06.05.2019
Warum Bulgariens orthodoxe Kirche dem Papst nicht zujubelt Die Fanfaren bleiben stumm Jubelbilder, bunte Fähnchen, große Aufregung: Meist ist die Freude riesig, wenn Papst Franziskus zu Besuch kommt. Bei seiner Visite in Bulgarien sieht das anders aus. Da hält sich die orthodoxe Kirche mit Jubelarien sehr zurück. Warum ist das so?
DOMRADIO.DE: In Bulgarien wird es während der Visite von Papst Franziskus weder ein gemeinsames Gebet noch einen ökumenischen Gottesdienst mit den orthodoxen Christen geben. Mehr noch, der bulgarisch-orthodoxe Patriarch Neofit sagt zum Papstbesuch: "Wir sind fest davon überzeugt, dass es in allen Glaubensfragen keinerlei Kompromisse geben kann und geben darf." Woher kommt die Ablehnung vonseiten der Orthodoxen in Bulgarien?
Dr. Johannes Oeldemann (Orthodoxie-Experte beim Johann-Adam-Möhler Institut für Ökumenik): Das geht auf eine breite Strömung zurück, die innerhalb der bulgarischen-orthodoxen Kirche der Ökumene kritisch bis ablehnend gegenübersteht. Das reicht etwa in die 1990er Jahre zurück, als man begonnen hat die Vergangenheit der eigenen Kirche in kommunistischer Zeit ein bisschen kritisch aufzuarbeiten.
Da hatte man den Verdacht, dass der damalige Patriarch Maxim von den Kommunisten installiert worden sei. Zudem mutmaßte man, dass auch die ganze Öffnung der bulgarischen-orthodoxen Kirche hin zur Ökumene etwas sei, was von den Kommunisten initiiert worden sei. Man hat sozusagen Ökumenismus und Kommunismus in eine Schublade geworfen.
Es kam dann im Jahr 1992 sogar mit einem Gegen-Synod und einem Gegen-Patriarchen zu einer Spaltung innerhalb der Kirche, die erst nach vielen Mühen im Jahr 1998 überwunden werden konnte. Das wirkt in der bulgarischen Kirche bis heute noch nach.
DOMRADIO.DE: Ökumene und Kommunismus würde man sonst ja eigentlich nicht unbedingt in Zusammenhang setzen, oder?
Oeldemann: Nein, aus unserer Sicht natürlich nicht. Es hat damit zu tun, dass das zeitlich miteinander zusammenfällt. Die Öffnung der orthodoxen Kirchen im kommunistischen Machtbereich – nicht nur in Bulgarien, sondern auch in Rumänien, Russland und anderen Staaten – erfolgte so um das Jahr 1961, in der Epoche, wo dort noch die Kommunisten an der Macht waren.
Es gibt viele Kritiker, die sagen, man habe sich sozusagen darauf eingelassen, von den Kommunisten vereinnahmt zu werden, um durch das Engagement in der ökumenischen Bewegung zu zeigen, dass eigentlich im Land alles mit der Religion und den Kirchen in Ordnung sei. Und die Kirche habe sich von den Machthabern im Bereich der Ökumene missbrauchen lassen.
DOMRADIO.DE: Der Besuch von Papst Franziskus erfolgt nicht auf Einladung der orthodoxen Kirche in Bulgarien, sondern auf Einladung der Regierung. Wie steht denn die bulgarische Kirche zu diesem Besuch? Welche Rolle spielt es für sie, wenn jetzt der Oberhirte der Katholiken vorbeikommt?
Oeldemann: Sie heißen ihn erst einmal willkommen – nicht nur in seiner Funktion als geistliches Oberhaupt der Katholiken, sondern auch als weltliches Oberhaupt des Vatikanstaates. Von daher wird er sozusagen formell empfangen und begrüßt – auch vom Heiligen Synod der orthodoxen Kirche. Aber man hat auch in den Stellungnahmen schon gemerkt, dass es eine große Zurückhaltung gibt. Man hat erklärt, dass es kein gemeinsames Gebet und keinen ökumenischen Gottesdienst mit dem Papst geben wird.
Das geht darauf zurück, dass diejenigen in der orthodoxen Kirche, die der Ökumene kritisch gegenüberstehen, sich auf alte Kanones berufen, wo dieses Gebet mit Nicht-Orthodoxen verboten wird. Ob das auch für heutige Katholiken gilt oder nicht, ist eine Frage, die auch unter orthodoxen Theologen sehr kontrovers diskutiert wird.
DOMRADIO.DE: Der Patriarchen hat davon gesprochen, dass es in den Glaubensfragen keinerlei Kompromisse geben könne. Was sind das denn für Kompromisse, die im Raum stehen und die es nicht geben darf? Worüber wird da diskutiert?
Oeldemann: Zunächst einmal würde ich sagen, dass er da ja durchaus Recht hat. In Glaubensfragen kann es auch keine Kompromisse geben. Diese Formulierung, glaube ich, rührt eher daher, dass man die Ökumene aus bulgarischer oder orthodoxer Sicht häufig als ein Feld wahrgenommen hat, wo man Diplomatie betreibt – also statt zwischenstaatlicher Diplomatie zwischenkirchliche Diplomatie. Und in der Diplomatie versucht man natürlich Kompromisse zu schließen, Bündnisse zu schließen und irgendwie eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden.
Das ist aber etwas, was in Glaubensfragen – auch aus unserer katholischen Sicht – nicht geht. Da kann es höchstens darum gehen, dass man bei den Fragen, wo man unterschiedliche Sichtweisen hat – beispielsweise im Blick darauf, welche Rolle denn der Papst in einer wiedervereinten Kirche spielen könnte – eine Verständigung sucht. Oder man schaut, wie das früher in der alten Kirche war, als es noch eine Gemeinschaft miteinander gab und wie sich das heute im dritten Jahrtausend darstellen könnte.
Das heißt, es ist nicht der Weg des Kompromisses, sondern der Weg des Dialoges, indem man versucht auf den anderen zu hören und darauf einzugehen, was er denn für Bedenken hat und darzustellen, was die eigene Position ist. Dann kann man schauen, ob man zu einer Verständigung kommen kann. Die würde ich aber auch nicht als Kompromiss bezeichnen.
DOMRADIO.DE: Sie sind dem Patriarchen selber auch schon begegnet. Würden Sie dieses Bild bestätigen, dass er für Dialog, Kompromiss und Ökumene verschlossen ist?
Oeldemann: Ich habe ihn persönlich als einen sehr dialogbereiten und offenen Menschen erlebt. Ich glaube, dass er von seiner persönlichen Grundhaltung auch dazu neigt. Aber wenn er natürlich den Papst offiziell in seiner Funktion als Patriarch der bulgarischen-orthodoxen Kirche begrüßt, ist er zunächst einmal Sprecher des Heiligen Synods seiner Kirche, wo ja nicht nur er alleine die Richtung vorgibt, sondern auch die Metropoliten, die dort Mitglied sind.
Da besteht eben das Problem, dass offensichtlich doch eine Mehrheit der Bischöfe dort, der Ökumene sehr reserviert gegenübersteht. Und aus dieser Reserviertheit resultieren dann auch solche Formulierungen, wie wir sie jetzt gehört haben.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. +++++ Bulgarien Das EU-Land Bulgarien liegt im Osten der Balkanhalbinsel. Nachbarstaaten sind Griechenland, Nordmazedonien, Rumänien, Serbien und die Türkei. Auf einer Fläche von 111.000 Quadratkilometern leben rund sieben Millionen Einwohner; Hauptstadt ist Sofia.
Bulgarien blickt auf eine lange Geschichte zurück. Die Anfänge der Staatlichkeit reichen bis ins 7. Jahrhundert. Im Mittelalter wurde das Land zunächst von Konstantinopel aus christianisiert. Ende des 14. Jahrhunderts kam Bulgarien für fast 500 Jahre unter osmanische Herrschaft. Der Friede von San Stefano beendete 1878 den russisch-türkischen Krieg und legte zugleich den Grundstein für das heutige Bulgarien.
In der Folge wurde das Land zunächst Fürsten- und Zarentum, nach dem Zweiten Weltkrieg dann Volksrepublik und Mitglied des Warschauer Paktes. Auf den Fall des Eisernen Vorhangs folgte ein demokratischer Wandel - mit einer historisch ungewöhnlichen Episode: 2001 wurde der letzte Zar Simeon Borissow Sakskoburggotski (Simeon von Sachsen-Coburg und Gotha) Ministerpräsident seines Landes.
Das reiche kulturelle Erbe sowie zahlreiche Naturparks machen Bulgarien zu einem beliebten Ziel für Touristen. Für Billigurlauber aus Deutschland ist zudem die Schwarzmeerküste mit "Gold-" und "Sonnenstrand" inzwischen zum "zweiten Mallorca" geworden.
Zu den aktuellen Herausforderungen des Landes gehören eine schwache Wirtschaft, Korruption und oligarchische Strukturen. Bulgarien gilt als ärmstes Land der EU. Aufgrund fehlender Perspektiven verlassen vor allem junge Menschen ihre Heimat. Auf der von der Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit liegt Bulgarien aktuell auf Platz 111 - das ist unter den EU-Ländern die schlechteste Platzierung.
Mehr als die Hälfte der Bulgaren gehören der bulgarisch-orthodoxen Kirche an; darüber hinaus gibt es eine nennenswerte Minderheit von Muslimen. Als Katholiken bezeichnet sich nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung: Schätzungsweise 50.000 bis 70.000 Bulgaren bekennen sich zur römisch-katholischen oder bulgarisch-katholischen Kirche. (KNA) https://www.domradio.de/themen/papst-fra...A3B48BA6A886869
(DR)
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