Herzlich Willkommen, hier in diesem Forum....http://files.homepagemodules.de/b531466/avatar-4dbf9126-1.gif
  • 31.12.2019 00:36 - Eine so abstrakte, verkopfte und öffentlich ausgebreitete Konstruktion eines Ritus, wie ihn auch die Folha schildert, dürfte ein nie dagewesener Vorgang in der Kirche sein
von esther10 in Kategorie Allgemein.

(Brasilia)


Die Folha de São Paulo, die größte Tageszeitung Brasiliens und ganz Lateinamerikas, berichtete am 23. Dezember, einen Tag vor Heiligabend, über die „bestehenden Erwartungen“ zum neuen „Amazonas-Ritus“, den Papst Franziskus laut Amazonassynode einführen soll.

Die Kirche kennt als Hauptriten den ostkirchlichen Byzantinischen Ritus und den westkirchlichen Römischen Ritus. Daneben existieren alte, ordenseigene und örtliche Riten wie der Ambrosianische Ritus in der Kirchenprovinz Mailand, die im Laufe der Geschichte entstanden sind. Seit der Liturgiereform von 1969/1970, der sogenannten „Bugnini-Reform“, sind die meisten dieser Sonderformen, sowohl lokaler als auch ordenseigener Ausprägung, weitgehend zugunsten des Novus Ordo Missae verdrängt worden und fast ganz verschwunden.

Neu hinzugekommen ist 2009 der Anglikanische Ritus, den Benedikt XVI. den Anglikanern gewährte, die in die Einheit mit Rom zurückkehren.

Radikale Eingriffe wurden durch die Jahrhunderte vermieden, weil die Liturgie als kostbarster, zu bewahrender Schatz der kirchlichen Tradition gesehen wurde. Eine massive Ausnahme stellt die Einführung des Novus Ordo Ende der 60er Jahre dar. Eine Wiederholung in dieser Wucht könnte erneut bevorstehen.



Anpassung und Adaptierung
Im Zuge der Amazonassynode wurde die Schaffung eines neuen, „Amazonischen Ritus“ angeregt. Manche Beobachter stoßen sich an der Künstlichkeit des Projekts. Der „Amazonische Ritus“ werde als Kopfgeburt am grünen Tisch geschaffen. Eine Vorgehensweise, die bis zur Bugnini-Reform vor 50 Jahren der Kirche fremd war. Andere bezweifeln, daß es sich um eine lokal begrenzte Sonderform handeln werde, da die Gemeinschaften der Regenwald-Indios durch Landflucht schnell schwinden, während das größte Interesse an der Amazonassynode von deutscher Seite kommt.

InfoCatolca veröffentlichte dieses Bild mit der Beschriftung: Erste Klasse des Seminars für die neuen Gemeinschafts-Priester.
InfoCatolca veröffentlichte dieses Bild mit der Beschriftung: Erste Klasse des Seminars für die neuen Gemeinschafts-Priester.
Die brasilianische Tageszeitung stören diese Einwände nicht. Sie setzte das Thema sogar auf die Titelseite mit der Überschrift „Igreja propõe adaptação de missa a rituais amazônicos”:

„Die Kirche schlägt die Anpassung der Messe an amazonische Rituale vor.“

Der Artikel behandelt die Erwartungen, die einige mit der Schaffung eines „Amazonischen Ritus“ zur Zelebration der Messe verbinden. Die Weichen dazu wurden ebenso mit der Amazonassynode gestellt wie zur Aufhebung des priesterlichen Zölibats und zur Schaffung „neuer Dienste“ für Frauen in der Kirche. Beide Forderungen haben weniger mit dem Amazonasbecken zu tun, dafür um so mehr mit einigen westlichen Regionen, besonders mit dem deutschen Sprachraum.

Zum besseren Verständnis soll noch folgende Information vorausgeschickt werden: Die Folha de São Paulo spielt in Brasilien dieselbe Rolle wie die New York Times in den USA. Wie das New Yorker Leitorgan des linksliberalen Establishments US-Präsident Donald Trump bekämpft, so bekämpft das brasilianische Blatt Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro. Religiöse, besonders kirchliche Themen finden selten Platz auf der Titelseite, wenn doch, dann in einem instrumentellen Sinn.

Die akzentuiert politische Ausrichtung, die der Amazonassynode von den Organisatoren mit Billigung von Papst Franziskus gegeben wurde, lieferte der Tageszeitung von São Paulo zahlreiche Munition für ihr derzeitiges Hauptanliegen, die Bekämpfung von Staats- und Regierungschef Bolsonaro.

Laut dem seit 1921 erscheinenden Tagblatt „erwartet die Kirche die Anweisung des Papstes, um die Messe mit Riten der indigenen Kultur zu adaptieren“.

Der Wunsch der Amazonas-Synodalen
Der entsprechende Vorschlag der Amazonassynode werde, so die Folha, von den Missionaren begrüßt, während er „die Anthropologen besorgt“. Die Gründe für diese Sorge sind grundverschieden von jenen, die derzeit gläubige Katholiken beunruhigen.

In den letzten vier Paragraphen des Synodenschlußdokuments von Ende Oktober wurde die Bitte an Papst Franziskus verpackt, einen eigenen „Amazonischen Ritus“ einzuführen. Zur Begründung wurde auf das Zweite Vatikanische Konzil verwiesen, das eine „Öffnung“ der Kirche für die „neuen Zeiten“ fördere. Diese werde durch einen „liturgischen Pluralismus“ erreicht, wie die Mehrheit der Synodenväter meint. Sie regen „Variationen und Adaptationen“ an, die den „indigenen Völkern“, gemeint sind die Indianer-Völker, entsprechen, denn die Liturgie habe auf die Kultur zu „reagieren“.

Es gehe darum, so die Mehrheit der Synodenväter, eine „wahrhaft katholische Antwort“ auf die Bitten der Amazonasgemeinschaften zu geben, die Liturgie „anzupassen“ und dabei die ursprüngliche Weltanschauung, die Symbole und Riten „zu würdigen“ und die „transzendente, gemeinschaftliche und ökologische Dimensionen zu umfassen“. Was mit „ursprünglicher Weltanschauung“ gemeint sein dürfte, erlebte eine staunende und teils schockierte Christenheit mit den Pachamama-Umtrieben, die sich nicht nur auf die Amazonassynode beschränkten, sondern beim traditionellen Weihnachtskonzert am Heiligen Abend aus dem Vatikan eine Neuauflage erlebten.

Eine so abstrakte, verkopfte und öffentlich ausgebreitete Konstruktion eines Ritus, wie ihn auch die Folha schildert, dürfte ein nie dagewesener Vorgang in der Kirche sein.

Am 26. Oktober wurde die Amazonassynode abgeschlossen. Seither wartet die Kirche auf das nachsynodale Schreiben, mit dem Papst Franziskus die Ergebnisse aufgreifen und für die Kirche umsetzen will. Er kündigte dessen Veröffentlichung noch vor Jahresende 2019 an.

„In einigen Gemeinden gibt es bereits diesen Ritus“
Laut Folha de São Paulo gebe es „in einigen Gemeinden bereits diesen Ritus“.

Ohne neokolonialistische „Nachhilfe“ bestimmter Missionare, Missionsorden und Missionswerke wäre das freilich undenkbar. Einer der bekanntesten ist der österreichische Missionsbischof Erwin Kräutler, der erklärte, in seinen mehr als 50 Jahren im Amazonas nie einen Indio getauft zu haben. Kräutler ist damit kein Einzelfall. Was gläubige Katholiken entsetzt, damit brüsten sich die Verfechter einer „Würdigung der indigenen Kulturen“. Ihren geistigen Neokolonialismus betreiben sie unter dem Deckmantel einer radikal antikolonialistischen Dialektik.

Entsprechend verweist die Folha als Beispiel für Gemeinden, in denen es bereits einen „Amazonischen Ritus“ gebe, auf „einen italienischen Missionar, der seit 14 Jahren beim Volk der Ticuna in der Nähe von Tabatinga“ lebt. Der Kapuzinerpater Paolo Maria Braghini „bemüht sich, die Indio-Traditionen den Messen einzuverleiben“.

Braghini, der im Artikel zitiert wird, gibt zu:

„Es ist schwer zu sagen, wie der amazonische Ritus sein wird, weil jede Ethnie eine Geschichte, eine Kultur und eine Sprache hat. Generell sind die Amazonas-Völker aber einfach. Sie verfügen über keine Schriftkultur. Unsere Liturgie ist sehr wortlastig. Sie sind sehr praktisch veranlagt.“

Der Kapuziner nennt die Gesänge als Beispiel. Die Indio-Rituale „haben Gesänge von wenigen Worten, die sich viele Male wiederholen“, und das „mache sich die Liturgie zu eigen“, die von Braghini in den von ihm betreuten Gemeinschaften eingeführt wurde. Worte gebe es nur wenige, aber dafür sei jede Geste „hochsymbolisch“. Eine besondere Rolle würden die Körperbemalungen spielen, die mit der Farbe aufgetragen werden, die aus dem Saft der Jenipapo-Frucht gewonnen wird. Diese Bemalungen müßten „zusammen mit den wichtigsten Symbolen der Ethnie“ in die Liturgie einbezogen werden, so Braghini.

„Langsam, langsam spüren die Indios, daß sie auf ihre Weise zelebrieren können“, so der Missionar über die aktuelle Stimmung.

„Die Kirche muß sich zuerst amazonisieren“
Die Folha zitiert auch Bischof Ernesto Romero, den Apostolischen Vikar von Tucupita in Venezuela, der als Synodale an der Amazonassynode teilnahm. Er erhofft sich vom nachsynodalen Schreiben von Papst Franziskus „eine größere Klarheit“ über das, „was zu tun sei“. Dieser habe „versprochen“, das Schreiben noch „vor Jahresschluß zu präsentieren“, wie der Bischof betont.

Riten hätten sich rund um eine Sprache und eine ethnische Gruppe entwickelt, so hingegen der Theologe und Philosoph Fernando Altemeyer vom Religionswissenschaftlichen Institut der Päpstlichen Katholischen Universität São Paulo (PUC-SP). Im Amazonas gebe es aber viele Ethnien, Sprachen und Identitäten. Ein solches „breites, kulturelles Kaleidoskop“ könne ein Ritus nicht widerspiegeln. Darum, so Altemeyer, müsse sich „die Kirche zuerst amazonisieren“, um dann „von einem amazonischen Ritus oder amazonischen Riten“ sprechen zu können.

Altemeyer ist nicht der einzige Theologe, der vor einer „kulturellen Kolonisation“ warnt. Dabei meint er allerdings nicht den oben beschriebenen Neokolonialismus progressiver, westlicher Kirchenkreise, die päpstlichen Rückenwind verspüren.

Pedro de Niemeyer, Professor für Indigene Ethnologie an der Universität von São Paulo (USP), vertritt einen antichristlichen „Antikolonialismus“. Er bezichtigt die katholische Kirche, „mitten im 21. Jahrhundert einen Evangelisierungsprozeß“ zu betreiben „wie die Jesuiten der ersten Tage der Kolonialisation“ im 16. Jahrhundert. Als Beispiele nennt er „Strategien“ der Textübersetzung in die Indio-Sprachen und die Schaffung einer adaptierten Liturgie, mit denen „der Glaube und die christlichen Werte über die indigenen Kulturen darübergelegt werden“ sollen. Damit sage die Kirche, so de Niemeyer, die Kultur der Indios sei „minderwertig und brauche einige externe Ergänzungen“. Laut dem Ethnologen solle sich die Kirche „auf Sozialhilfe und Gesundheitsfürsorge beschränken“.

Für den Brasilianer könne die kirchliche Sozialhilfe für die Indios durchaus „sehr wichtig sein, besonders im aktuellen Kontext der Verfolgung und des Abbaus der staatlichen Politik“, ein Seitenhieb auf die neue Regierung von Bolsonaro und ein Lob für dessen sozialistische Vorgängerregierungen. Die Kirche solle aber von jeder Form „der anachronistischen und kolonialistischen Proselytenmacherei“ absehen.

Mit einem eigenen Amazonas-Ritus „kann man besser an spezifische Fälle denken“
Niemeyers Fachkollegin Marta Amoroso erwartet sich von der Kirche hingegen mehr Einsatz gegen die „Klimakrise“: eine Unterstützung gegen „Abholzung“, gegen „Megaprojekte“ wie „Staudämme“, „Erdölförderung“, „Bergbau“, „Monokulturen“ und „Privatisierung der Wasserversorgung“.

Eine Adaptierung der Liturgie begrüßt sie, denn sie sei Ausdruck einer „inkulturierten Kirche“, laut der die Liturgie imstande sein müsse, das Geheimnis Christi in den „besonderen Ausprägungen der lokalen Kulturen auszudrücken“.

Jene Ticuna, so Braghini, die sich als praktizierende Katholiken bekennen, hätten sich von der Amazonassynode eine „Anerkennung der Fehler der Vergangenheit erhofft wie physische Gewalt in katholischen Internaten“, aber auch „Erziehungsprogramme“, die auf Akkulturation beruhen und den Indio-Sprachen Rechnung tragen sowie die Anerkennung „des Verständnisses und der Bräuche der indigenen Völker“.

Andere, so die Folha, seien überzeugt, daß nur durch die Einführung eines „Amazonischen Ritus“ auch diese anderen Probleme gelöst werden könnten. Dieser Ansicht ist der Salesianer und Tuyuka-Indio, P. Justino Sarmiento Rezende. Er war auch Synodale bei der Amazonassynode:

„Innerhalb eines spezifischen Ritus kann man besser an spezifische Fälle denken wie die Weihe von verheirateten Priestern und die Schaffung von weiblichen Diakonen. Diese Themen passen nicht gut in den Römischen Ritus.“

Der Salesianer, Tuyuku und Synodale P.Sarmiento mit Papst Franzsiskus
Der Salesianer, Tuyuka und Synodale P. Sarmiento mit Papst Franzsiskus
Der Salesianer ist erfreut darüber, daß im Vatikan ein eigenes „Amazonas-Dikasterium“ errichtet werde.

„Es wird auch eine Amazonas-Konferenz geben, um alles zu konkretisieren, was bei der Synode behandelt wurde.“

Auch der Befreiungstheologe, führende Vertreter der Indio-Theologie und ehemalige Vorsitzende des Indigenistischen Missionsrates der Brasilianischen Bischofskonferenz, der Deutsche Paulo Suess (Paul Günther Süss), ist der Meinung, daß „ein Amazonischer Ritus wenig wäre“:

„Wir brauchen Offenheit für die Kreativität der Gemeinschaften, denen nur ein Rahmen gegeben werden soll, der dieser Kreativität Freiräume läßt.“

Der Folha-Artikel zeigt, daß in bestimmten Kirchenkreisen hohe Erwartungen in das nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus gesetzt werden, mit dem umgesetzt werden soll, was durch den „synodalen Weg“ der Amazonassynode angestoßen wurde, der wiederum von Franziskus angestoßen wurde. Er vermittelt einen Eindruck, wie viele Vertreter der progressiven Richtung derzeit in Santa Marta antichambrieren.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: Folha de S. Paulo (Screenshot)

Sie lesen gern Katholisches.info? Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

Jetzt einfach, schnell und sicher online bezahlen – mit PayPal.

ÄHNLICHE ARTIKEL
Zölibat
Zölibat effizientester Weg, um die Säkularisierung zu überwinden
Am 24. Mai empfängt Papst Franziskus erstmals US-Präsident Donald Trump in Audienz. Laut Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo, dem politischen Arm des Papstes, werde Franziskus sich bemühen, Trump von der UNO-Klimaagenda "zu überzeugen".



Papst Franziskus „wird Trump überzeugen“ – Proselytismus: Nein für den Glauben, ja für den Klimawandel?
Neue Kardinäle
Personalrochade im Staatssekretariat wahrscheinlich
Load Comments
RICHTLINIEN FÜR LESERMEINUNGEN

Katholisches – Unabhängiges Magazin für Kirche und Kultur

Wie viel ist Ihnen katholischer Journalismus wert? 1.247,99 Euro fehlen für den weiteren Betrieb.
Mehr erfahren

https://katholisches.info/2019/12/27/vie...onas-schreiben/



Beliebteste Blog-Artikel:

Melden Sie sich an, um die Kommentarfunktion zu nutzen
Danke für Ihr Reinschauen und herzliche Grüße...
Xobor Xobor Blogs
Datenschutz