Überraschung an Heiligabend
oder „Vom Erbarmen mit den Armen“ Überraschung an Heiligabend
Noch erfüllt und weihnachtsfroh macht Familie Lichterloh auf den Weg sich rasch nach Haus, denn die Kirche ist nun aus. Was sagte der Pastor gleich? „Viele Menschen sind sehr reich. Aber denkt auch an die Armen. Habt mit ihnen stets Erbarmen!“ Diese Worte klingen mit, da man mit verschärftem Schritt und von Schneefall sanft umweht wieder seiner Wege geht. Vater, Mutter und der Sohn freun sich aufs Zuhause schon, das – vorausgesetzt man schleicht nicht zu sehr – man bald erreicht.
Doch, Ihr lieben, lieben Leute, es kommt ganz, ganz anders heute, denn auf einer Bank sodann sitzt ein ziemlich alter Mann, der die Lichterlohs bewegt und ihr Mitgefühl erregt. Pastors Worte noch im Ohr, auch den „Halleluja“-Chor, wagt sich Vater gleich heran und sagt: „Armer alter Mann! Hat man sie denn ganz vergessen? Ham´se nicht genug zu essen? Sind Sie hungrig? Ach, Herrje! Mensch, Ihr Anblick tut mir weh!“
Unsern alten Mann, o ja, rührt so viel der Sorge zwar, doch er sagt es frank und frei, dass er gar nicht hungrig sei. „Und der Mensch lebt obendrein“, spricht er, „nicht vom Brot allein.“
Mutter Lichterloh dies hörend und sich dennoch tief empörend, dass solch arme Kreatur ganz allein auf weiter Flur, wagt sich ihrerseits heran: „Ach, Sie armer alter Mann. Hat man Sie denn ganz verlassen? Nein, damit ist nicht zu spaßen! Sind Sie einsam? Ach, Herrje! Mensch, Ihr Anblick tut so weh!“
Unsern alten Mann, o ja, rührt auch dieses Sorgen zwar, dennoch spricht er fröhlich, munter: Mein Gott kam zur Erde runter und versprach mir obendrein, alle Zeit bei mir zu sein. Geh mit Jesus ich gemeinsam, bin ich niemals wirklich einsam.“
„Aber“, wirft der Junge ein, „Kann das Heiligabend sein, wenn man nicht Geschenke kriegt. Guter Mann, das fass ich nicht.“
Dieser aber lächelt nur, von Bedrückung keine Spur. „Hör, mein Junge, welche Gabe ich in meinem Herzen habe: Jesus litt am Kreuz viel Leid, starb, um so für alle Zeit dich und mich von allem Bösen, allem Finstren zu erlösen. Dies Geschenk ist größer, ja,als all anderer Trara, den – so geb ich zu bedenken – Weihnachten die Menschen schenken.“
Die drei Lichterlohs, sie staunen, und ein mittelgroßes Raunen huschelt über ihre Lippen. „Guter Mann, ich würde tippen“, stammelt Vater zunächst leise, „Sie sind reich auf eine Weise, die wir Lichterlohs nicht kannten. Alle Dinge, die Sie nannten, legen eines doch so nah: Sie sind wirklich reich, fürwahr!“
Und das Rendez-vous beendend und an Frau und Kind sich wendend, freut sich Vater: „He, famos! Los, ihr beiden, auf und los. Dieser Mann, wer hätt´s gedacht?, hat auch uns heut reich gemacht.“ Und nach Haus ziehn Lichterlohs, ihre Freude reichlich groß.
Glocken läuten noch, die fernen, Schnee fällt sanft aus weiten Sternen. Nur der alte Mann denkt sich: „Danke, Herr, du segnest mich ...“
(Arne und Tanni Baier, Kühlungsborn, 18.10.2007)
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