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  • 06.09.2013 10:21 - Dem Herzen Jesu singe!
von Hildegard Maria in Kategorie Allgemein.


Dem Herzen Jesu singe!



Ich hatte bitteren Kummer und ich hatte niemand, dem ich mich hätte aussprechen können; niemand, dem ich meine Seelenkämpfe und Stürme hätte anvertrauen mögen.

Ein Gefühl gänzlicher Verlassenheit überkam mich bei dem Gedanken, dass das Elternhaus mir täglich fremder und fremder geworden sei seit dem Tod meiner guten Mutter. An Vergnügungen, wie sie ein 18jähriges Mädchen wohl sucht, das nur ganz für die Welt erzogen, fehlte es nicht. Sonst aber blieb ich mir ganz selbst überlassen und täglich wurde es leerer und öder in meinem Herzen, an das die Gnade schon manches Mal vergeblich angeklopft hatte, bald leise, bald laut.

In dieser Seelenstimmung verließ ich eines Tages das Haus und unwillkürlich lenkte ich meine Schritte zum Gotteshaus. Dort, wo ich allsonntäglich die Liturgie mit anderen jungen Mädchen zusammen auf der Orgelbühne sang, wohin ich immer mit so freudigem Eifer eilte, wenn ein Konzert die Kirche bis zum letzten Platz füllte: dort wird es vielleicht still werden in meinem Innern, so dachte ich. Es drängte mich hin zu Gott, mit ihm wollte ich allein sein; er war es, den ich suchte, aber in Dunkelheit, und den ich nicht fand. „Verschlossen!“ kam es enttäuscht und tonlos über meine Lippen, als ich die Hand auf das schwere Schloss der Kirchentür legte; denn die Kirchen sind ja untertags verschlossen.

Fast mechanisch schritt ich weiter auf der schon im Abenddunkel liegenden Straße, mit den Tränen kämpfend, die heiß emporstiegen. Ich achtete nicht darauf, wie weit ich schon gegangen sei. Plötzlich aber blieb ich stehen, um den vollen Akkorden einer Orgel zu lauschen. Vergebens suchte ich beim Schein der Laterne die Kirche, in der eine solche doch nur sein kann; nur ein offener, dunkler Torbogen lag vor mir, in den ich eintrat. Ein enger Hofraum zeigte eine Tür, die nur angelehnt war; von dorther kam die Musik.

Leise schob ich die Tür ein wenig auf, durch eine zweite Tür schimmerte Licht und kurz entschlossen trat ich ein. – Welch eine glückliche Fügung! Ich stand in einer katholischen Kirche. – Dass eine solche sich in der kleinen, ganz protestantischen Stadt befand, hatte ich gar nicht gewusst.

Das Kirchlein selbst war eng und klein, aber sauber und freundlich wie ein Schmuckkästchen und die ewige Lampe vor dem kleinen Hochaltar erhellte mit ihrem rosigen Schimmer den düsteren Chor. Auf einem kleinen Seitenaltar stand eine Herz-Jesu-Statue und diese selbst war festlich geschmückt.

Eben setzte die Orgel wieder aufs neue ein und nun hörte ich, dass oben geübt wurde. Es musste nur ein kleiner Chor junger Mädchen sein. Die Altstimmen waren überwiegend stark; auch eine dritte Stimme fehlte nicht. Aber der Sopran klang schwach und wenig durchgreifend.

Trotzdem ergriff mich die süße Melodie des Liedes, sie klang mir in die Seele hinein. Wieder und immer wieder aufs neue übte man dasselbe Lied. Bald konnte ich es auch. Bei dem jubelnden Schluss eines jeden Verses hätte ich einstimmen mögen, um mit meiner vollen Stimme, die Gott mir gegeben hat, zu helfen, dass es doch noch jubelnder klingen möchte.

Dieser stille Wunsch sollte kein bloßer Wunsch bleiben. Gewissermaßen zu meiner Ermutigung knistert droben auf der Orgelbühne unter den Taktschlägen des Dirigenten ein loses Blatt. Nun flattert es langsam näher und näher von oben herab und fällt zu meinen Füßen zur Erde nieder.

Freudig bücke ich mich. „Dem Herzen Jesu singe,“ lese ich unter der einzigen Gasflamme; mit starker Schrift steht es über den schlecht geschriebenen Noten, aber ich lese sie schon. Wieder klopft der Taktstock oben – wieder dasselbe Lied.

Ich kann es nicht lassen, nicht länger in der Kehle zurückhalten, was aus tiefster Brust emporsteigt, und so singe ich denn aus voller Kehle und freue mich, dass es klingt. Die zweite Strophe wird mit gleicher Begeisterung gesungen. Ich höre lebhafte, gedämpfte Stimmen und nun kommt mit hastigen Schritten jemand die Treppe, die zur Orgelbühne führt, herunter. Eilig will ich mich zur Tür wenden, aber im nächsten Augenblick steht ein junges Mädchen meines Alters vor mir und sagt in etwas schüchternem, aber freundlichem Ton: „Ach, liebes Fräulein, der Herr Lehrer lässt Sie bitten, doch heraufzukommen und mit uns zu üben. Wir müssen das Lied morgen zur ewigen Anbetung hier singen. Aber unsere beste Sängerin ist krank geworden und wir sind nur so wenige. Herr Lehrer hat es sogleich herausgehört, dass Sie unten mitsangen.“ Ich war sehr verlegen und wollte auch nicht verraten, wer ich sei. Im Städtchen waren wir noch wenig bekannt, weil mein Vater vor kurzem erst dorthin versetzt worden war.

Aber das Lied, das schöne Lied, es war zu verlockend für mich, ich musste es können, wenn ich auch Protestantin war. – So stand ich denn gleich darauf in der letzten Reihe der kleinen Mädchenschar bei der Orgel. Meine anfängliche Verlegenheit verbarg ich hinter dem Notenblatt und sang tapfer mit.

„Also morgen pünktlich um 6 Uhr!“ sagte der Lehrer zum Schluss. Offenbar hatte er die Absicht, auf mich zuzukommen; ich bemerkte es. Jedoch, um dies zu verhindern, war ich die erste, die eilends die Kirche verließ.

Seltsam, - mit welcher Stimmung war ich doch gekommen und wie ging ich von dannen! Hatte ich mir das Leid von der Seele gesungen? Es schien so. Noch immer klang es jubelnd in mir nach:



„Gelobt, gebenedeit

Soll sein zu jeder Zeit

Das heiligste Herz Jesu,

In alle Ewigkeit.“



Und leise sang ich es vor mich hin, während ich durch die dunklen Straßen nach Hause eilte. Was die ewige Anbetung recht sei, wusste ich nicht. Ich dachte auch nicht viel darüber nach; aber mitsingen wollte ich das Lied für jeden Fall.

So kam es denn, dass ich am folgenden Tag wieder zwischen meinen jugendlichen Gefährtinnen auf der Orgelbühne stand, die mich, freundlich lächelnd, mit etwas neugierigen Mienen empfingen.

Wie so gerne hätte ich einen Blick hineingetan in das hellerleuchtete Kirchlein von oben herab, aber ich stand ganz im Hintergrund. Ich hörte unten den Priester beten und die Andächtigen antworten; ich sah am Hochaltar die Kerzen blinken, aber den guten Gott, den erbarmenden Heiland in der Monstranz, sah ich nicht. Wohl aber wird sein allsehendes Auge auf mir geruht haben. Ja, der mich da wieder mit so deutlicher Stimme gerufen hatte, er sah mich auch.

Nun kam unser Lied an die Reihe. Wie schön es klang, so frisch und jubelnd! Denn auch die erkrankte Sängerin hatte sich wieder eingefunden.

„Da haben sich aber der liebe Herrgott und die Engel im Himmel gefreut,“ sagte der Lehrer mit wohlwollendem Lächeln, als die letzte Schlussstrophe verklungen war. Er ahnte nicht, dass ein Ruf der Gnade mit diesem Lied ertönte – hinein in ein armes, zagendes und irrendes Menschenherz.

Leise und unbemerkt hatte ich mich wieder entfernt. Als ich aber auf der stillen, öden Straße stand, überkam mich plötzlich ein Empfinden, das ich nicht in Worte zu bringen vermag. Ich hätte lachen und weinen mögen zugleich.

Zu der stillen, freudigen Zuversicht, die mich plötzlich erfüllte, schlich sich ein Weh in meine Seele, das bitterstem Heimweh gleichkam und das mir geblieben ist, bis zu dem Tag, an dem ich endlich nach langem Ringen und Kämpfen aufgenommen wurde in den Schoß der heiligen katholischen Kirche. Einige Jahre darauf, nachdem ich anderswo verheiratet war, besuchte ich auf einer Reise auch das kleine, liebe Städtchen wieder. Mein guter Mann, der mich begleitete, erfüllte gern meine Bitte, mit mir das traute, liebe Kirchlein aufzusuchen, in dem ich einst so freudig mitgesungen hatte, obwohl ich gänzlich fremd war. Nun war ich nicht mehr fremd, denn überall, wo immer eine ewige Lampe glüht, sind wir zu Hause und die Kirchtür ist uns nicht verschlossen.

Deshalb störte es auch jetzt nicht die heilige Stille, als auf der Orgel das liebste meiner Lieder, das ich hier zum ersten Mal gesungen hatte, in jubelnden Akkorden gespielt wurde:



„Dem Herzen Jesu singe

Mein Herz in Liebeswonn`!“



Nach meiner Konversion hatte ich nach und nach all die schönen Lieder und Gesänge gelernt, die so viel beitragen zur Verherrlichung des Gottesdienstes. Anfangs war es mir immer hart gewesen, dass ich nur schweigend zuhören musste, wenn in der Kirche gesungen wurde. Aber ein Lied konnte ich, und als ich zum ersten Mal als Katholikin in stiller Anbetungsstunde vor dem heiligsten Sakrament kniete und mit den Augen des Glaubens das Herz erkannte, das für die ganze Welt in heißer Liebe sich erschloss, da sang ich mit wahrem Herzensjubel den Lobgesang mit, den die andächtige Menge anstimmte:



„Dem Herzen Jesu singe

Mein Herz in Liebeswonn`,

Durch alle Wolken dringe

Der laute Jubelton.“



und nie soll in meinem Herzen verklingen das dankende:



„Gelobt, gebenedeit

Soll sein zu jeder Zeit

Das heiligste Herz Jesu,

In alle Ewigkeit.“



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