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  • 04.02.2019 00:45 - Mindestens 3677 Missbrauchsfälle
von esther10 in Kategorie Allgemein.




Mindestens 3677 Missbrauchsfälle
Die dunkle Seite der katholischen Kirche
Die in einer Studie aufgedeckte Dimension des Missbrauchs in der Katholischen Kirche ist erschütternd - doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. FRANK BACHNER
Mea Culpa: Auch die katholische Kirche in Deutschland hat einiges zu beichten.


Die Studie umfasst 350 Seiten – und der Psychologe Heiner Keupp nennt die Arbeit der Autoren „sehr wertvoll“. Eine Kommission, bestehend aus sieben Wissenschaftlern, hat Missbrauchsfälle der katholischen Kirche zwischen 1946 und 2014 untersucht, im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz. Ergebnis: 1670 Kleriker tauchen als Beschuldigte in den Akten auf, 3677 Kinder und Jugendliche waren demnach Opfer, jeder zweite davon jünger als 13 Jahre.

Keupp sitzt im Beirat der Komission, und er sagt auch: „Natürlich entsteht der Verdacht, dass nicht alles offengelegt wurde.“ Dass Akten bewusst verheimlicht wurden, dass die katholische Kirche weiter so agiert, wie das Keupp, der auch Mitglied der vom Bundestag eingesetzten Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs ist, schon mehrfach gesagt hatte: „Man gibt nur zu, was nicht mehr zu leugnen ist.“ Keupp zieht gern den Vergleich zur Autoindustrie beim Dieselskandal.

Die Wissenschaftler durften nicht selbst in die Archive, nur Mitarbeiter der Diözesen oder von der Diözese beauftragte Rechtsanwälte hielten die Dokumente in der Hand. Die Wissenschaftler hatten ihnen Fragebögen gegeben, auf denen dann Daten über Betroffene und Beschuldigte notiert wurden. Die Kirche, sagt Keupp, habe dieses Vorgehen unter anderem mit kirchenrechtlichen Hinweisen und dem Persönlichkeitsschutz von Opfern begründet. Aber so bleibt der Verdacht, dass die Dunkelziffer viel größer ist. Zumal die Kommission in ihrem Bericht auch schreibt, dass in „einigen Fällen sich eindeutige Hinweise auf Aktenmanipulation gefunden“ hätten. Akten oder Aktenteile mit Hinweisen auf Missbrauch Minderjähriger seien „in früherer Zeit vernichtet“ worden.

Eigentlich sollte die Studie erst am 25.September veröffentlicht werden, die „Zeit“ und „Spiegel online“ haben diverse Einzelheiten aber schon vorab publiziert. Stephan Ackermann, Bischof von Trier und Beauftragter der katholischen Kirche für Fragen des sexuellen Missbrauchs, ist darüber empört. Schließlich sei die gesamte Studie noch nicht mal den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz bekannt. „Gerade mit Blick auf die Betroffenen sexuellen Missbrauchs ist die verantwortungslose Vorabbekanntmachung der Studie ein schwerer Schlag.“


Viele Missbrauchsopfer fänden es vermutlich schön, wenn die Kirche auch bei der Bewältigung ihrer Probleme so engagiert reagieren würde. Doch in diesem Punkt machen viele Opfer ganz andere Erfahrungen. Sie beschreiben übereinstimmend, dass sie sich wie Bittsteller vorgekommen seien, wenn sie sich an ihre Gemeinde gewandt hätten. Man habe sie nicht ernst genommen, man sei ihren Problemen nicht mit Respekt begegnet, man habe abgewiegelt oder ihr Fall sei in einem umständlichen bürokratischen Prozess bearbeitet worden, bis sie eine Entschädigung erhalten hätten. Keupp kennt Fälle, in denen Missbrauchsopfer erschüttert sagten: „Angesichts der Reaktion meiner Kirche falle ich vom Glauben ab.“


Sanktioniert wurden mutmaßliche Täter oft nur gering
Erschüttert reagiert aber auch Gebhard Fürst, der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Allerdings ist Fürst wegen des Ausmaßes des Missbrauchs entsetzt. Er habe geahnt, welche Dimension die Studie aufdecken könnte, dennoch seien die Ergebnisse für ihn erschreckend, teilte er mit. Die Glaubwürdigkeit der Kirche sei nur zurückzugewinnen, wenn die Ergebnisse der Studie angenommen und Konsequenzen gezogen würden.

Dabei hätten wohl noch ganz andere, schlimmere Ergebnisse herauskommen können. Denn Keupp kritisiert auch, dass ganze Bereiche gar nicht untersucht worden seien. „Die Orden sind in die Studie gar nicht einbezogen worden, dabei ist das ein Riesenthema. Das betrifft die ganzen Klosterbetriebe, an dem viele Internate hängen. Und Gemeindearbeit, die von den Klöstern erledigt wird.“ Vor allem sei eine Personengruppe komplett ausgeklammert worden: Frauen. Dabei hätten Untersuchungen ergeben, dass rund 20Prozent aller Missbrauchstaten von Frauen begangen worden seien. Keupp kennt außerhalb der Studie Berichte, „in denen Kinder von Nonnen schwer sexuell missbraucht worden sind“.

Matthias Katsch, Missbrauchs-Opfer und Mitbegründer der Opferinitiative Eckiger Tisch, sagte dem ZDF-„Morgenmagazin“, Papst und Bischöfe müssten noch lernen, „uns zuzuhören“. Auch Katsch kritisierte, dass die Wissenschaftler keinen Zugang zu den Archiven gehabt haben.

Für den Jesuiten Klaus Mertes, der 2010 maßgeblich mitgewirkt hatte, dass die Missbrauchsfälle in der Kirche öffentlich diskutiert wurden, ist die vorzeitige Weitergabe der Studie an Medien „ein Zeichen“. Auf dem Internetportal „katholisch.de“ schreibt er: „Die Kirche verliert die Kontrolle und damit die Deutungshoheit über die Aufarbeitung von Missbrauch.“ Mertes ist heute Direktor des Jesuitenkollegs St. Blasien.

Sanktioniert, auch das ergibt sich aus der Studie, wurden mutmaßliche Täter oft nur gering. Bei den 1670 Fällen wurde nur gegen 566 mutmaßliche Täter ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet, davon endeten 154 ohne Strafe und Sanktionen. In 103 Fällen gab es lediglich eine Ermahnung. Die Justiz wurde ganz selten eingeschaltet – von der Kirche nur in 122 Fällen. Die meisten Anzeigen kamen von den Betroffenen selbst oder von ihren Familien. Die Zahl der Anzeigen steigt inzwischen, seit es bischöfliche Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch gibt.
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft...e/23057692.html

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https://www.tagesspiegel.de/politik/mind...e/23064828.html

Doch für eine lückenlose Aufklärung, sagt der Psychologe Keupp, müsste man den Vatikan einschalten. Dort liegen alle Unterlagen über Missbrauchsfälle. „Der Papst müsste diese Archive freigeben“, sagt Keupp, „aber das ist bis jetzt kein Thema“. Der Papst will sich vom 21. bis 24. Februar im Vatikan mit den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen weltweit beraten. Vielleicht wird „Öffnung der Archive“ dann ein Thema.



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