11. DEZEMBER 2018
Gibt es keine absolute Wahrheit? – Mißverständlicher Papstbrief an Atheisten Eugenio Scalfari 12. September 2013 10
Eugenio Scalfari und Papst Franziskus: Das individuelle Gewissen als höchste Instanz?
(Rom) Papst Franziskus hat dem ehemaligen Chefredakteur der linksliberalen Tagezeitung La Repubblica und führenden italienischen Journalisten Eugenio Scalfari einen Brief geschrieben. Scalfari, der aus einer alten Freimaurerfamilie stammt, war Mitgründer der Radikalen Partei, ist Atheist, lautstarker Kirchengegner, Senator auf Lebenszeit, einer der maßgeblichen Propagandisten der italienischen Volksabstimmungen der 70er Jahre, mit denen Ehescheidung und Abtreibung legalisiert wurden. Die Initiative des Papstes ist daher außergewöhnlich, der Inhalt teilweise erklärungsbedürftig bis umstritten.
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Aussagen, die, wie begeisterte Medienberichte belegen, leicht zu erahnende Schlußfolgerungen nach sich ziehen. So schrieb etwa sogar die italienische katholische Tageszeitung Avvenire: „‘Gott vergibt, wer dem eigenen Gewissen folgt‘. Das schreibt Papst Franziskus in einem Brief an die Tageszeitung Repubblica in Beantwortung von zwei Artikeln von Eugenio Scalfari die am 7. Juli und 7. August veröffentlicht wurden. Der Papst antwort im Brief auf zwei Schlüsselthemen, die Scalfari aufgeworfen hatte: ‘mir scheint, daß es Ihnen am Herzen liegt, die Haltung der Kirche gegenüber jenen zu verstehen, die den Glauben an Jesus nicht teilen. Vor allem fragen Sie mich, ob der Gott der Christen jenen vergibt, die nicht glauben und nicht den Glauben suchen. Es sei vorausgeschickt, und das ist grundlegend, daß die Barmherzigkeit Gottes keine Grenzen kennt. Die Frage für jene, die nicht an Gott glauben, liegt im Gehorsam gegenüber dem eigenen Gewissen. Die Sünde existiert auch für den, der keinen Glauben hat, wenn man gegen das Gewissen handelt.“
Neue Heilsformel: Gott wird die Atheisten retten, die ihrem Gewissen folgen? Die Feststellung mag so nicht falsch sein und doch paßt sie, so im Raum stehen gelassen, nicht. Was nicht paßt, ist die nicht ausgesprochene, aber logische Schlußfolgerung daraus: Es besteht keine Notwendigkeit, sich zu Christus zu bekehren, es genügt, daß man dem eigenem Gewissen folgt. Und dabei kann man sich nun sogar auf einen Papst berufen. Ja, wenn es der Papst selbst sagt.
Brief von Papst Franziskus an Atheisten Eugenio Scalfari: Gibt es keine absolute Wahrheit?Damit wird die rettende Heilstat Christi am Kreuz gemindert, wenn nicht sogar bedeutungslos erklärt, die eigentlich das ganze Leben des Menschen verändern und bestimmen sollte und die von der Kirche allen Menschen verkündet werden sollte. Dabei enthält das päpstliche Schreiben an Scalfari viele lichte Momente über das Verhältnis zu Christus, die ganz an Papst Benedikt XVI. erinnern. Die Relativierung der Bekehrung als Voraussetzung für das Seelenheil ist dem deutschen Papst hingegen fremd und erinnert vielmehr an den neuen Bergoglio-Stil, der den Medien so gefällt. Die medialen Reaktionen sprechen für sich.
Lautet eine neue Heilsformel: Gott wird die Atheisten retten, die ihrem Gewissen folgen? Während Christus dabei keine Rolle spielt.
Am Mittwoch-Morgen sagte der Papst aber in seiner Kurzpredigt, die Botschaft des Heiligen Paulus sei: „Christus ist alles“, er sei die Ganzheit und die Hoffnung, „weil er der Bräutigam ist, der Sieger“.
Und in der Mittwochsaudienz sagte der Papst: „In der Taufe werden wir von der Kirche als Kinder Gottes geboren.“ Und forderte die Gläubigen auf, den Glauben „fruchtbar“ werden zu lassen, damit „das Licht Christi alle Enden der Erde erreicht“.
Kein Widerspruch?
Etymologische Korrektheit mit Gefahr eines Mißverständnisses – das prompt auftrat Eine weitere Stelle des Papstbriefes wurde von verschiedenen Medien mit Genugtuung aufgegriffen: Der Papst habe Scalfari geschrieben, daß es keine „absolute Wahrheit“ gebe. So hat es der Papst nicht geschrieben. Die vom Papst gebrauchte Formulierung bot jedoch Anlaß für Mißverständnisse, die La Repubblica umgehend ausnützte, um den Papst selbst als Verfechter des Relativismus dastehen zu lassen. Die Frage, ob es eine absolute Wahrheit gibt oder nicht, ist von zentraler Bedeutung für den christlichen Glauben.
„Absolut“ wird meist als Synonym für definitiv, nicht verhandelbar, objektiv und unvergleichlich verwendet. Papst Franziskus präzisierte im Schreiben an Scalfari jedoch, daß er in der Feststellung, daß „die Wahrheit nicht absolut“ ist, es in seiner korrekten etymologischen Bedeutung, die vom Latein herkommt, gebraucht.
Der Begriff „absolut“ leitet sich vom lateinischen Verb absolvo, absolvere ab, das sich aus der Präposition ab (von) und dem Verb solvo (lösen), zusammensetzt. Konjugiert lautet das Partizip Perfekt solutus, und ist eine Passivform. Absolutus bedeutet also „gelöst, losgelöst von“. Das lateinische Verb solvo bezeichnet nicht nur eine physische Loslösung, sondern auch im Zusammenhang mit einer Beziehung, wie Nuova Bussola Quotidiana festhielt. Dies vorausgesetzt wird die Passage im Papstbrief an Scalfari verständlicher:
Beginnend würde ich nicht einmal bei jenen, die glauben, von „absoluter Wahrheit“ sprechen, im Sinne, daß absolut das ist, was losgelöst ist, das was ohne jede Beziehung ist. Die Wahrheit laut christlichem Glauben aber ist die Liebe Gottes für uns in Jesus Christus. Daher ist die Wahrheit eine Beziehung!
Die Wahrheit ist nicht „absolut“, nicht weil sie relativ ist, sondern weil sie eine Beziehung ist und daher der Bindungen bedarf: Die Liebe Gottes und sein Leben in der Realität der Kirche.
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Wortspiels des Papstes bleibt. Die Gefahr eines Mißverständnisses lag von vorneherein auf der Hand. Warum wurde dennoch dieses Risiko eingegangen, das prompt eingetreten ist, wie die Euphorie der Repubblica und in derem Gefolge zahlreicher anderer Medien belegt? Wem also hat die etymologische „Korrektheit“ genützt? Dem Seelenheil von wem sollte es nützen? Wieviel zusätzliche Verwirrung hat es ohne Not gestiftet? https://katholisches.info/2013/09/12/gib...genio-scalfari/ Text: Giuseppe Nardi Bild: Nuova Bussola Quotidiana
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