Woelki: Stehen vor der "Entweltlichung der Kirche oder der Entchristianisierung der Welt" Erzbischof von Köln warnt: Kirche muss sich nicht neu "erfinden" oder "Lebenswirklichkeiten bejahen", sondern den Blick auf Christus lenken
Kardinal Rainer Maria Woelki
Von CNA Deutsch/EWTN News
KÖLN , 28 March, 2019 / 5:53 AM (CNA Deutsch).- Mit einer deutlichen Warnung, dass das Christentum mit einer Krise des Glaubens und Verstehens zu kämpfen hat, nicht "mit einer neuen Lebenswirklichkeit, die nun endlich bejaht werden muss", hat Kardinal Rainer Maria Woelki eine Absage an Versuche erteilt, über Sexualität statt den Glauben zu reden.
Es gehe darum, den Blick wieder auf Christus zu lenken, schreibt der Erzbischof von Köln in einem Beitrag in der Zeitung "Die Tagespost". Das weitreichende Unverständnis gegenüber dem katholischen Glauben sollte Katholiken wachrütteln und deutlich werden lassen, "dass wir etwas falsch machen".
"Zugespitzt lautet die Alternative, vor der wir stehen: Entweltlichung der Kirche oder Entchristianisierung der Welt – jedenfalls des Weltteils, in dem wir als Deutsche leben, denn es gibt andernorts Trends, die mit unseren kaum vergleichbar sind."
Wer die öffentliche Debatte verfolge, bekomme schnell den Eindruck, dass nicht der Glaube das Thema der Kirche sei, sondern die Sexualität.
"Irgendwie scheint sich immer alles darum zu drehen, direkt oder indirekt, sei es, wenn vom Zölibat die Rede ist, von Wiederverheirateten und unverheiratet Zusammenlebenden, von Homosexualität und Sex vor der Ehe."
Die Kirche sollte vorsichtig sein, dieses Zerrbild nicht zu bestätigen. Wenn schon über Sexualität, dann müsste die Kirche an das Gute und Hoffnungsvolle erinnern, und dass nicht Verbote im Zentrum kirchlicher Sexualmoral stehen, "sondern eine Verheißung, ein Glücksversprechen".
"Die so oft geschmähte, angeblich dringend reformbedürftige kirchliche Morallehre hält ein Versprechen aufrecht, das in der Spaß- und Unterhaltungskultur unter die Räder zu kommen droht: Es gibt sie, die eine große Liebe!"
Woelki sieht vor allem keine Alternative dazu: Wer jetzt inner- und außerhalb der Kirche so energisch auf Veränderungen dränge, in Sachen Zölibat, Homosexualität, Weiheämter für Frauen, Akzeptanz außerehelicher Sexualität, bleibe eine Antwort schuldig, "warum denn die evangelischen Christen in Deutschland, die all dies haben, was jetzt gefordert wird, kein Stück besser dastehen, nicht beim Nachwuchs in pastoralen Berufen, nicht in der Glaubenspraxis oder bei den Austrittszahlen."
Das Problem, so Woelki, sei vielmehr, "dass das gesamte Christentum mit einer Krise des Glaubens und Verstehens zu kämpfen hat und weniger mit einer neuen Lebenswirklichkeit, die nun endlich bejaht werden muss."
Das Wort "Entweltlichung" von Papst Benedikt XVI. sei allzu schnell beiseite geschoben worden, so der Kardinal in der "Tagespost"; es sollte noch einmal gründlicher bedacht werden. Es bedeute keinen Rückzug von der Welt, aber eine Rückbesinnung auf die christliche Heilsbotschaft.
Es gehe also nicht um "einem unreflektierten Traditionalismus" oder Sehnsucht nach Vergangenheit. Er wolle auch keine Wagenburg, in der sich eine kleine fromme Herde verschanzt, so Woelki. Der Weg der Kirche könne nur in die Zukunft führen und nicht in die Vergangenheit, aber diese Zukunft gebe es nur, wenn die Kirche " sich neu auf Christus besinnt, wenn sie zu ihm zurückkehrt, wo sie ihn aus den Augen verloren hat."
"Erfunden haben wir Menschen, wenn wir ehrlich sind, in dieser Hinsicht gar nichts, nicht die Welt und nicht uns selbst, nicht die Kirche und nicht den Glauben. Alles ist uns anvertraut."
Allein in diesem Geist und in Demut werde sich die Kirche erneuern. "Sie muss sich leiten lassen nicht vom Blick auf sich selbst oder auf die Welt, sondern allein von dem Blick auf den Erlöser, vom Blick auf Christus", so Woelki abschliessend. https://de.catholicnewsagency.com/story/...g-der-welt-4461
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https://de.catholicnewsagency.com/story/...-geschwatz-4407 Kardinal Woelki erinnert deutsche Bischöfe: 'Am Anfang war das Wort, nicht das Geschwätz' 'Es ist lebendig, dieses Wort, aber es richtet auch': Predigt des Erzbischofs von Köln bei der Versammlung der deutschen Bischöfe in Lingen
Kardinal Rainer Maria Woelki Foto: Jochen Rolfes / Erzbistum Köln
Von CNA Deutsch/EWTN News
LINGEN , 12 March, 2019 / 10:18 AM (CNA Deutsch).- "Gottes Wort schenkt Orientierung. Es ist ein Wort der Güte, aber es steht nicht zur Wahl." Daran hat Kardinal Rainer Maria Woelki die deutschen Bischöfe erinnert. Der Erzbischof von Köln predigte bei der Feier der heiligen Messe in Lingen zur Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe.
Mit einem Zitat des "über jedwede Frömmelei erhabene" Dichters Gottfried Benn sagte Woelki:
"'Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird es nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort'. Das Wort, das der Dichter hier meint, ist kein gewöhnliches, kein nur gesprochenes oder daher gesagtes. Es ist Gottes Wort."
Gottes Wort schenke Orientierung. "Es ist ein Wort der Güte, aber es steht nicht zur Wahl. Es richtet einen Anspruch an uns, der uns in die Entscheidung von Heil oder Unheil ruft", so der Kardinal.
"Es ist lebendig dieses Wort, aber es richtet auch – wie uns der Apostel später einmal an anderer Stelle erinnert – über die Regungen und Gedanken unseres Herzens."
CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut der Predigt, wie sie die Deutsche Bischofskonferenz zur Verfügung gestellt hat.
Evangelium: Mt 6,7–15
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
auf dem Land kann man es schon noch erleben: dass am Morgen ein Hahn mit seinem Ruf den Tag anbrechen lässt. Zumeist wird es heute aber eher ein Funk- oder Radiowecker bzw. ein Smartphone sein. Dabei ist es dann ein Segen, wenn es sich bei dem eingestellten Weckruf um eine sanfte Melodie handelt. Nichts ist schrecklicher als ein Radiowecker, der just zum Zeitpunkt des Weckens schon mit den neuesten Informationen aus aller Welt, den aktuellen Staus und einer hektischen Sprecherstimme daherkommt. Schlagartig ist man dann mitten drin im Geschwätz des Alltags.
Der über jedwede Frömmelei erhabene Gottfried Benn befand einmal: "Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird es nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort". Das Wort, das der Dichter hier meint, ist kein gewöhnliches, kein nur gesprochenes oder daher gesagtes. Es ist Gottes Wort. Dieses Wort ist von allem Anfang an. Es war bei Gott, nein, es war Gott (vgl. Joh 1,1). Und durch dieses Wort ist alles geworden, und ohne dieses Wort wurde nichts, was geworden ist ... Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden... (vgl. Joh 1,3.10). Christus ist dieses Wort Gottes.
Dieses Wort ist an einen jeden von uns gerichtet. Wenn das Wort Gottes an uns ergeht, befinden wir uns im Grunde jedes Mal in der Lage Adams, der sich vor Gott verbirgt, von Gott aber aus seinem Versteck geholt wird. "Mensch, wo bist Du?" Gott richtet damit einen Anspruch an uns. Er will uns. Er will mich – mit meinem Leben. Und er will darin einen Platz haben. Wenn wir dasWort Gottes hören - wie heute Morgen hier - dann begegnen wir dem lebendigen Gott.
Wie relativ werden dagegen viele der Worte, die tagein tagaus millionenfach gewechselt werden, die gedruckt, gemailt, gesagt, getwittert und gepostet werden. Meinungen und Meinungsmache – tatsächlich schaffen auch falsche Worte bisweilen eine Wirklichkeit, aber im Unterschied zum Wort Gottes handelt es sich bei der Wirklichkeit der falschen Worte um Ideologie – oder wie Gottfried Benn es nennt: Propaganda. Davon ist unsere Welt voll wie lange nicht. Es gehört sicher zu den großen Herausforderungen unserer Tage, in der Fülle der Informationen und Meinungen und in Anbetracht der Vertwitterung komplexer Sachverhalte auf Kurznachrichten-Niveau, nicht die Orientierung zu verlieren.
Gottes Wort schenkt Orientierung. Es ist ein Wort der Güte, aber es steht nicht zur Wahl. Es richtet einen Anspruch an uns, der uns in die Entscheidung von Heil oder Unheil ruft. Es ist lebendig dieses Wort, aber es richtet auch – wie uns der Apostel später einmal an anderer Stelle erinnert – über die Regungen und Gedanken unseres Herzens (Hebr 4,12). Deshalb kehrt dieses Wort auch – wie uns der Prophet Jesaja heute Morgen erinnert – nicht einfach leer zu Gott zurück, sondern bewirkt wirklich das, was Gott will. Es erreicht all das, wozu Gott es ausgesandt hat (vgl. Jes 55,11). Wozu aber hat er es ausgesandt? Er hat es dazu ausgesandt, dass wir es wirken, dass wir es bewirken lassen, was es will. Das ist das Entscheidende! Wir dürfen darauf vertrauen, dass es ein Wort des Erbarmens ist. Gott kommt, um uns durch sein Wort, um uns durch Christus tiefer in seine Nähe zu rufen. Das entzündet Freude. Das schenkt Geborgenheit und Glück. Beim Propheten Ezechiel lesen wir, wie Gott dem Propheten den Auftrag gegeben hat, die Buchrolle zu essen, in der das Wort Gottes niedergeschrieben war. Wie eine Speise sollte er sich das Wort Gottes aneignen (Ez 3,1–3). Und im Buch der Offenbarung wird dasselbe von Johannes erzählt. Auch er muss die Schriftrolle des Wortes Gottes essen (Offb 10,9).
Diese Tage der österlichen Bußzeit laden uns, liebe Schwestern und Brüder, nun wieder erneut ein, es Ezechiel und Johannes gleich zu tun. Sie laden uns ein, uns Gottes Wort wie eine Speise anzueignen, es uns einzuverleiben. Denn so wie wir aus der Speise leben, die wir zu uns nehmen, so sollen wir als Christen in unserem Alltag aus dem Wort Gottes leben. Das bedeutet, dass wir uns immer wieder neu in das Wort Gottes hineinversenken müssen, um so auf Gott zu schauen und auf ihn zu hören. So kann das Wort Gottes dann auch in uns bewirken, was Gott will und es erreicht all das, wozu er es ausgesandt hat: Zum einen unsere erneute und vertiefte Hinkehr zu IHM, der das fleischgewordene Wort Gottes in Person ist, und zum anderen unsere Bereitschaft, dieses Wort durch unser Leben zu bezeugen. Denn das wissen wir mit Glaubensgewissheit: Es ist dieses Wort, das allein Hoffnung schenkt. Es ist dieses Wort, das allein stärkt und ein Licht zu entzünden vermag, das einem zum Leben hilft. Amen.
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