22. MAI 2019
Und wenn ein Papst zum Häretiker wird?
VORWORT VON ROBERTO DE MATTEI ZUR STUDIE VON ARNALDO XAVIER DA SILVEIRA 17. April 2019 8
Christus übergibt die Schlüssel an Petrus, Fresko von Perugino (1481), Sixtinische Kapelle, Vatikan In diesen Tagen wurde in Italien das Buch von Arnaldo Xavier da Silveira (1929–2018) „Was tun, wenn ein Papst Häretiker ist?“ (Se un Papa è eretico: che fare?, Edizioni Fiducia, 70 Seiten, 10,00 €) vorgelegt. Dazu schrieb Prof. Roberto de Mattei das Vorwort.
Was ist zu tun, wenn ein Papst häretisch ist? Von Roberto de Mattei*
Die Frage des „häretischen Papstes“, einst nur ein akademisches Problem, wurde in den vergangenen Jahren unter dem Pontifikat von Papst Franziskus zum Thema der Debatten. Wer dieses Problem ernsthaft studieren will, kommt um die Arbeiten von Arnaldo Xavier da Silveira nicht herum, dessen Werk als wirkliche Pionierleistung in diesem Feld zu betrachten ist.
Xavier da Silveira, der in der Schule von Plinio Corrêa de Oliveira geformt wurde, ging dieses delikate Argument unmittelbar nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil an. Er erforschte die theologische und kanonische Literatur zum Thema, beschränkte sich aber nicht darauf, uns einen an sich schon verdienstvollen Überblick über die verschiedenen theologischen Positionen zu bieten, sondern folgt der Lehrmeinung des heiligen Robert Bellarmin über die Möglichkeit, daß ein Papst in die Häresie fallen kann. Diese These bereichert er um eigenständige Anmerkungen.
1970 veröffentlichte Xavier da Silveira, in begrenzter Auflage, die „Considerações sobre o ‚Ordo Missae‘ de Paulo VI“. Sie enthielten eine Studie über die „Theologische Hypothese eines häretischen Papstes“. Diese Arbeit wurde dann auf französisch herausgegeben unter dem Titel: „La Nouvelle Messe de Paul VI: Qu’en Penser?“ (Diffusion de la Pensée Française, Chiré-en-Montreuil 1975). Ihre Verbreitung wurde aber von Paul VI. selbst verboten. Der dem „häretischen Papst“ gewidmete Teil wurde 2016 ins Italienische übersetzt und im Verlag Solfanelli unter dem Titel: „Ipotesi Teologica di un Papa eretico“ vorgelegt. 2018 folgte eine englische Ausgabe mit einem neuen Kapitel und dem Titel: „Can a Pope be … a heretic?“ (Eine deutsche Übersetzung liegt noch nicht vor.)
Das neue Buch mit dem Vorwort von Prof. Roberto de Mattei Der Text, den wir veröffentlichen, ist die Übersetzung des siebten Kapitels der englischen Ausgabe, das ergänzt wurde, was uns nicht nur besonders nützlich erscheint, weil es der letzte Beitrag von Arnaldo Xavier da Silveira war, sondern vor allem auch deshalb, weil es seine Meinung zusammenfaßt, die er als „theologisch gesichert“ bezeichnet. Die Position des Autors ist ausgewogen und hat das Verdienst, sowohl die simplifizierenden Lösungen des Sedisvakantismus als auch die vielleicht verführerischen Lösungen des Konziliarismus gemieden.
Gegen den Sedisvakantismus betont da Silveira den Grundsatz der Sichtbarkeit der Kirche. Der Papst kann das Pontifikat nicht verlieren, wenn sein Status als Häretiker nicht der ganzen Kirche bekannt ist, wobei dieser Begriff natürlich nicht numerisch und quantitativ verstanden wird, sondern bezogen auf die pars sana, die den wahren, katholischen Glauben bekennt.
Da Silveira ist der Meinung, daß die Häresie des Papstes für die „ganze Kirche“ (tota Ecclesia) offenkundig zu sein habe, wie es der Theologe Pietro Ballerini (1698–1769) ausdrückte. Die Nachricht von der Häresie des Papstes habe auch die kapillaren Teile der katholischen Meinung zu erreichen bis hin zum einfachen Gläubigen, den der Autor mit einer guten und einfachen, katholischen Familienmutter vergleicht. Um zu zeigen wie die pars sana der Kirche sich der päpstlichen Häresie bewußt werden kann, analysiert Xavier da Silveira eine andere Wirklichkeit, die er das Gewebe der Meinung der Kirche nennt.
Die Meinungsbildung in der Kirche, die eine lebende Wirklichkeit ist, gespeist vom Wirken der Gnade, setzt die Wechselbeziehung einer unendlichen Zahl von Einflüssen durch die Seelen voraus. Zu diesem letzten Aspekt erinnert Xavier da Silveira an die Bedeutung des sensus fidei und der passiven Unfehlbarkeit der Gläubigen bei der Bildung der Überzeugungen innerhalb der Kirche.
Gegen den Konziliarismus bestreitet das Silveira, daß irgendwer einen Papst absetzen könnte und betont, daß die einzige Hypothese der Kirchenlehrer, die nicht auf einen Rechtsspruch gegen den noch regierenden Papst zurückgreift, die fünfte These des heiligen Robert Bellarmin ist, die in einigen Punkten durch Theologen wie Ballerini, Wernz-Vidal, Billot und andere vervollständigt und bereichert wurde.
Alle anderen Thesen, wie ein Häretiker sein Pontifikat verliere, setzen zumindest den Rechtsweg durch ein unvollkommenes Konzil (ein Konzil, das ohne den Papst und gegen seinen Willen einberufen wird), das Kardinalskollegium oder irgendein anderes kirchliches Organ voraus. Für den heiligen Jesuiten Bellarmin kann aber kein irdisches Gremium den Papst absetzen. Es ist vielmehr der häretische Papst selbst, der die sichtbare Kirche verläßt, indem er seine Häresie öffentlich zum Ausdruck bringt.
„Der Verlust des Pontifikats wird also nicht das Ergebnis einer Absetzung durch irgendwen sein, sondern ein Akt des Papstes selbst, der – indem er ein formaler und notorischer Häretiker wird – sich selbst aus der sichtbaren Kirche ausgeschlossen und damit stillschweigend auf sein Pontifikat verzichtet haben wird.“
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017. https://katholisches.info/2019/04/17/und...aeretiker-wird/ Übersetzung: Giuseppe Nardi Bild: Wikicommons/Corrispondenza Romana
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