Fortschritt Internet?
Also ich gebe zu, dass ich eine ganze Menge über das Internet mache. Meine gesamten Bankgeschäfte wickle ich über das Internet ab, ich bestelle hin und wieder was bei Amazon oder anderen Online-Händlern oder ich ersteigere mir was bei Ebay. Manchmal kommt es mir so vor, als sei das alles schon ziemlich altmodisch, denn die ganz modernen Errungenschaften des Netzes wie Facebook oder Twitter nutze ich gar nicht. Einen Facebook-Account werde ich mir auch auf keinen Fall zulegen, auch meinen Kindern werde ich nahe legen, sich keinen zu beschaffen. Meine Daten bedeuten mir noch was und ich möchte sie nicht irgendeinem Milliardär aus Amerika in den Rachen werfen. In Diensten, bei denen man ehemalige Klassenkameraden oder Freunde wiederfinen kann, wie wer-kennt-wen oder stayfriends, sehe ich ja noch einen Sinn. Aber dort geht es ja auch um das Wiederfinden, nicht um das Kennenlernen.
Konnten wir denn früher Freunde nicht auch ganz „analog“ finden? Ich war erschrocken, als ich hörte, dass in den USA eine Teenagerin wegen Minderwertigkeitskomplexen in psychologischer Behandlung war, weil sie „nur“ 500 Freunde bei Facebook hatte. All ihre Freunde hatten über 1000. Echte Freunde? Soweit ich gehört habe, wird man bei Facebook ganz schnell zu einem „Freund“. Man muss sich dazu nie persönlich kennen gelernt zu haben, man muss dazu nie über Jahre eine Freundschaft gepflegt haben. Ein paar Mausklicks genügen und schon ist man eines anderen Freund. Ich finde das alles ziemlich oberflächlich. Und macht das unser Leben wirklich besser? Zugegeben, das Internet vereinfacht vieles. Ich spare mir den Gang zu meiner Bank und tätige meine Überweisung eben online. Aber was ist der Preis für die Bequemlichkeit? In der Bibel heisst es, dass die Menschen zum Ende der Zeit immer egoistischer werden: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten eintreten werden; denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, lieblos, unversöhnlich, Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, unbesonnen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott“ (2. Timotheus 3).
Ich glaube, das Internet leistet dem Vorschub. Was bringt es denn, wenn man darum streitet, wer die meisten „Freunde“ bei Facebook hat? Hier geht es doch gar nicht um wahre Freundschaft sondern um Prahlen und Selbstdarstellung. Es entstehen auch neue Aussenseiter. Kinder, die früher vielleicht viele gute Freunde ganz normal gefunden hätten, verlieren in diesem Wettstreit, weil sie vielleicht nicht ganz so erpicht darauf sind, möglichst viele digitale Freunde ihr Eigen nennen zu können. Und wie beliebig ist das Ganze? Bei Facebook genügt ein Knopfdruck um einen „Freund“ loszuwerden. Wenn man Pech hat, wird man über das Netz und die einschlägigen Seiten gemobbt und gedemütigt – ganz anonym.
„Soziale“ Netzwerke nennt sich das dann. Was soll denn daran sozial sein? Ja, Menschen werden irgendwie zusammen geführt. Aber erbaut werden soll damit das eigene Ego. Einem echten Freund kann ich auch mal im Vertrauen etwas sagen, ihm von meinen Sorgen erzählen. Im Internet sollte man dies tunlichst nicht tun. Zu groß ist die Gefahr, dass man von all den unbekannten Avataren Häme oder Hass erntet. Wirkliche Hilfe, echter aufrichtiger Beistand ist so gar nicht möglich. Und da man so sehr damit beschäftigt ist, möglichst viele oberflächliche, digitale Freundschaften zu schließen, bleibt keine Zeit mehr, sich um wirkliche Freundschaften zu kümmern. Und irgendwann kommt vielleicht der Punkt, wo man einen echten Freund vermisst, jemanden, dem man mal wirklich die ganze Seele ausschütten kann.
Wohin wird das noch führen? Ich glaube, befürchte, dass es so kommen wird, wie es in Gottes Wort vorhergesagt wird. „Sozial“ bedeutet eigentlich „egoistisch“. Es geht darum, das Ego weiter in den Mittelpunkt zu rücken. „Wenn jeder nur an sich selbst denkt, ist auch an alle gedacht“, wird mancher einwenden. Doch unser Leben wird dadurch verkümmern. Bequemlichkeit gegen Menschlichkeit. Ich habe die Sorge, dass dieser Trend nicht mehr aufzuhalten ist. Es sei denn, jemand greift irgendwann von aussen ein…
© Wiebke Dorn
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