28.03.2019
Woelki: Zentrale Lehren der Kirche nicht aufgeben
"Nicht Verbote stehen im Zentrum, sondern ein Glücksversprechen" Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat sich dagegen ausgesprochen, die katholische Lehre zu sehr an die Erwartungen der Öffentlichkeit anzupassen. Angesichts der "Spaß- und Unterhaltungskultur" sei die Kirche ein wichtiger Gegenpol.
In der Debatte um Veränderungen in der katholischen Kirche hat sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki gegen eine zu starke Anpassung an Erwartungen von Medien und Öffentlichkeit gewandt. In einem Beitrag für die in Würzburg erscheinende "Tagespost" beklagte er am Donnerstag zugleich ein weitreichendes Unverständnis gegenüber zentralen Aspekten des katholischen Glaubens.
"Auch Christus hat Unverständnis und Ablehnung ausgelöst"
Mit Blick auf steigende Austrittszahlen und Forderungen nach einer Modernisierung der Kirche schreibt der Kölner Erzbischof: "Das Argument, dass die Abstimmung mit den Füßen, also die Abkehr vieler Menschen von der Kirche, schlicht keine andere Wahl lasse, überzeugt mich nicht." Christus selbst habe nicht nur Zustimmung und Jubel ausgelöst, sondern auch Unverständnis und Ablehnung.
Konkret warnte der Kardinal davor, zentrale Lehren und Einsichten der Kirche vorschnell über Bord zu werfen. Das gelte nicht nur für die ganz großen Dogmen, sondern auch für das kirchliche Eheverständnis und die Sexuallehre mit ihrer Betonung von Liebe und Treue und der Offenheit für neues Leben. Auch der Pflichtzölibat oder das Nein zu einer Weihe von Frauen könnten nicht mit einem Federstrich geändert werden.
"Keine Fixierung auf die Sexuallehre"
In diesem Zusammenhang kritisierte Woelki eine Fixierung der Kritiker auf die Sexuallehre der Kirche. "Die Kirche sollte vorsichtig sein, dieses Zerrbild nicht dadurch zu bestätigen, dass sie selbst nur noch diese Debatten führt", schreibt er mit Blick auch auf die Medien.
Dort, wo die Kirche über Sexualität rede, sollte sie sich nach den Worten des Kardinals auf das Wesentliche besinnen: "Nicht Verbote stehen im Zentrum ihrer Moral, sondern eine Verheißung, ein Glücksversprechen." Sexualität sei Teil des göttlichen Heilsplanes und eine Quelle der Freude und des erneuerten Lebens.
"Die so oft geschmähte, angeblich dringend reformbedürftige kirchliche Morallehre hält ein Versprechen aufrecht, das in der Spaß- und Unterhaltungskultur unter die Räder zu kommen droht: Es gibt sie, die eine große Liebe." Das gelte für viele Eheleute, aber auch Priester.
"Nicht dem Geist des Evangeliums widersprechen"
"Aufgabe der Kirche ist es, die Geister voneinander zu scheiden. Sie kann sich, egal wie groß der mediale Handlungsdruck und die öffentlichen Erwartungen auch sein mögen, keine Veränderungen ihrer Lehre abtrotzen lassen, wenn diese dem Geist des Evangeliums widersprechen", so Woelki.
Die Kirche benötige eine "Entweltlichung"; gemeint sei damit kein "Rückzug von der Welt" und kein Rückzug in Traditionalismus und Wagenburg-Mentalität, sondern "eine Rückbesinnung auf den einzigartigen Charakter der christlichen Heilsbotschaft".
"Glaubenskrise im gesamten Christentum"
In diesem Zusammenhang verwies der Kölner Erzbischof auf die evangelische Kirche. Sie stehe trotz verheirateter Pfarrer, Weiheämtern für Frauen, Neubewertung der Homosexualität und einer generellen Akzeptanz außerehelicher Sexualität kein Stück besser da.
Darin zeige sich, dass "die wahren Probleme woanders liegen, dass das gesamte Christentum mit einer Krise des Glaubens und Verstehens zu kämpfen hat".
Bei ihrer Vollversammlung in Lingen hatten die katholischen Bischöfe in der vergangenen Woche unter dem Eindruck einer Vertrauenskrise in der Öffentlichkeit einen "verbindlichen synodalen Weg" zur Erneuerung der Kirche beschlossen. Auf diesem Weg sollen der Zölibat der Priester, die katholische Sexualmoral und die Macht der Kleriker in der Kirche zur Debatte gestellt werden. +++ Kirchenaustritte in NRW um ein Fünftel gestiegen Die Zahl der Kirchenaustritte ist 2018 in Nordrhein-Westfalen deutlich gestiegen. Bei den Amtsgerichten erklärten im vergangenen Jahr insgesamt 88 510 Menschen den Kirchenaustritt, teilte das Justizministerium am Montagabend auf Anfrage in Düsseldorf mit. Das sind rund 22 Prozent mehr als 2017. Damals hatten 72 588 Menschen der katholischen oder der evangelischen Kirche den Rücken gekehrt. Auch das bedeutete schon einen Anstieg gegenüber dem Jahr zuvor. 2016 gab es landesweit 70 717 Austritte.
Dem Justizministerium liegen keine Daten zu der Verteilung nach Konfessionen und zu den Kircheneintritten vor. Auch zu den Motiven für die Kirchenaustritte kann das Ministerium keine Angaben machen. Die "Bild"-Zeitung und die "WAZ" berichteten online über den starken Anstieg der Kirchenaustritte. In NRW leben laut den Medienberichten etwa 12,4 Millionen Kirchenmitglieder. Unter ihnen sind demnach rund 7,4 Millionen Katholiken und knapp 5 Millionen Protestanten.
Der Kölner Kardinal Rainer Woelki sagte der "Bild-Zeitung" angesichts der Zahlen: "2018 war ein sehr dunkles Jahr, in dem das Vertrauen in die Kirche schwer erschüttert wurde. Wir wollen das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen." Dazu gehöre, Fehler der Vergangenheit weiterhin schonungslos und konsequent aufzuarbeiten, um Misstrauen und Enttäuschung auszuräumen. "Nur so wird man uns unsere Kernaufgabe, die Verkündigung der frohen Botschaft Jesu Christi, wieder glaubhaft abnehmen", unterstrich der Kölner Kardinal.
Eine im September 2018 vorgestellte Studie hatte unter anderem ergeben, dass in der katholischen Kirche in Deutschland zwischen 1946 und 2014 mindestens 1670 katholische Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben sollen. Das Erzbistum Köln hatte damals mitgeteilt, den Forschern 87 Personen gemeldet zu haben, die seit 1946 der sexualisierten Gewalt in insgesamt 119 Fällen beschuldigt worden seien. Woelki hatte die Ergebnisse der Studie als "beschämend" für die Kirche bezeichnet. Das Erzbistum Köln hat im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche im Dezember Akten an die Staatsanwaltschaften in Köln, Bonn und Düsseldorf übergeben. (dpa, 29.01.2018)
https://www.domradio.de/themen/erzbistum...A3B48BA6A886869
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