Von den vier letzten Dingen, dem Tode, dem Gerichte, der Hölle und dem Himmelreiche,
von Pater Martin von Cochem. Neue umgearbeitete Auflage. Landshut, 1859. Druck und Verlag der Joseph Thomann´schen Buchhandlung. (J. B. v. Zabuesnig.)
V. Kapitel Von der Vorstellung des Kreuzes Christi.
Wenn wir nun einmal Alle im Thale Josaphat versammelt sein werden, dann wird in Erfüllung gehen, was Christus geweissagt hat:
„Die Menschen werden verschmachten vor Furcht und vor Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen werden“ (Luk. 21, 26.)
Denn wir werden in solchen Aengsten wegen des strengen Gerichtes allda beisammen stehen, daß wir verschmachten müßten, wenn es möglich wäre. Wir werden mit Zittern und Schrecken ohne Unterlaß gegen Himmel schauen, und die Ankunft des Richters erwarten. Unterdessen aber werden sich die Himmel öffnen, und das siegreiche Kreuzzeichen Christi wird von einer ganzen Schaar Engel herabgebracht, und vor das Angesicht der ganzen Welt hingestellt werden.
Von diesem Geheimniß spricht Christus also:
„Die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Und dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und dann werden alle Geschlechter der Erde weheklagen“ (Math. 24, 29.)
Was für ein Zeichen es sei, das am Himmel erscheinen wird, erklärt die katholische Kirche mit den Worten: „Das Zeichen des Kreuzes wird am Himmel sein, wann der Herr zu richten kommen wird.“ Die heiligen Väter erklären dies so, daß sie sagen, das wahre wirkliche Kreuz, an dem Christus gestorben, werde am Himmel stehen, und von den Engeln allen Menschen gezeigt werden. Wiewohl es jetzt in viele Stücklein zertheilt ist, so wird es doch, wie unsre zu Asche verbrannten Leiber, von den Engeln zusammen getragen, und durch göttliche Kraft wieder ganz gemacht werden. Du kannst dir nun vorstellen, wie es etwa auf folgende Weise herabgebracht werde. Es werden vorher Einige der vornehmsten Engel mit Posaunen erscheinen und so mächtig blasen, daß es alle hören. Durch diesen Schall erschreckt, werden dann wir Alle unsre Häupter zum Himmel erheben, um zu sehen, was da geschehen werde.
Auf einmal werden wir dann sehen, wie der große Erzengel Michael in unaussprechlicher Zierde und Majestät vom hohen Himmel herabsteigt und dem Zeichen des Menschensohnes, dem hochwürdigen Kreuze unsers Herrn Jesu Chrisit, welches zu größerer Verherrlichung auf beiden Seiten von verschiedenen Engeln getragen, und mit himmlischem Golde und Edelgesteinen auf das Herrlichste geziert sein wird. Nach dem heiligen Kreuze werden andere Engel folgen, welche, wie der englische Lehrer, der hl. Thomas von Aquin sagt, alle andern Leidenswerkzeuge tragen, nämlich: Die Säule, den Spieß, den Schwamm, die Leiter, das Rohr, die Ruthen, die Geißeln, die Dornenkrone, die Nägel, die Stricke, die Seile, die Ketten, die Hämmer, die Zangen, die Bohrer, die eisernen Handschuhe, die Würfel, das Purpurkleid, das weiße Kleid, das Tuch, welches Christo spottweise um den Hals gebunden worden, den ungenähten Rock, die Grabtücher, das heilige Schweißtuch, die Myrrhenbüchse, sammt allen Werkzeugen, welche zum Leiden Christi gebraucht worden sind. Und dies geschieht darum, damit alle Welt mit Augen sehe, wie vielerlei Werkzeuge man, um Christus zu peinigen, gebraucht habe, und wie vielerlei Pein und Marter man dem Sohne Gottes angethan habe.
Wenn nun diese englische Prozession in die untere Gegend der Luft herabgekommen ist, dann werden die Engel das heilige Kreuz sammt allen andern Leidenswerkzeugen so aufstellen, daß sie von Allen klar gesehen werden können. Der hl. Michael wird mit dem heiligen Kreuz in der Mitte stehen, und neben ihm auf beiden Seiten die andern Engel mit ihren heiligen Waffen. Diese englische Schaar wird Allen tausendmal mehr Schrecken einjagen, als sonst eine wohlbewaffnete, mit aller Kriegsmunition bestversehene Armee einem Feinde einjagen könnte. Denn alle die heiligen Leidenswerkzeuge werden einen viel erschrecklicheren Glanz von sich geben, als alle Blitzstrahlen in den schwarzen Wolken thun können. Diese Strahlen werden den armen Verdammten so erschrecklich vorkommen, als sollten sie vom Blitze erschlagen werden.
Vor allen Leidenswerkzeugen aber wird der Anblick des hochheiligen Kreuzes Alle ergreifen, und nicht nur den Verdammten, sondern auch den Seligen einen übernatürlichen Schrecken einjagen. Es wird so hell glänzen, daß es Sonne und Mond gleichsam verdunkeln wird; und in demselben werden alle Geheimnisse des Leidens Christi mit göttlicher Hand so kunstreich gezeichnet erscheinen, daß auch selbst Jene, welche ihr Lebtag von dem Leiden Christi nichts gehört haben, beim Anblicke des heiligen Kreuzes das ganze Leiden klar mit Augen sehen können. Denn wenn Christus der heiligen Magdalena, wie wir in ihrem Leben vernommen haben, durch den heiligen Michael ein Kreuz vor ihre Höhle stellen ließ, woran alle Geheimnisse seines Lebens und Leidens lebhaft zu sehen waren, wie viel mehr wird er dies am jüngsten Tage thun, damit er Allen es klar vor Augen stelle, was er für uns gethan, und gelitten hat.
Unter denen, die auf der linken Seite stehen, sind viele Hunderttausend, welche ihr Lebtag nie gehört, noch gelesen, noch erfahren haben, und also vermuthlich bis auf dieselbe Stunde noch nicht wissen, was Gott für die sündige Welt gethan und gelitten hat. Deßwegen will ihnen Christus nicht bloß mit Worten es kund thun, sondern auch sichtbar sehen lassen, welche Schmach, Peinen und Martern er um unsers Heils willen auf sich genommen, und ausgestanden habe.
Was die Menschen insgesammt beim Anblicke des hl. Kreuzes und der übrigen Leidenswerkzeuge thun werden, hat sich Christus selbst zu erklären gewürdiget, da er sprach:
„Alsdann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes am Himmel, und alsdann werden wehklagen alle Geschlechter der Erde.“
Wenn wir also das hl. Kreuz erblicken und an demselben alle Geheimnisse des bittern Leidens Christi lebhaft anschauen werden, so wird dieser klare Anblick und die klare Erkenntniß des Leidens unsers Herrn unsere Herzen so ergreifen, daß wir von unsäglichem Mitleid nicht nur trauern, sondern laut schreien, rufen und wehklagen werden. Dies Mitleid wird sowohl die Seligen als auch die Verdammten so angreifen, daß sie, wenn sie noch sterblich wären, alle vor Herzenleid darniederfallen, und des bittersten Todes sterben müßten.
· Denn beim Anblick des hl. Kreuzes und der übrigen Leidenswerkzeuge werden wir alle Marter, die Christus gelitten, so klar anschauen, als wenn er Alles vor unsern Augen erst litte.
Es wird alsdann auch alles geheime Leiden, welches Christus bisher noch nicht geoffenbaret hat, offenbar werden. Wir werden mit Augen sehen, wie unverschämt die Juden mit Christus in der Nacht seines Leidens umgegangen sind, und werden gründlich erkennen, welche unsägliche Angst, Noth, Furcht, Traurigkeit und Bitterkeit Christus in seinem Herzen, und an seiner Seele gelitten hat. Wir werden dann auch, so viel dies möglich ist, die unendlich hohe Würde der Person Christi erkennen, damit wir um so besser begreifen möchten, wie schmerzlich und schimpflich alle seinen Peinen gewesen sind, weil dadurch auch zugleich seine unendliche Majestät verachtet und entehrt worden ist. Diese übernatürliche Erkenntniß wird Alle so ergreifen, daß Jeder meinen wird, es müßte ihm vor Schrecken und Schmerz das Herz zerspringen.
Die Verdammten werden mit solcher Reue erfüllt werden, daß sie verkümmern müßten, wenn sie noch sterben könnten. Diese Reue aber wird ihnen nichts mehr helfen, weil es keine Reue der Liebe, sondern eine Reue der Verzweiflung ist, wie die des Kains und des Judas war. Kain sprach nämlich:
„Meine Missethat ist größer, als daß sie Verzeihung verdiene.“
Judas aber, als er die Größe seiner Sünde betrachtete, sprach:
„Ich habe gesündigt, daß ich unschuldiges Blut verrathen habe;“ und ging hin und erhenkte sich.
So werden alle Verdammten mit dem Judas sagen:
Ach, wie haben wir gesündiget, daß wir das unschuldige Blut verrathen haben! Ach, wie haben wir so sehr übel gethan, daß wir Gottes Sohn mit unsern Sünden gemartert, gekreuziget und getödtet haben!
So wird erfüllt werden, was Christus sprach: „Alsdann werden weheklagen alle Geschlechter der Erde.“ Denn es wird ein solches Seufzen, Klagen, Schreien, Rufen und Heulen unter Allen, die im Thale Josaphat versammelt sind, entstehen, daß Keiner sein eigenes Wort wird hören können. Es wird ein solches Trauern, Jammern und Leidwesen sein, daß die Verdammten vor Verzweiflung ihre Haare ausraufen, ihre Wangen zerkratzen, ihre Brust zerschlagen, ja einander zerreißen und zerfetzen möchten.
Ach, was werden dann die armen Heiden sagen, welche ihr Lebtag von dem Leiden Christi nichts gehört, noch gewußt haben? Ach, wie werden sie ihre Blindheit so schmerzlich und untröstlich beweinen und beklagen, indem sie ausrufen werden:
Ach, ach wir Arme! Ach, ach wir Elende! hätten wir dieses gewußt, wir würden uns nicht in dieses Elend gestürzt haben. Hätten wir gewußt, daß der unendliche Gott so viel gethan und gelitten hat, wie wollten wir ihm gedankt, wie wollten wir ihm gedient haben! Denn da wir unsern falschen Göttern, von denen wir unser Lebtag nichts Gutes empfangen, so andächtig gedient, und sie so hoch geehrt haben, wie wollten wir uns erst gegen den wahren Gott, der uns erschaffen und erlöst hat, und uns zu heiligen bereit war, dankbar bewiesen haben! So sind wir denn zu Grunde gegangen, weil wir Niemanden gehabt haben, der uns die Wahrheit gelehrt hätte. So müssen wir nun wegen Mangel an Erkenntniß in den Abgrund der Verdammniß hinunter fahren.
Hier sollst du nun aber wissen, daß die Heiden keine Ursache haben werden, sich zu beklagen; denn wenn sie nach ihrem Gewissen gelebt und sich von Sünden enthalten hätten, so hätte ihnen der liebe Gott übernatürliche Mittel zugeschickt, die ewige Seligkeit zu erlangen.
· Denn Niemand wird verdammt, der es nicht selbst verschuldet hat.
Was meinst du aber, daß Pilatus, Kaiphas, Annas und die Hohenpriester, die Christus zum Tode gebracht, wie auch alle Juden und Heiden, die ihn verspottet, gepeiniget und gekreuziget haben, alsdann sagen werden? O wer will´s beschreiben! O wer will´s auch nur denken können, wie diese Alle wüthen, toben, rasen und verzweifeln werden! O wer will sich auch nur den tausendsten Theil einbilden können, wie sie vor Wuth sich die Haare ausraufen, die Wangen zerkratzen, und ihren eigenen Leib zerbeißen und zerreißen werden. Diese verzweifelten Bösewichte und grausamen Gottesmörder werden in solcher unendlicher Schande und Schmach dastehen, daß sie wollten, daß alle Berge der weiten Welt über sie herfielen, und sie bedeckten. Sie werden von Allen so erschrecklich verflucht, verwünscht und vermaledeit werden, daß kein Fluch in der langen Ewigkeit zu erdenken ist, welcher über sie nicht ausgesprochen würde. Ja ich glaube fest, daß die andern Verdammten über sie herfallen, und so grausam zerreißen, zerbeißen, zerkratzen, und zerschlagen werden, daß kein ganzer Fetzen mehr an ihnen bliebe, wenn sie noch vernichtet werden könnten, was aber nicht mehr geschehen kann. Gleichwie sie allen Haß, den sie in ihrem teuflischen Herzen fassen konnten, über Christus ausgegossen haben, so werden nun auch alle Teufel und Menschen allen ihren Haß und Groll über sie ausgießen.
Ich will hier nicht davon reden, was jene bösen Geister empfinden werden, welche das bittere Leiden Christi verflucht, und Christus am heiligen Kreuze geschändet und gelästert haben, und was sie von Andern ausstehen werden, sondern will dieß der Kürze wegen Jedem selbst zu betrachten überlassen.
· Nur dies bitte ich dich noch zu erwägen, was du selbst alsdann denken, fühlen und sagen würdest, daß du schuld bist am Leiden Christi, und du ihn mit deinen Sünden so oft aufs Neue gekreuzigt habest.
Wenn du dich recht lebendig in jenen Zustand der Verdammten setzen würdest, so würdest du gewiß dein Lebtag keine Sünde mehr begehen. Thue es also zu deinem Heile, damit du zu einer wahren Reue und Besserung deines Lebens kommest! Falle jetzt vor Christus nieder, und bereue aus allen Kräften deines Herzens deine Sünden, und beklage sein bitteres Leiden auf folgende Weise:
O treuer Erlöser der Welt, Christus Jesus, im Namen aller Menschen, welche am jüngsten Tage im Thale Josaphat versammelt sein werden, falle ich vor dir nieder, und bete dich mit der tiefsten Demuth und Ehrerbietung an. Ich wünsche mir von Herzen, daß ich die Abscheulichkeit meiner Sünden so erkennte, wie ich sie einst beim Jüngsten Gerichte erkennen werde, und daß ich sie jetzt so schmerzlich bereuen könnte, wie ich sie alsdann bereuen werde, ja daß ich eine solche Reue hätte, so groß wie die Reue Aller insgesammt sein wird an jenem schrecklichen Tage.
Auch wünsche ich mir eine solche Erkenntniß deines bitteren Leidens und ein solches Mitleid mit demselben, wie wir es haben werden an jenem Tage des Gerichtes. O gib mir, o Gott, daß ich jetzt meine Sünden recht herzlich beweine, damit ich sie alsdann nicht vergebens beweine! O, wenn ich bedenke, wie leichtsinnig und abscheulich ich dich, mein Gott! beleidigt und gering geschätzt habe, so möchte sich mir das Herz im Leibe umwenden, denn ich sehe es recht gut ein, daß ich dich mehr beleidigt und mich abscheulicher gegen dich betragen habe, als die Juden, weil ich dich besser erkannt und viel mehr Gutthaten von dir empfangen haben, als diese. Wie billig wäre es daher, wenn mein Herz in Thränen der Reue schwimmen würde, und wenn ich vor Schmerz stürbe!
Habe doch Erbarmen mit mir, o mein göttlicher Erlöser und einstiger Richter, und gib mir die große Gnade, mein ganzes Leben hindurch bußfertig zuzubringen, damit ich nicht mehr so zu zittern brauche vor jenem großen Tage der allgemeinen Auferstehung, sondern demselben mit Freude entgegensehen möge! Amen.
In Originalschreibweise; aber wegen der alten Frakturschrift nicht gescannt, sondern abgeschrieben.
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