jene Demütigung, jenes wirtschaftliche Scheitern, jene Krankheit zuließ.
Die Gabe der Frömmigkeit läßt uns im Menschen das Kind Gottes sehen, dessen unschätzbaren Wert das am Kreuz vergossene Blut Christi offenbart. Den Menschen gerecht und liebevoll, mild und hilfsbereit zu begegnen, fällt uns dann leichter. Mehr noch: der Heilige Geist bewirkt, daß wir auf diese Weise in den anderen Christus selbst gewahren und in ihnen ihm dienen: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.16
Die Gabe der Frömmigkeit weckt in uns, wenn wir den Nächsten beurteilen, Wohlwollen. Beleidigungen, selbst sehr schmerzliche, zu vergeben, fällt uns nicht mehr so schwer. Wir ahnen, daß das Wort des Herrn nicht unerreichbar ist: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.17 Wenn er hier von Feinden und Verfolgern spricht, um wieviel mehr werden wir dann kleine Kränkungen im täglichen Umgang vergeben. Ein vergebendes Herz ist ein untrügliches Merkmal gelebter Gotteskindschaft.
III. Ähnlich wie die Tugend der Frömmigkeit in ihrer herzlichen Hinwendung zum Vater alle und alles einschließt - Eltern, Verwandte, die Heimat, das Vaterland -, stärkt die Geistgabe der Frömmigkeit das familiäre Verhältnis zu jenen, die Gott innerhalb des Mystischen Leibes bereits ganz nahe sind: Unsere Liebe Frau, unsere Brüder und Schwestern in der Vollendung, die Heiligen also, und die, die im Fegefeuer noch büßen müssen.
Diese Liebe umfaßt alle innerhalb des Mystischen Leibes Christi, den Papst, die Bischöfe wie all jene, mit denen wir uns aufgrund einer besonderen Wertschätzung verbunden wissen.
Schließlich schenkt uns die Gabe der Frömmigkeit eine herzliche Liebe zu jenen, die in unserem Leben eine ganz spezifische Rolle spielen. An erster Stelle stehen da unsere Eltern; denn die irdische Elternschaft ist der Widerschein der Vaterschaft Gottes, nach dessen Name jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden benannt wird18. Aber auch betagte Menschen erscheinen uns im Licht der Frömmigkeit als ehrwürdig, der Zuwendung besonders bedüftig.
Dank der Gabe der Frömmigkeit sind wir also in der Lage, in ein gerechtes und liebendes Verhalten zu Gott, zu den Engeln, den Menschen und allen geschaffenen Dingen zu treten.
Schließlich läßt uns diese Gabe die dem Kult dienenden Gegenstände ehrfürchtig pflegen und die Heilige Schrift in Liebe und Verehrung lesen, denn »in den Heiligen Büchern kommt ja der Vater, der im Himmel ist, seinen Kindern in Liebe entgegen und nimmt mit ihnen das Gespräch auf«19.
Eine besonders kostbare Frucht der Gabe der Frömmigkeit in der Seele ist die Ergebenheit in das Walten Gottes - denn wenn Gott sich um die ganze Schöpfung kümmert, um wieviel mehr wird er für die Geschöpfe, seine Kinder, Sorge tragen.20 Diese Gelassenheit paart sich mit dem Erkennungszeichen der Kinder Gottes, der Freude: »Niemand soll Traurigkeit oder Schmerz aus deinem Gesicht herauslesen, wenn du durch unsichtbare Opfer Christus in deiner Umwelt gegenwärtig werden läßt: Kinder Gottes müssen immer Frieden und Freude aussäen.«21
Was also tun, damit der Heilige Geist diese Gabe immer tiefer in uns einsenkt? Rufen wir immer wieder Abba, Vater!, wenn unsere Sinne sich an der Schöpfung erfreuen. Es ist der Weg der Bergpredigt. Jesus schaut auf die Herzen der Menschen und gewahrt gleichzeitig die Vögel und die Blumen, die die Menschen an den Vater im Himmel erinnern sollen.
1 Thomas von Aquin, Summa Theologica, II-II,81,3c. - 2 R.Graber, Die Gaben des Heiligen Geistes, Regensburg 1936, S.93. - 3 vgl. Sequenz Veni, Sancte Spiritus. - 4 R.Graber, a.a.O., S.94. - 5 Ps 1,2. - 6 Lk 11,2. - 7 Katholischer Erwachsenen-Katechismus, Bonn 1985, S.65. - 8 J.Escrivá, Christus begegnen, 84. - 9 1 Joh 3,1. - 10 Röm 8,26. - 11 Ps 44,25. - 12 Ps 63,2. - 13 Ps 73,25. - 14 Ps 25,5. - 15 vgl. Röm 8,28. - 16 Mt 25,40. - 17 Mt 5,44-45. - 18 Eph 3,15. - 19 II.Vat.Konz., Konst. Dei Verbum, 21. - 20 vgl. Mt 6,28. - 21 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.59.
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