26. November – Der heilige Silvester
Man findet insgesamt sieben Heilige und einen Seligen mit dem Namen Silvester. Der bekannteste war ein Papst, der heutige ist ein Abt. Der Papst Silvester schließt am 31. Dezember das bürgerliche Jahr, und der Abt Silvester, dessen Fest wir heute begehen, steht am Schluss des Kirchenjahres.
Wenn man an einen Abt denkt, stellt man sich einen weißhaarigen Mann im langen faltenreichen Klosterkleid vor, der den irdischen Dingen entrückt ist und der uns fremd gegenübersteht. Bei diesem Gedanken darf man jedoch nicht vergessen, dass der alte Abt einmal jung war und mit Auge und Ohr und mit Wonne und Lust das Leben und die Erdendinge liebte wie alle Menschen. Geradeso verhielt es sich mit dem Heiligen vom heutigen Tag.
Silvester Guzzolini, ein Italiener, wurde um das Jahr 1177 als Spross eines reichen und angesehenen Adelsgeschlechtes geboren. Über der Kindheit stand hell und warm wie die Sonne die Liebe guter Eltern. Als junger Mann studierte Silvester auf der Hochschule zu Bologna die Rechtswissenschaft, und weil er einmal ein tüchtiger Mann werden wollte, war er fleißig und strebsam für drei. Trotzdem konnte man von Silvester Guzzolini nicht sagen, dass er ein Stubenhocker und Bücherwurm war, denn der junge Mann gab sich gern den Freuden der Welt hin, liebte den Scherz und die Geselligkeit und galt viel als guter Tänzer und drolliger Spaßmacher.
Da schied plötzlich Silvesters bester Freund aus dem Leben. Gestern strotzte er noch von Gesundheit, heute starb er, und drei Tage später begrub man ihn. Bevor man den Verstorbenen in die Erde senkte, sah sich Silvester ihn noch einmal an, lange und gründlich, und es schien, als habe der Tote dem Lebenden unhörbar, aber eindringlich etwas Ernstes gesagt, denn bald nach dem Begräbnis des Freundes verließ Silvester die Welt mit ihrer Lust und Pracht, ging in die Einsamkeit, gründete ein Kloster und stiftete nachher einen neuen Orden. Betend und büßend verbrachte er den Rest des Lebens, betätigte sich auch eifrig in Predigt und Beichthören und war dabei ein inniger Verehrer des eucharistischen Heilandes und der lieben Mutter Gottes, bis er im Alter von neunzig Jahren seine heilige Seele in die Hände des Schöpfers zurücklegte.
Silvester hat sich also auf die stumme Zwiesprache hin, die er mit dem verstorbenen Freund im offenen Sarg hielt, von aller Pracht und Lust der Welt freigemacht. Welche ernsten Worte mag denn damals wohl der Tote dem Lebenden gesagt haben?
Die Antwort auf die Frage ist nicht schwer, denn alle Verstorbenen reden die gleiche Sprache von der Vergänglichkeit und Nichtigkeit der Erdendinge und davon, dass nur eins notwendig ist, und diese einzige Notwendigkeit besteht darin, dass der Mensch seine Seele rette.
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