23. November – Der heilige Klemens
„Wenn du mich liebst, weide meine Lämmer!“ Mit diesen Worten, durch die einst der Heiland Petrus zum sichtbaren Oberhaupt der Kirche ernannt hat, beginnt die heutige Messfeier. Damit ist schon gesagt, dass der heilige Klemens, dessen Fest wir begehen, ein Nachfolger des heiligen Petrus auf dem Bischöflichen Stuhl zu Rom war. In der Reihe der Päpste hat Klemens an vierter Stelle von 92 bis 101 das Schifflein Petri durch die Stürme der dritten Christenverfolgung unter Kaiser Trajan umsichtig und mutvoll gesteuert.
Es war eine glorreiche Zeit, denn es verging kaum ein Tag, an dem nicht christliche Helden um des Glaubens willen Gut und Blut für Christus hingaben. Damit die Schicksale der Blutzeugen, ihre herrlichen Bekenntnisse vor den Richtern und die edle Gesinnung, mit der sie in den Tod gingen, nicht in Vergessenheit gerieten, ordnete Klemens an, dass alle Nachrichten über die heiligen Martyrer genau und wahrheitsgetreu aufgeschrieben werden sollten. Auch hat Papst Klemens an die Christengemeinde in der griechischen Stadt Korinth einen Brief gesandt, in dem er die Gläubigen zur Eintracht mahnte. Teile aus dem Brief sind in früheren Jahrhunderten als Episteln in der Heiligen Messe verlesen worden, wie es heute noch mit den Briefen der Apostel geschieht. Das ist alles, was die Geschichte über den dritten Nachfolger des heiligen Petrus berichtet. Wo aber die Geschichte aufhört, beginnt die Legende, und die Klemenslegende ist schön.
In einem Marmorsteinbruch fern von Rom auf der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer beginnt die Klemenslegende. Dort schafften in brennender Sonnenglut unter den sausenden Peitschenhieben erbarmungsloser Wachmannschaften zweitausend Christen, die, aus der Heimat verbannt und zu Zwangsarbeit verurteilt, für die kaiserlichen Prachtschlösser schwere Marmorblöcke losbrechen und zersägen mussten. Es war ein bitteres Geschick. Als aber eines Tages, ebenfalls als Verbannter und Häftling, Papst Klemens unter ihnen erschien, wandelte sich das traurige Los in helle Freude, denn nun weilte ein Priester und Bischof, sogar der oberste Bischof, bei ihnen, der sie tröstete und stärkte in der Mühsal, der ihnen das Brot des göttlichen Wortes und in der heiligen Eucharistie das Brot des Lebens reichte. Von Stund an trugen alle leichter an dem schweren Kreuz, das auf den Schultern lastete. Wenn aber die christlichen Helden den greisen Papst bedauerten, weil auch er die menschenmordende Sklavenarbeit verrichten musste, so pflegte Klemens zu antworten: „Ohne meine Verdienste sandte mich der Herr zu euch, um an eurer Krone teilzuhaben.“ Wahrlich, da war ein Held der anderen wert.
Besonders litten die gequälten Christen unter dem Mangel an Wasser, das sie bei der großen Hitze zum Trinken und in ziemlicher Menge auch zum Zersägen der Marmorblöcke benötigten. Zwei Stunden weit musste man das Wasser herholen. Da ging Papst Klemens an einem Feierabend auf einen nahen Hügel, um dort zu beten, und während er betete, erschien ein Lamm, unter dessen Vorderfüßen sich eine Quelle auftat. Da war die Not beendet, und groß war die Freude unter den Helden. Die Heiden in jener Gegend aber bekehrten sich daraufhin zum wahren Glauben.
Natürlich meldeten die Aufseher den Vorfall nach Rom, und vom Kaiser kam der Befehl, Papst Klemens solle mit einem eisernen Anker um den Hals ins Meer geworfen werden. Also geschah es. Als aber Klemens den Gang zum Meer antrat, beteten die bedrängten und betrübten Christen: „Herr Jesus, rette ihn!“, und Klemens betete dagegen: „Vater, nimm meinen Geist auf!“ War da nicht wieder ein Held der anderen wert?
Es geschah also, dass Papst Klemens mit einem Anker um den Hals ins Meer versenkt wurde, und nachher beteten die Gläubigen, am Ufer auf den Knien liegend, Gott möge ihnen wenigstens den Leichnam des Helden an den Strand spülen, damit sie ihn ehrenvoll bestatten könnten. Was aber ereignete sich? Das Meer wich vom Land zurück, und die Christen gingen trockenen Fußes hinaus und stießen auf eine marmorne Kapelle, von Engelshand errichtet, und in der Kapelle erblickten sie ein marmornes Grabmal, und darin lag im Schmuck seiner Würde der heilige Papst Klemens.
So endet die schöne Klemenslegende.
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