28. SEPTEMBER 2019
Kardinal Burke: „Wer eine ‚andere Kirche‘ will, will keine Priesterberufungen“
Kardinal Burke: „Deutsche Bischöfe sagen, die Amazonassynode soll die Kirche revolutionieren“.
Nachdem Kardinal Raymond Burke warnend seine Stimme zur bevorstehenden Amazonassynode erhob, gab er nun Riccardo Cascioli, dem Chefredakteur der Nuova Bussola Quotidiana, ein Interview zu den aktuellen Entwicklungen in der katholischen Kirche. Es sei irreführend, so der von Papst Franziskus 2014 wegen seiner Verteidigung der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe abgesetzte Präsident des Obersten Gerichshofes der Apostolischen Signatur,
zu behaupten, die Amazonassynode diene der Evangelisierung der Indios, wenn sie in Wirklichkeit die Revolutionierung der ganzen Kirche zum Ziel hat. Es gebe auch „kein US-Komplott“ gegen Papst Franziskus und schon gar nicht, arbeite er mit Leuten zusammen, die die Kirche zerstören wollen, wie behauptet wurde.
Riccardo Cascioli: Eminenz, heute ist es sehr in Mode, zu behaupten, daß unsere Aufgabe nur darin besteht, Zeugnis für Christus zu geben, indem wir Gutes tun, beispielsweise indem wir den Armen und Einwanderern helfen.
Kardinal Burke: Ich will Ihnen mit dem Beispiel des heiligen Petrus Claver, eines spanischen Jesuiten antworten, der im 17. Jahrhundert über vierzig Jahre lang Missionar in Cartagena in Kolumbien für die Sklaven war, die aus Afrika gebracht wurden. Als die großen Schiffe voller Sklaven ankamen, war er dort, um ihre Wunden zu heilen, aber er lehrte sie auch Gebete, weil er überzeugt war, daß das wichtigste Geschenk, das er schenken konnte, der Glaube war.
Riccardo Cascioli: Man will aber den Proselytismus vermeiden…
Kardinal Burke: Proselytismus heißt, zu versuchen, die Lehre aufzuzwingen oder den Eintritt in die Kirche zur Bedingung für materielle Hilfe zu machen, und das ist natürlich nicht richtig. Wir können aber Christus denen nicht vorenthalten, die ihn nicht kennen, und wir können es nicht verabsäumen, ihnen die Schönheit der Kirche zu zeigen.
Dies läßt den Gesprächspartner vollkommen frei, aber er erhält das Zeugnis. Ich denke an das Beispiel eines islamischen Einwanderers, der, als er einen jungen Katholiken traf und mit ihm über seinen Glauben sprach, von einem Gott beeindruckt war, der seinem Volk so nahesteht im Gegensatz zu dem, was im Islam gelebt wird, und er bat um die Taufe. Jesus Christus ist der einzige Retter der Welt, und wenn wir Christus verkünden, werden die Menschen angezogen.
Wenn wir Christus nicht erwähnen, und wenn wir nicht sagen, daß unsere Liebe von Ihm kommt, genährt von der Eucharistie, warum sollten uns die Menschen nach Ihm fragen? Der Herr hat uns gesagt, wir sollen in alle Welt hinausgehen, um die Menschen zu taufen. Das ist ganz klar, das ist unsere Aufgabe.
Riccardo Cascioli: Im Allgemeinen wird heute der Akzent mehr auf die Notwendigkeit gelegt, verschiedene Kulturen und Religionen zu schätzen. Es heißt, Missionare müssen zuhören. Wenn sie ankommen, müssen sie vor allem von der einheimischen Bevölkerung deren Botschaft lernen.
Kardinal Burke: Wenn jemand als Missionar aufbricht mit der bloßen Absicht, die Kultur zu schätzen, die er vorfindet, können wir sicher sein, daß es keine Evangelisierung geben wird, und daß es vielmehr wahrscheinlich ist, daß solche Missionare ihren Glauben verlieren. Diese Einstellung ist aber nicht neu.
Ich erinnere mich, als ich ein junger Priester war, rief mich ein Pfarrer an wegen der Teilnahme an einem Treffen mit einem Missionar in Afrika. Ich war schockiert, als dieser sagte, daß er in den drei Jahren, in denen er auf Mission war, nie eine Messe zelebriert hatte, aber die Menschen schätzte und ganz ihre Lebensweise übernommen hatte. Leider sind das keine Einzelfälle.
Riccardo Cascioli: Das bringt uns zur Frage der Amazonassynode, deren vorbereitendes Dokument (Instrumentum Laboris) genau diesen Ansatz widerspiegelt und noch Schlimmeres. Sie haben zusammen mit Msgr. Athanasius Schneider einen Aufruf zu Gebet und Fasten veröffentlicht, damit Irrtümer und Häresien in diesem Dokument von der Synode nicht gebilligt werden.
Kardinal Burke: Wir müssen für die Kirche beten und fasten, weil wir uns in einer sehr tiefen Krise befinden. Wir müssen alles tun, um den katholischen Glauben in seiner Integrität zu verteidigen. Dieses Dokument ist absolut inakzeptabel. Selbst die Realität Christi wird in Frage gestellt, wenn behauptet wird, daß diese heidnischen Kulturen bereits Quellen der Offenbarung sind, die an sich und außerhalb des Kontextes von Gottes Plan respektiert werden müßten, der in der Inkarnation Christi verwirklicht ist. Laut der zutiefst falschen Auffassung des Instrumentum Laboris wird Christus eins mit dem Kosmos, und Gott offenbart sich auch in anderen Dingen. Aufs engste damit verbunden ist der Pantheismus, also ein Naturkult. Aber der einzige Kult für uns ist der göttliche Kultus, und durch diesen Gott dargebrachten Kultus, wie Gott selbst uns lehrt, verstehen wir die richtige Beziehung zur Natur und zu uns selbst.
Riccardo Cascioli: Dann gibt es das Problem der Bedeutung des Priestertums…
Kardinal Burke: Auf diesem Weg wird das einzige Priestertum Jesu Christi in Frage gestellt. Als Tribut an die indigenen Kulturen wird gefordert, daß der priesterliche Dienst von verschiedenen Personen geteilt wird, die sich abwechseln. Dann der Angriff auf den Zölibat, der apostolischen Ursprungs ist und vor allem ein theologisches Gut darstellt: die völlige Zugehörigkeit zu Christus, um mit Christus an seinem Priesteramt teilzunehmen. Der Priester ist dazu da, die Eucharistie zu zelebrieren und sich selbst als Opfer für das Heil der Seelen anzubieten, um sich ganz Christus hinzugeben. Das ist das Wesentliche.
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Ale anderen priesterlichen Tätigkeiten – die Unterweisung, die Hilfe für die Gläubigen in Not, die verschiedenen Werke, auch die Verteidigung der Indios – sind eine Folge, sie könnten auch entfallen, ohne daß damit etwas vom priesterlichen Dienst weggenommen würde. Wenn der Priester aber kommt, ist das eine besondere Gnade, weil er sakramental Christus gleichgestaltet ist. Menschen des Glaubens wissen das genau, und sie wissen das zu schätzen.
Riccardo Cascioli: Als Vorwand dient der Rückgang der Berufungen.
Kardinal Burke: Aber jene, die für eine „neue Kirche“ eintreten, wollen keine Berufungen. Sie entmutigen sie, gerade um ihre eigene Angriffshaltung gegen den Zölibat zu rechtfertigen. Es ist kein Zufall, daß in diesen Zeiten religiöse Orden, vielleicht noch junge Kongregationen, die viele Berufungen haben, am stärksten ins Visier genommen werden. Es ist auch ein Video eines bekannten italienischen Ordensmannes in Umlauf, der vom
„Ende der Priesterkirche“ spricht und von neuen Modellen des Dienstes. Das ist genau das, was sie wollen, aber das ist ein protestantisches Denken. Es stimmt nämlich nicht, daß es keine Berufungen mehr gibt. Vielerorts fehlt das Apostolat für Berufungen, das Gebet für Berufungen. Als ich in den USA Diözesanbischof war, habe ich bei jedem Treffen mit den Priestern zum Apostolat für die Berufung aufgerufen. Einmal sagte mir ein Priester am Ende meiner Ansprache an die Priester:
Ich werde niemals einen jungen Mann ermutigen, Priester zu werden, solange die Kirche nicht das Frauenpriestertum nicht erlaubt und den Zölibat der Priester nicht abschafft. In einer solchen Haltung liegt das Problem.
Riccardo Cascioli: Es gibt auch jene, die vorhaben, die Amazonas-Kirche zum Paradigma für die Weltkirche zu machen.
Kardinal Burke: Das ist ein weiterer wichtiger Punkt. Es gibt eine sehr unehrliche Haltung, die einen weltlichen Geist offenbart. Als Ziel der Synode wird die Seelsorge für die Menschen präsentiert und daß das Amazonasgebiet evangelisiert werden soll.
In Wirklichkeit erklären deutsche Bischöfe eindeutig, daß es das Ziel ist, die gesamte Kirche zu revolutionieren, und das ist sicher nicht Gottes Plan, sondern der einer bestimmten Ideologie. Das geht soweit, daß der Bischof von Essen, Msgr. Franz-Josef Overbeck, in den vergangenen Tagen sagen konnte, daß nach der Amazonassynode in der Kirche „nichts mehr sein wird wie vorher“.
Riccardo Cascioli: Apropos Revolutionen in der Kirche: Von Zeit zu Zeit taucht Ihr Name unter den „Feinden“ von Papst Franziskus auf. Sie werden oft mit Steve Bannon und allgemein mit „reichen Amerikanern“ in Verbindung gebracht, die über Kritik am Kapitalismus besorgt sind und deshalb eine Verschwörung betreiben, um „den Papst auszutauschen“, wie auch ein gerade in Frankreich erschienenes Buch behauptet, das dem Papst auf seiner jüngsten Afrika-Reise geschenkt wurde.
Kardinal Burke: Wenn man mir vorwirft, ein „Feind“ des Papstes zu sein, verlange ich immer, auch nur einen Anlaß zu nennen, bei dem ich Papst Franziskus angegriffen habe. Die Verteidigung der Integrität des katholischen Glaubens kann ja sicher nicht als Angriff auf den Papst gesehen werden, wenn einem klar ist, was ein Papst für die Kirche bedeutet. Was den Rest angeht: Das ist alles Unsinn.
Apropos Bannon: Ich werde ihm ein paarmal begegnet sein, wie es bei vielen Leuten im öffentlichen Raum der Fall ist. Vor kurzem habe ich mich auch öffentlich von einer internationalen Vereinigung distanziert, die entstanden ist, um europäischen Parlamentariern zu helfen, im Einklang mit der Soziallehre der Kirche zu handeln, sich aber immer mehr den politischen Aktivitäten von Bannon annäherte.
Bannon wollte sogar einen Film über das Buch „Sodom“ von Frédéric Martel machen, der zeigen will, daß die Kirche eine Bande von Heuchlern ist, und fast alle Kardinäle homosexuell seien. Ich aber muß den Glauben lehren und den Glauben verteidigen. Ich kann mich nicht auf Menschen einlassen, die handeln, um die Kirche zu zerstören.
Riccardo Cascioli: Bleiben noch die amerikanischen Kapitalisten…
Kardinal Burke: Es gibt aber kein Komplott. Es ist offensichtlich, daß es in jeder freien Gesellschaft die Freiheit der Menschen gibt, ihre Meinungen und Bedürfnisse zu äußern. Unter den Reichen gibt es auch Katholiken, die viele Opfer für die Kirche bringen. Auch sie können ihre Meinung sagen, aber das ist keine Bande gegen Papst Franziskus und schon gar nicht, bin ich ihr Guru, wie einige sagen.
Riccardo Cascioli: In der amerikanischen Kirche herrschen jedoch turbulente Zeiten. Die McCarrick-Affäre wurde noch nicht verdaut.
Kardinal Burke: In den Vereinigten Staaten ist der McCarrick-Fall noch offen, weil nie geklärt wurde, wer diesen Kardinal beschützt und gefördert hat, der seit Beginn seines Priestertums männliche Jugendliche mißbraucht hat. Trotzdem wurde er Bischof, dann in eine wichtigere Diözese befördert und schließlich Kardinal.
Es gibt eine rationale Erklärung für das, was passiert ist, und wenn das nicht erkannt wird, wenn nicht Licht in die Sache gebracht wird, wie das passiert ist und wer die Verantwortlichen sind, sind die Menschen offensichtlich enttäuscht und orientierungslos. Das Schlimmste ist, daß die Gläubigen das Vertrauen in ihre Bischöfe verloren haben. Für mich war es immer erbaulich zu sehen, daß die Menschen ihre Priester auch nach dem ersten Skandal von 2002 geliebt haben.
Jetzt aber ist das Vertrauen in die Bischöfe sehr gering. Die Bischöfe hatten die Aufgabe, die Situation der Mißbrauchs-Priester zu bewältigen, stattdessen explodierte der schockierende Fall McCarrick: Er hat nicht nur diese Verbrechen begangen, sondern wurde viele Male befördert. Das ist unglaublich! Diesbezüglich gibt es ein grundlegendes Problem, für das ich sehr empfindlich bin. Ich habe sagen hören und höre es noch heute, daß das Kirchenrecht nicht in der Lage war, mit diesen Dingen umzugehen. Aber das ist falsch. Für diese Fälle waren bereits kanonische Verfahren vorgesehen: Vor den Anklagen war eine Voruntersuchung zwingend vorgeschrieben, auf deren Grundlage dann, je nachdem was festgestellt wurde, ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren eingeleitet wurde oder nicht.
Leider haben die Bischöfe, als es Vorwürfe gab, auf ihre eigene Weise gehandelt, anstatt der Disziplin der Kirche zu folgen. Das ist immer ein Fehler. Auf diese Weise haben die Bischöfe die Priester beschützt, die schrecklichen sexuellen Mißbrauch begangen haben.
https://katholisches.info/2019/09/24/kar...sterberufungen/
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi Bild: MiL
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