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  • 28.08.2012 09:56 - Das Zweite Vatikanische Konzil nimmt alle Gläubigen in den Blick
von Hildegard Maria in Kategorie Allgemein.

Die Mitte des Zweiten Vatikanischen KonzilsVitus Huonder

Lesejahr BDas Böse in der Welt und wirSimone Rosenkranz

Vatikanum IIAm Vorabend des KonzilsWalter Kirchschläger

Synode 72Konzilsbeginn – Synode 72Stephan Leimgruber

ZwischenhalteBerner ZwischenhalteRoland W. Moser

Amtlicher TeilBistümer der Deutschsprachigen Schweiz

Bistum Basel

Bistum Chur

Bistum St. Gallen

BerichtStudientagung 2011 der Basler Liturgischen Kommission: «Liturgie und Sprache»


Die Mitte des Zweiten Vatikanischen Konzils

Der Humanist Erasmus von Rotterdam (*1465 oder 1469 in Rotterdam, †  1536 in Basel) hat in seinem satirischen Werk «Das Lob der Torheit» (Laus stultitiae) die kirchlichen Zustände seiner Zeit aufs Korn genommen. Zur damals gelebten Frömmigkeit und zum Streben nach Vollkommenheit bemerkte er: «Ebenso wie die weltlichen Fürsten einige Herrscherpflichten ihren Stellvertretern übertragen und wie dieser Stellvertreter wieder seinen Stellvertreter damit beauftragt, so überlassen sie aus Bescheidenheit die Aufgaben der Andacht dem einfachen Volk. Das Volk reicht diese Pflicht an jene weiter, die ‹Kirchenmänner› genannt werden, gleichsam als hätte es selbst nicht das Geringste mit der Kirche zu schaffen und sei völlig vergeblich getauft worden. Die Priester wiederum, die sich ‹weltliche› nennen, als wären sie der Welt, nicht Christus geweiht, überlassen diese Last den Ordensgeistlichen, diese den Mönchen, die freieren Mönche den strengeren, alle zusammen schliesslich den Bettelmönchen. Die Bettelmönche aber reichen den Ball an die Karthäuser weiter, bei denen alle Frömmigkeit wie im Grabe verborgen ist, so gut verborgen, dass sie fast niemals sichtbar wird.»1

Das Zweite Vatikanische Konzil nimmt alle Gläubigen in den Blick

Das Zweite Vatikanische Konzil, dessen 50-Jahr-Jubiläum wir in diesem Jahr zu feiern beginnen werden, liest sich zur Beschreibung des Erasmus wie ein Kontrastprogramm. Denn das jüngste Konzil hat in seinen Dokumenten, besonders in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche «Lumen Gentium» (LG), nicht nur das Selbstverständnis der Kirche in der Tradition der kirchlichen Lehre neu buchstabiert. Das Konzil hat dabei auch ganz bewusst alle Glieder der Kirche in den Blick genommen, angesprochen und zu einem erneuerten und missionarischen Christsein ermutigt.

Umso überraschender ist es, dass in den Jahren seit 1965 sehr viel debattiert worden ist über die Struktur der Kirche, über die «Stände», die es in ihr gibt, und über ihr Zueinander. Solche theologischen Debatten mögen zweifellos ihre Berechtigung haben. Sie haben jedoch auch dazu beigetragen, die Kirche, ihren eigentlichen Sinn und ihre Bestimmung im Bewusstsein vieler Menschen in den Hintergrund treten zu lassen zugunsten von oft sehr menschlichen oder gar allzu menschlichen Aspekten. Demgegenüber ist es meine feste Überzeugung, dass niemals Strukturdebatten eine lebendige Kirche hervorbringen werden. Nur ein neues, vertieftes Eingehen auf das, was der Kern des christlichen Glaubens, der Kern christlicher Existenz ist, kann eine neue Blüte des Christseins bewirken.

Was allein zählt


Gerade die Kirchenkonstitution kann uns da wertvolle Impulse geben. Sie enthält nicht nur in ihrem Text, sondern bereits in ihrem Aufbau einen Hinweis auf das, was für alle Gläubigen letztlich allein zählt.2 Es macht den kunstvollen Aufbau dieses zentralen Dokuments von Vatikanum II aus, dass er gewissermassen spiegelbildlich ist: Das erste Kapitel spricht vom Geheimnis der Kirche, in der sich die Gemeinschaft des dreifaltigen Gottes mit der Menschheit erschliesst. Im achten Kapitel findet diese Gemeinschaft in Maria ihre erste, ganz persönliche Vollendung, die für alle Glieder der Kirche von Bedeutung ist. In Maria ist die Vollendung der ganzen Kirche bereits zeichenhaft dargestellt. Das zweite, vielzitierte Kapitel von «Lumen Gentium» spricht bekanntlich vom Volk Gottes. Aber auch diese Aussagen wären unvollständig, wenn sie sich nicht spiegeln würden in einem anderen Kapitel von «Lumen Gentium». Dies ist der Fall im siebten Kapitel. Dieses spricht vom endzeitlichen Charakter der pilgernden Kirche und von ihrer Einheit mit der himmlischen Kirche. Erst innerhalb dieses doppelten Rahmens, der stets «die einzige komplexe Wirklichkeit, die aus göttlichem und menschlichem Element zusammenwächst» (LG 8) präsent macht, spricht das Konzil dann im dritten, vierten und sechsten Kapitel von den «Ständen» in der Kirche: der Hierarchie, den Laien und den Ordensleuten. Diese drei Konkretisierungsformen christlicher Existenz sind deshalb nicht Selbstzweck. Vielmehr sind sie schlicht die drei verschiedenen Weisen, das Geheimnis der Kirche (I. und VIII. Kapitel von LG), die unterwegs durch die Zeit zur Vollendung in Gott ist (II. und VII. Kapitel), in dieser Weltzeit zu leben.

Das Kapitel ohne «Gegenstück»


Übrig bleibt somit ein Kapitel der Kirchenkonstitution: das fünfte Kapitel. Es hat kein «Gegenstück». Deshalb ist es die Mitte der Dogmatischen Konstitution «Lumen Gentium» – und man darf sicher sagen, die Mitte des Zweiten Vatikanischen Konzils überhaupt. Dieses Kapitel handelt von der «Allgemeinen Berufung zur Heiligkeit in der Kirche». Ausgehend von der Tatsache, dass die Kirche als Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes als solche «unzerstörbar heilig» ist, heisst es von den Gliedern der Kirche: «Daher sind in der Kirche alle, mögen sie zur Hierarchie gehören oder von ihr geleitet werden, zur Heiligkeit berufen» (Nr. 39).

Das Zweite Vatikanische Konzil ist so betrachtet die Antwort auf die immer wieder in der Kirchengeschichte aufkommende Versuchung, das Streben nach Vollkommenheit «weiterzureichen», wie es eben Erasmus ironisch beschrieben hat. Auch heute hat man bisweilen den Eindruck, ob all dem Eifer für Strukturen und Konzepte werde das tägliche und innige Bei-Gott-Sein, wenn auch sicher nicht bewusst oder willentlich, «weitergereicht». Und so bin ich überzeugt, dass der Kern der Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils auch in unserer heutigen Situation Medizin ist für manches Leiden, in der und an der Kirche, wie es ja immer wieder artikuliert wird.

Wenn wir uns alle, im Sinne der Mitte des Konzils, in unserem Fühlen, Denken und Handeln immer wieder auf unser letztes persönliches Lebensziel neu ausrichten, darauf hin leben, dann wird vieles von dem, was uns umtreibt, stört und schmerzt, in einem guten Sinn sekundär werden. Dann werden auch die Unterschiede, die nicht aufhebbar sind, in gesunder Weise relativiert. Dann wird die Kirche wieder nach aussen wirksam, statt sich mit sich selbst zu beschäftigen. Dann wird der Umgang miteinander in der Kirche in gutem Sinn verändert. Denn dann wird bewusst, dass wir, mit all unseren Stärken und Schwächen, gemeinsam zu etwas unterwegs sind, das wir beim besten Willen nicht planen und machen können, sondern das wir für uns und für alle, die uns anvertraut sind, immer wieder nur erbitten können: die Heiligkeit, das Leben Gottes, das allein unserem Tun, auch unserem kirchlichen Tun, Sinn über den Tag hinaus zu verleihen vermag.

Nicht Reformer, sondern Heilige

So hoffe und wünsche ich, dass uns das beginnende Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils helfen wird, die Mitte dieses Konzils neu zu entdecken, und damit auch die Mitte unserer christlichen Berufung. Und das wird dann uns alle betreffen, nicht nur die in Ämtern und Diensten «Engagierten», sondern alle Glieder der Kirche. Mit Kardinal Joseph Ratzinger möchte ich deshalb mit Blick auf Vatikanum II, aber auch generell auf unser kirchliches Wirken bezogen, sagen: «Ob das II. Vatikanum und seine Ergebnisse einmal als lichtvolle Periode der Kirchengeschichte werden gelten können, wird von allen Katholiken abhängen, die dazu berufen sind, ihm Leben zu geben. Wie Johannes Paul II. bei seinem Gedenken an den heiligen Karl Borromäus in Mailand sagte: ‹Die Kirche von heute braucht keine neuen Reformer. Die Kirche braucht neue Heilige.›»3

Ihnen, liebe Mitbrüder im Bischofs-, Priester- und Diakonenamt sowie auch Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Seelsorge, danke ich für Ihr Lebenszeugnis und für Ihren täglichen Einsatz für und in der Kirche. Sie tragen durch alles, was Sie im Herrn tun, nicht nur zur Heiligkeit der Ihnen anvertrauten Gläubigen bei. Sie heiligen auch sich selbst in diesem Dienst. Ebenso danke ich allen Gläubigen, die, ohne ein Amt in der Kirche zu haben, mitten in der Welt, dort, wo sie stehen, nach der Heiligkeit streben und Kirche sind. Indem sie ihr Leben und Wirken mit all seinen Freuden und Leiden Gott als wohlgefälliges Opfer darbringen, üben sie das Allgemeine Priestertum der Getauften aus und bringen so die Welt Gott dar (vgl. LG 34). Mit diesem Dank verbinde ich meine besten Segenswünsche für das neue Jahr.


Die drei Bistümer Basel, Chur und St. Gallen sind die Hauptträger der SKZ. Ihre Bischöfe richten jeweils den Neujahrsgruss an die Leserschaft, 2012 tut dies der Churer Bischof Dr. Vitus Huonder.



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